Der unberührte Bergsee zwischen den verschneiten Felsflanken liegt grau glitzernd in Reinheit auf der Leinwand. Erst die nächste Einstellung zeigt die Abfälle, die dort zum Vorschein kommen, wo das Wasser in die Landschaft übergeht.
MOOP – Matter Out Of Place – Material, das nicht an diesen Ort gehört, so lautet eine offizielle Bezeichnung, die sich in diesem Film vor allem auf Müll bezieht.
Der erklärende Titel am Anfang des Films ist der einzige, für die restlichen fast hundert Minuten sprechen die Bilder für sich selbst, und nur zweimal die Menschen im Bild.
Etwa die zwei Männer auf der Wiese vor dem schweizerischen Solothurn. Sie begutachten, was der Bagger aus einem kleinen Sondiergraben fischt: Nach einer dünnen Schicht Humus kommen schon erste Autoreifen, dann Konservendosen, Flaschen, Zeitungen, die noch lesbar sind.
Dass es sich bei der Wiese um eine ehemalige Deponie handelt, wissen die beiden schon, sie sind daran, die Sanierung zu planen. Aber zuerst wird der Graben nun gleich wieder zugeschüttet und die Erde darüber flachgedrückt: «So haben sie es damals auch gemacht. Aus den Augen, aus dem Sinn.»
Das ist dann auch der letzte Dialog bis zu den Schlussszenen dieses Dokumentarfilms.
Nikolaus Geyrhalter hat sich in den letzten Jahren spezialisiert auf diese Filme, die das moderne globalisierte Leben mit seinen Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt beleuchten.
Was bei diesen rund hundert Minuten rund um Siedlungsabfall allerdings auffällt, ist der Kontrast zwischen westlicher Abfallbewirtschaftung und den ungleich brutaleren Landfill-Entsorgungsmethoden in Ländern des Pazifiks, in Asien, im Süden.
Etwa der Weg des städtischen Abfalls in Nepal, der vom Handkarren des lokalen Einsammlers über den Transport in unzähligen offenen Lastwagen ins umliegende Berggebiet führt, wo alles in einer riesigen Müllkippe zusammenkommt – und gleich, zumindest teilweise, von vermummten Müllgräbern wieder zur Teilverwertung durchsucht wird.
Oder die Hotelangestellen auf den Malediven, welche frühmorgens den paradiesischen Strand säubern. Worauf die Säcke mit dem eingesammelten Strandgut auf einem offenen Müllschiff zu einer anderen Insel transportiert werden, wo sie wiederum auf einer offenen Deponie landen.
Wahrscheinlich beginnt Geyrhalter den Film auch darum auf der Wiese in Solothurn, zur Erinnerung daran, dass es auch bei uns noch nicht so lange her ist, das Verscharren von Siedlungsabfällen.
Die hochmoderne Mülltrennungsanlage in Österreich, der ausgeklügelte, aufwändige Abtransport der Abfälle von der Bettmeralp mit dem unter der Seilbahnkabine zu Tal schwebenden Müll-Unimog in die Verbrennungsanlage – sie wirken so notwendig wie absurd im Kontrast.
Und das wird dann verstärkt mit den letzten Sequenzen vom us-amerikanischen Burning-Man-Festival in der Wüste von Nevada, welches damit endet, dass am Morgen danach hunderte von Freiwilligen die Wüste penibel nach dem letzten Fitzelchen Zahnseide absuchen und den Sand mit Besen kehren: «Leave no trace» — Hinterlasse keine Spuren.
Danach fahren sie mit ihren Trucks nach Hause in die klimatisierten Wohnungen. Aber das zeigt der Film schon nicht mehr, das können wir uns ja auch gut selber vorstellen.
Die Methode Geyrhalter funktioniert nach wie vor: Er zeigt uns, was wir wissen, in Dimensionen, die wir uns lieber nicht vorgestellt hätten. Das ist spektakulär, wirkungsvoll und simpel.