NAÇÃO VALENTE von Carlos Conceição

© Terratreme Films

Chiaroscuro – dunkle Bilder mit leuchtenden Farbtupfern darin… das portugiesische Kino unterscheidet sich nicht nur durch die Sprache vom restlichen Filmschaffen der Welt. Es arbeitet auch härter an der historischen Vergangenheit als jede andere Cinématographie.

Carlos Conceição kam 1979 in Angola zur Welt, fünf Jahre nachdem die Portugiesen mit der Nelkenrevolution nicht nur die Diktatur beendet hatten, sondern auch die Zeit der Kolonialmacht Portugal.

Sein Film beginnt 1974 in Angola. Die Portugiesen, Kirche und Armee, sind auf dem Rückzug oder auf der Flucht aus dem Land, das von aussen und innen durch rivalisierende Freiheitskämpfer und Wirtschaftsmächte zerrissen wird.

Eine einsame Ordensfrau kümmert sich mit einem schönen jungen Mädchen von einem lokalen Stamm um die verlassene Kirche, bis sie in der Nacht eine Gruppe schiesswütiger junger Männer vor dem Haus steht und sie Hals übe Kopf flüchtet. Ohne zu merken, dass die bewaffneten Halbstarken sich für einmal eher einen Scherz im Suff erlaubt haben.

© Terratreme Films

Die schöne junge Frau bekommt von einer älteren Verwandten dennoch den Auftrag, sich abseits der Strasse durch den Wald mit einem Sack Mehl zur Ordensfrau durchzuschlagen. Allerdings begegnet sie an einem Bachufer einem hübschen jungen portugiesischen Soldaten.

Die Anziehung der beiden ist magnetisch; sie erforscht mit den Fingern sein Gesicht, seine Brusthaare, er sinkt an ihre Schulter auf dem Waldboden.

Dann betet er kurz und verzweifelt und erschiesst sie.

Gefilmt ist das alles einerseits realistisch, andererseits mit einer derart kunstvoll austarierten Farbpalette, dass dieses Angola bisweilen wie eine Traumlandschaft wirkt. Vor allem, wenn die Leinwand sekundenlang ganz dunkel bleibt, bis ein paar Blitze am Horizont die Steppe erleuchten.

Die surreale Schönheit, in die diese erschreckende, kurze Szene am Bach getaucht ist, hat neben der Verstärkung des Horrors noch einen zweiten, schleichenden Effekt: Nicht nur ich als Kinozuschauer, sondern auch der junge Soldat und seine nach und nach ebenfalls auftauchenden Kameraden trauen der Realitätsebene nicht mehr ganz.

© Terratreme Films

Denn nun sind wir immer näher in einem kleinen Armee-Camp, mit einem glatzköpfigen, disziplinverrückten Colonel, der seine siebenköpfige Soldatentruppe mit eiserner Hand führt, sie gar den schwarzen Koch bei dessen Fluchtversuch erschiessen lässt.

Spätestens als die Jungmänner, grosse Buben in Uniform, am Flussufer ein Riesenporträt von Brigitte Bardot in Öl finden und damit in der Nacht in einer leeren Lagerhalle eine Art Altar errichten, kommen erste déja-vues auf.

Denn nun holt der Colonel, angesichts der sich manifestierenden männlichen Bedürfnisse seiner Truppe eine Prostituierte ins Lager – und wir sind bei Francis Ford Coppola und Apocalypse Now, mit den Playboy-Bunnies und mehr noch den erst im Director‘s Cut Apocalypse Now Redux wieder eingefügten Szenen.

Und gerade, als ich als Zuschauer endgültig zum Schluss komme, da einer Post-Coppola-Version von Joseph Conrads «Heart of Darkness» beizuwohnen, schlägt der Film eine überraschende, elektrisierende Volte.

Wie etliche Regisseure seiner Generation hat auch Carlos Conceição offensichtlich keine Berührungsängste vor dem Genre-Kino und er bringt die brütend-klagend portugiesische Chiaroscuro-Leinwand überraschend mühelos in komplett andere Gefilde.

Ja, Nação Valente ist «Heart of Darkness», ist Apocalypse Now. Aber auch sonst noch so einiges und damit ganz eigen.

Carlos Conceição © Terratreme Films

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