IRGENDWANN WERDEN WIR UNS ALLES ERZÄHLEN von Emily Atef

‚Irgendwann werden wir uns alles erzählen‘: Marlene Burow © Pandora Film / Row Pictures

Leidenschaft und Drama geht wieder. Auch mit Sonnenuntergang und wogendem Kornfeld. Emily Atefs Film verblüfft mit einer wilden Mischung aus Wendezeit-Rekonstruktion und grosser tragischer Liebe.

Maria ist 19 Jahre alt und lebt bei ihrem Freund auf dem Hof von dessen Eltern. Sie ist längst eine weitere Tochter im Haus, auch wenn die Währungsunion und die schnelle Abwicklung der DDR sich ganz unterschiedlich auf die Gemüter und die Zukunftspläne der Menschen auswirken.

Dass die Bücher verschlingende Maria gleichzeitig überfordert ist von den Aufbruchsplänen ihres Freundes, der Fotografie studieren will in Leipzig, und sich magnetisch angezogen fühlt vom ruppigen, doppelt so alten Mann, der den Nachbarshof bewirtschaftet, leuchtet nur zu sehr ein.

So sehr, dass es dann wiederum nicht einleuchtet, dass ausser dem Grossvater der Familie niemand etwas zu ahnen scheint. Oder doch?

Das Schöne an diesem Film sind die vielfachen Wünsche und Befindlichkeiten seiner Figuren. Was da an Zeitgeschichte der frühen 1990er aufleuchtet, ist eine weitere, unaufdringliche Lektion in Retrospekt.

Da macht es dann auch nichts, wenn der gequälte Henner der jungen Maria aus dem Trakl-Büchlein seiner verstorbenen Mutter vorliest. Es stimmt ja, dass das schön ist und gleichzeitig traurig, wie Maria bemerkt. Sie meint allerdings das Gedicht.

Wir wollen uns nicht beklagen, wenn auch das deutsche Kino wieder das Drama wagt, die grosse Leidenschaft, die Gefühle diesseits aller Meta-Ebenen und vor allem diesseits der Ironie.

Vielleicht ist es ja viel beschämender für mich als Kinogänger, wenn ich bei dieser Kornfeld-, Wald- und Wiesen-Ästhetik intellektuell auf Distanz gehen muss, als für den Film.

Man könnte ja auch einfach anerkennend sagen: Emily Atef, die traut sich was.

Schliesslich hat sie sich ja einst auch an Romy Schneider gewagt.

Emily Atef © Rohfilm Factory

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