NOSTALGIA von Mario Martone

Pierfrancesco Favino in ‚Nostalgia‘ © Picomedia

Der eindrückliche italienische Starschauspieler Pierfrancesco Favino kommt von der Mafia nicht mehr los. Da haben wir ihn noch bestens in der Erinnerung als «Verräter» Tommaso Buscetta in Marco Bellocchios Il traditore von 2019. Und schon kehrt wieder zurück nach Neapel.

In der ersten Szene in einem ägyptischen Flugzeug irritiert er noch etwas, weil er mit der Stewardess arabisch spricht. Aber schon bald nach der Landung wird klar, dass hier ein Sohn der Stadt zurückkehrt.

Pierfrancesco Favino © Picomedia

Vierzig Jahre war nicht mehr da. Nun wandert er erst mal durch die Strassen und Gassen, nachdem er seine teure Golduhr im Hotelsafe verstaut hat.

Am nächsten Tag sucht er seine Mutter in der alten Wohnung, nur um herauszufinden, dass sie nicht mehr da wohnt, sondern in der dunklen kleinen Wohnung im Erdgeschoss. Ausserdem sieht sie nicht mehr viel und begrüsst ihn mit Tränen: Ich bin alt geworden.

In einer der schönsten Szenen des Films badet der Sohn die alte Mutter. «Sei pazzo» schimpft sie zwar zuerst, als er sie auffordert, sich auszuziehen. Aber als er insistiert und ihr vorschlägt, sie solle ihn doch einfach wieder als ihren kleinen Jungen sehen, ergibt sie sich und geniesst die Fürsorge.

Im Verlauf des doch zwei Stunden langen Filmes erfahren wir, warum der damals Fünfzehnjährige Neapel überstürzt in Richtung Libyen verlassen hatte, wie er in Ägypten ein Baugeschäft aufzog, reich wurde und heiratete – und Muslim wurde. Auch wenn der Film gerade aus dem Umstand dann herzlich wenig macht.

Francesco Di Leva, Pierfrancesco Favino © Picomedia

Dafür rückt die adoleszente Freundschaft des Helden mit einem anderen wilden Jungen seiner Jugend ins Zentrum. Denn dieser ist geblieben und ist nun der «Malommo», der böse Mann, der gefürchtete und tödliche Gangsterboss des Quartiers La Sanità.

Schön sind in diesem Film vor allem die Erinnerungen des Helden. Während er durch die Stadt geht, zieht sich das Filmbild immer wieder auf das alte Akademie-Format zusammen und wir sehen ihn und seinen Freund auf dem Motorrad durch die gleichen Gassen brausen – mit einem Farbstich.

Auch die langsam wachsende Freundschaft mit dem engagierten lokalen Pfarrer, der gleichzeitig der grosse Gegenspieler des Gangsters ist, bietet Anlass für etliche Szenen, die einem Neapel und dieses spezifische Quartier und seine Bewohnerinnen und Bewohner näher bringen.

Francesco Di Leva, Pierfrancesco Favino © Picomedia

Anderes versandet. Warum die einstige Freundschaft in eine einseitige Feindschaft umgeschlagen hat, kann man nur vermuten. Dass der «Malommo» zugleich ein einsames, tragisches Monster ist, funktioniert nur bedingt, eben so wie der konsequente, aber auch absehbare und trotzdem nicht völlig logische Schluss des Films.

Wahrscheinlich steckt in Nostalgia noch einiges, was Aussenstehenden und Nicht-Italienern gar nicht auffallen dürfte. Aber das, was in diesen zwei Stunden anfällt genügt auch schon für ein befriedigendes, wenn auch nicht ewig berauschendes Kinoerlebnis.

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