LEILA’S BROTHERS von Saeed Roustayi

Leila (Taraneh Alidoosti) und ihre Brüder

Mit 165 Minuten Länge, das sind zwei und dreiviertel Stunden, ist Leila und ihre Brüder (Baradaran-e Leila) aus dem Iran der längste und geschwätzigste Abgesang auf das Patriarchat, den ich je gesehen habe. Aber selbst wenn einem danach die Ohren klingeln: Der Film wirkt nach.

Die erste Einstellung zeigt einen alten Mann, der zusammengesunken in seinem Sessel raucht. Es ist der Patriarch der Familie, Heshmat (Saeed Poursamimi). Gegen Ende des Films sehen wir ihn wieder im gleichen Sessel, zusammengesunken, die brennende Zigarette zwischen den Fingern, inmitten seiner Enkelinnen. Aber nun ist er tot.

Vater Vater Heshmat (Saeed Poursamimi) inmitten seiner Familie

Zwischen diesen beiden Sequenzen liegt die ärgerliche, mitreissende, absurde, endlose und doch packende Familienhölle. Denn Heshmat ist der Vater von Tochter Leila (Taraneh Alidoosti), die als einzige immer klar sieht und die Familie zusammenhält und dem vernünftigen Sohn Alireza (Navid Mohammadzadeh), der als einziger neben Leila einen richtigen Job hat, und auf Distanz zur Familie gegangen ist.

Leila (Taraneh Alidoosti) und Alireza (Navid Mohammadzadeh)

Und dann sind da noch die drei weiteren Brüder Manouchehr (Payman Maadi), Farhad (Mohammad Ali Mohammadi) und Parviz (Farhad Aslani).

Die Familie kommt aus der Armut nicht heraus, obwohl ihnen wenigstens das Haus gehört, in dem sie wohnen. Leila arbeitet in einem Einkaufszentrum, einer der Brüder ist dort der Klo-Mann, der andere fährt mit Vaters Auto Taxi und der dritte macht windige Geschäfte und stolpert von einer Betrügerei zur nächsten.

Nur Alireza hat Arbeit, in einem Stahlwerk, weit weg von der Familie. Das wird aber geschlossen, die Belegschaft, der der Betrieb ungefähr einen Jahreslohn schuldet, wird entlassen. Und Alireza kehrt zurück zur Familie.

Es stellt sich bald heraus, dass der Patriarch und seine Frau sich längst nur noch streiten, dass Alirezas Brüder nichts auf die Reihe bekommen, und Leila bittet ihren Bruder, mit ihr zusammen für die Familie ein Geschäft zu gründen. Das Lokal dafür könnten sie kaufen in ihrem Einkaufszentrum, das Klo, in dem der andere Bruder arbeitet, soll in eine Reihe weiterer Luxusboutiquen umgebaut werden.

Es ist eine Familiengeschichte mit Clan-Einschlag, mit gierigen Cousins und alten Fehden unter alten Verwandten. Ein Gesellschaftsbild aus dem Iran ohne religiösen Einschlag, eine ökonomische Auslegeordnung – und formal so episch, dass man sich an die Godfather-Filme oder gar Il Gattopardo erinnert fühlt.

Bloss wird so viel geredet und gestritten und verhandelt, dass die Tonspur allein genügen würde, um Schwindel zu verursachen. Das hat Methode, denn was sich in dieser Familie aufstaut und anberaumt, das kulminiert nicht nur in einer Festen-ähnlichen Hochzeitsfeier der totalen Erniedrigung, sondern in ein ganzes Feuerwerk ökonomischer und persönlicher Katastrophen.

Das ist einnehmend und mitnehmend, Saeed Roustayi klopft sein Publikum richtig windelweich mit diesem Dauerfeuer aus allen Mündern. Gleichzeitig baut er subtil dieses Familienkonstrukt auf, in dem schliesslich stets jene an allem schuld sein soll, die als einzige alles durchschaut: Leila.

Wer diesen Film gesehen und akzeptiert hat, wird nie (mehr) auf die Idee kommen, die Frauen in den Familien sollten die wichtigen Entscheide den Männern überlassen. Insofern ist dieses dröhnende Monster von einem Film das feministischere und didaktischere Iran-Vehikel als Ali Abbasis Holy Spider im gleichen Wettbewerb von Cannes.

Leila (Taraneh Alidoosti) und ihre Brüder: Alireza (Navid Mohammadzadeh), Manouchehr (Payman Maadi), Farhad (Mohammad Ali Mohammadi), Parviz (Farhad Aslani)

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