HIKAJAT ELBEIT ELORJOWANI von Abbas Fahdel

© Nour Ballouk Co.

Das Haus im Südlibanon, in dem der Franko-Iraker Abbas Fahdel und seine libanesische Frau Nour Ballouk leben, gibt dem Film seinen Titel: Tales oft he Purple House.

Tatsächlich ist das kleine zweistöckige Haus am Hang mit seinem prächtigen Garten malvenfarbig.

Abbas Fahdel macht seine Frau, eine Malerin, zur Protagonistin und Erzählerin des Films; sie ist zugleich auch die Produzentin.

© Nour Ballouk Co.

Der Film ist eine Art ausgeweitete Pandemie-Produktion, auch wenn Nour sich nicht nur im Haus und im Garten bewegt. Sie fährt immer wieder mal in die Stadt mit ihrem kleinen Mercedes. Oder auch nach Beirut, einmal, um dort bei einer Galeristin ihre Bilder abzuholen.

Die ältere Dame schliesst die Galerie, weil die revolutionären Unruhen direkt vor der Galerietür den Betrieb unmöglich gemacht haben. Und weil die Bilder auch nicht mehr sicher sind in der Nachbarschaft, in der immer wieder einmal Scheiben in Brüche gehen.

Einmal fährt Nour auch zum Flughafen von Beirut, um herauszufinden, ob ihre Schwester und ihr Mann noch eine Chance haben, mit dem letzten Flug vor dem Covid-Lockdown nach Hause zu kommen. Haben sie nicht, ihre Flitterwochen in Istanbul werden drei Monate dauern.

Nour Ballouk © Nour Ballouk Co.

Mindestens zwei weitere Fahrten nach Beirut wird es noch geben. Eine nach der verheerenden Explosion im Hafen am 4. August 2020, welche mehr als dreihunderttausend Menschen aus ihren Häusern vertrieb und das revolutionäre Feuer im Libanon erst recht anheizte.

Demonstration in Beirut in der Folge der Hafen-Explosion im August 2020 © Nour Ballouk Co.

Und ein Besuch gilt dann auch einer dieser grossen Demonstrationen mit viel Rhetorik gegen die korrupte, unfähige Mafia der herrschenden Politik.

Der grössere Teil des Films aber reflektiert die Situation im Libanon und die Lage der vielen Flüchtlinge aus Syrien indirekt, in der bukolischen Friedlichkeit des malvenfarbigen Hauses.

Der Nachbarsjunge kommt immer wieder vorbei, er ist mit seiner Familie aus Syrien gekommen und hilft seinem Vater, der als Gärtner und Handwerker ein Einkommen erzielt.

© Nour Ballouk Co.

Einen grossen Teil der rund drei Stunden dieses Films besetzen allerdings Nours Katzen. Im Haus und im Garten haben sie ihr Reich und sie fressen im Verlauf der drei Kapitel des Films unzählige Vögel, Mäuse, Eidechsen vor laufender Kamera und einmal spielen sie gar zu dritt mit einem verschreckten Maulwurf.

Der eigenartige Kontrast zwischen den gepflegten, schönen Schmusetiegern und ihrem spielerisch ausgelebten Jagdinstinkt bildet damit so etwas wie einen Kommentar zum ruhigen Frieden, in dem Nour lebt und malt und Familienmitglieder besucht, und der überall indirekt präsenten Gewalt des Krieges, der auch Nours Familie aus der alten Heimat vertrieben hat.

Schönheit und Schrecken sind dauernd präsent in diesem Dokumentarfilm. Und die Welt der Kunst ebenfalls, über Nours Bilder, aber auch über Filmausschnitte auf dem Fernsehschirm, der sonst die Nachrichten ins Haus bringt.

Dass die Chronologie der Bilder nicht unbedingt wörtlich zu nehmen ist, darauf verweisen allenfalls die Sequenzen mit der jüngsten Katze: Die wird einfach nicht grösser, ihren Jöh-Effekt setzt die Kamera so konsequent ins Bild, dass eine Art Zeitlosigkeit davon ausgeht.

Was den übrigen Film mit seinen Covid-Szenen von Masken, Desinfektion und Ausgangssperren aber nicht davon abhält, sich konsequent durch die letzten zwei Jahre zu bewegen.

Gegen Ende berichtet der Nachrichtensprecher am Fernsehen von Russlands Überfall auf die Ukraine, die Besetzung von Tschernobyl und den möglichen Gefahren für ganz Europa. Worauf wir nach dem nächsten Schnitt auf dem gleichen Bildschirm einen apokalyptischen Ausschnitt aus Tarkovskis Stalker zu sehen bekommen.

Tales of the Purple House ist ein zugleich persönlicher und elegischer Blick auf den Libanon und seine jüngere Geschichte, und ein Dokumentarfilm mit Widerhaken. So wie sich die wiederholten Katz-und-Maus-Szenen gegen die exquisite Schönheit der meisten Einstellungen sperren, tun das auch einzelne Momente revolutionärer Rhetorik, patriotische Gesänge, oder Erinnerungen an den als Sieg über den Feind gefeierten Abzug Israels aus dem Südlibanon im Jahr 2000.

Abbas Fahdel © Nour Ballouk Co.

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