STARS AT NOON von Claire Denis

Trish (Margaret Qualley) und Daniel (Joe Alwyn) © ARTE France Cinéma

Claire Denis nimmt Denis Johnsons Roman «The Stars at Noon» von 1986 zum Anlass, ein zeitloses, fiebrig-erotisches Tropen-Abenteuer zu inszenieren. Dabei nimmt sie die Perspektive der Erzählerin des Buches, der Amerikanerin Trish (Margaret Qualley) ein.

Der Roman spielt in Nicaragua, 1984, während der Revolution. Aber Claire Denis siedelt ihren Film in einer diffusen Gegenwart an. Die Figuren haben Mobiltelefone, in einem Hotel hält der Concierge ein Schild hoch „WIFI out of order“, und sowohl Gebäude wie auch die Autos sind gegenwärtig.

Wie der Roman verrät auch der Film verrät nie genau, wer diese Trish nun wirklich ist. Ist sie eine Journalistin, wie sie behauptet? Eine Aktivistin? Eine nordamerikanische Drifter-Hure, wie der Engländer Daniel (Joe Alwyn) einmal meint?

Jedenfalls schläft sie gelegentlich gegen Gefälligkeiten mit einem Unterleutnant der Armee und hat mit einem impotenten Neben-Minister des Landes ein Protektions-Verhältnis. Der hat dafür gesorgt, dass sie in ihrem Hotel in Ruhe wohnen kann.

Was sie sucht, und warum sie in Nicaragua gestrandet ist, wird nie klar. In einer ziemlich komischen Szene telefoniert sie mit dem Herausgeber eines us-amerikanischen Reisemagazins (John C. Reilly), der schliesslich meint, sie solle ihn in Ruhe lassen mit ihren Vorschlägen wie Costa-Rica-Reisetipps, und seine Telefonnummer verlieren.

Der smarte Engländer Daniel, der von sich behauptet, im Auftrag eines Firmenkonglomerates in Nicaragua unterwegs zu sein, sticht ihr ins Auge, sie geht mit ihm von der Bar aufs Hotelzimmer – gegen Bezahlung, wie sie ankündigt. Und erklärt nach dem offensichtlich für beide sehr erfreulichen Sex, sie sei eigentlich nur wegen der Klimaanlage da.

Trish (Margaret Qualley) und Daniel (Joe Alwyn) © ARTE France Cinéma

Die Erotik, die gegenseitigen Lügen und die Vagheit, tragen zusammen mit Trishs Alkoholkonsum und der Tatsache, dass sie arschkalt Daniels Business-Bekanntschaft als Polizist aus Costa Rica erkennt, tragen viel zur Atmosphäre dieses Films bei, der sich nicht wirklich für Fakten interessiert.

Auch nicht für die politischen Hintergründe und die komplizierten Verhältnisse.

Claire Denis zelebriert ein erotisches Abenteuer, dass sich zur Leidenschaft auswächst und dann zum Fluchtdrama.

Vor allem in der ersten Hälfte ist der Film so stark wie seine Darsteller. Margaret Qualley bringt die gleiche verspielt-erotische Nonchalance ins Spiel, mit der sie schon in Quentin Tarantinos Once Upon a Time in Hollywood aufgefallen ist.

In der zweiten Hälfte, in der die Sache ernst wird und die Lage gefährlich, lassen dann allerdings die inszenatorische Sicherheit und jene der beiden Hauptdarsteller nach. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die Undefiniertheit der Situation, die wolkige Bedrohung, einerseits ganz konkret in Mord und Gewalt umschlägt, aber gleichzeitig der Beziehungsstatus der beiden amorph verläuft.

Sie vertrauen sich gegenseitig beide nicht ganz, er ist von ihr heimlich und weniger heimlich völlig hingerissen; sie verzweifelt tränenreich, als er verschwunden scheint, um gleich wieder kühl und souverän zu tun, wenn er doch wieder auftaucht. Womit vor allem Margaret Qualley bisweilen überfordert scheint, wo es doch eigentlich ihre Figur sein sollte, die sich in dieser Ambivalenz verliert.

Stars at Noon ist ganz unzweifelhaft ein Claire-Denis-Film. Er macht spürbar, was sie an dem Roman gereizt hat, er trägt weit im Spiel zwischen Anziehung und Zurückschrecken, souveräner Distanz und leidenschaftlicher Hingabe. Aber nicht vollständig, nicht abschliessend.

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