PIAFFE von Ann Oren

Simone Bucio © Schuldenberg Films

Das ist nicht nur der erste Pferdemädchen-Kunstporno, den ich in meinem Leben gesehen habe, sondern eindeutig auch der bizarrste.

Dabei darf niemand sagen, der Titel sei nicht Warnung genug.

Die Piaffe ist gemäss Wikipedia eine Übung der klassischen Reitkunst. Sie ist «prüfungsrelevanter Teil der höheren Dressurprüfung» und sie gehört zu den Kunstgangarten.

Simone Bucio mit Moviestar © Schuldenberg Films

Diese höhere Dressurprüfung durchläuft in diesem deutschen Film wohl auch die junge Eva, die jüngere Schwester des Filmgeräuschemachers Zarah. Denn Zarah ist zu Beginn des Films abwesend, eingeliefert in die Nervenklinik, und Eva sieht sich vor die fast unmögliche Aufgabe gestellt, die Vertonung eines Werbespots in Zarahs grossem Geräuschestudio innert kurzer Zeit fertigstellen zu müssen.

Damit ist die scheue Eva sichtlich gefordert, das lautlos tänzelnde Pferd mit der Dressurreiterin auf der Leinwand überfordert sie zuerst einmal völlig. Weder Lederschuhe in der Laubbox, noch Boxhandschuhe auf dem nackten Oberschenkel erzeugen auch nur annähernd ein angemessenes Geräusch, um die Hufe des Pferdes im Sägemehl akustisch zu beleben.

© Schuldenberg Films

Entsprechend ungehalten reagiert der Regisseur des zu vertonenden Spots. Es geht um ein Beruhigungsmittel namens «Equili», das dem Empfänger, so er oder sie es sich vom Arzt verschreiben lässt, das nötige Equilibrium verschaffen soll – und die etwas plumpe Homophonisierung mit Equus, Pferd, durch den läppischen Regisseur nimmt sich Eva sehr zu Herzen.

Beim Bemühen, adäquate Geräusche zu erzeugen, wächst ihr aus dem Steissbein ein Pferdeschwanz. Und den wiederum trägt sie zu Doktor Novak vom botanischen Institut, der alles über Farne und ihr doppelgeschlechtliches Sporensystem weiss.

Und ein bisschen etwas über Bondage, Rachen-Rosen und – Achtung, Piaffe – Stämpfelorgasmus.

Zwei Pferdeschwänze © Schuldenberg Films

Wer Peter Stricklands grossartigen Film Berberian Sound Studio mit Toby Jones als gemüsemordendem Geräuschemacher gesehen hat, ist hier im Vorteil. Denn was Strickland da vor genau zehn Jahren am Filmfestival von Locarno gezeigt hat, ist ein Vorreiter (Pun intended) von diesem Film.

Ann Oren nimmt mit Piaffe viel auf einmal in Angriff, wahrscheinlich etwas zu viel. Neben Fetisch und Erotik ist es vor allem die Synästhesie, die Verbindung diverser Wahrnehmungssysteme. Und auf dieser Ebene ist Piaffe einigermassen erfolgreich.

Dass Bild und Ton nicht automatisch harmonisieren, demonstrieren Evas missglückte Vertonungsversuche. Dass aber eine Geräuschspur von der einen Bildsequenz zur nächsten zu etwas ganz anderem werden kann, das zeigt Ann Oren bisweilen grossartig.

Wenn Eva und ihr Fetisch-Lover Doktor Novak im Pas-de-deux über den Marmorboden des Institutes schlurfen, hören wir plötzlich das, was der Werbefuzzi für seinen Film wollte.

Piaffe ist trotz aller Kunstfertigkeit bizarr überladen, wild entschlossen, alles Mögliche anzugehen und der Ekstase auf diversen Ebenen zu begegnen. Dass man das ein wenig, aber nicht total ernst nehmen sollte, signalisieren vielleicht die teilweise recht grob karikierten Nebenfiguren wie die Nurse Ratchet in der Nervenklinik oder der Werbefilmer mit der Topffrisur.

Und wie sehr sich die Filmemacherin in diese Produktion reingekniet hat, darauf verweist möglicherweise der Name ihrer Produktionsfirma: Schuldenberg Films.

Piaffe ist bizarr, anregend, für manche wohl auch aufregend und unverständlich. Aber eines ist er ziemlich sicher: Einzigartig.

Ann Oren ©Bjørn Melhus

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