Putins Angriff auf die Ukraine verwandelte über Nacht ein Dokumentarfilmprojekt zum Schauspieler, der Präsident der Ukraine geworden war, in ein Plädoyer für mehr Ukraine-Unterstützung. Und Sean Penn in einen leidenschaftlichen Selenski-Fan.
Ein unterhaltsames Porträt hätte das werden sollen. Die Geschichte des populären Komikers und Schauspielers Wolodimir Selenski, der in einer Fernsehserie den Präsidenten des Landes spielte, den er dann tatsächlich werden würde.
Sean Penn sollte den Mann vor laufender Kamera treffen, er, sein Team und Co-Regisseur Kaufmann waren schon ein paar Tage in Kiew und drehten Strasseninterviews mit Ukrainerinnen und Ukrainern zum Thema, während sie darauf warteten, endlich einen Termin mit Selenski zu bekommen.
Dann bekamen sie ihn, ausgerechnet in der Nacht des ersten russischen Angriffs.
Sean Penn ist kein guter Interviewer, er stellt seine Fragen nach der Befindlichkeit in der Art eines Sportreporters, aber im Tonfall und mit dem Vokabular us-amerikanischer Network Profis.
In dieser Angriffsnacht spielt das allerdings keine Rolle, den Medienprofi Selenski hat offensichtlich sofort erkannt, wie sehr Sean Penns Bekanntheit dabei helfen würde, seine vom Start weg gleiche Botschaft unter die Leute zu bringen: «Wir werden unser Leben geben für unsere Freiheit. Aber wir brauchen dabei jede Unterstützung, die wir bekommen können».
Wohl gleichzeitig mit Selenski hat da auch Sean Penn eine neue Rolle gefunden, und eine neue Bestimmung. Denn nun beginnt er, sich in die Geschichte der Ukraine einzuarbeiten, begeistert sich für den Euro-Maidan und die Geschichte der jüngeren ukrainischen Volksbewegung.
Sean Penn schwärmt vom Willen der Ukrainerinnen und Ukrainer, sich für mit dem Leben für ihre Freiheit einzusetzen, während er und die meisten anderen Amerikaner längst vergessen hätten, was für ein wertvolles Geschenkt Demokratie und Freiheit seien.
Das hat durchaus einen dokumentarisch-didaktischen Wert für den Film, denn Sean Penns naiv anmutende Begeisterung und sein Wunsch, möglichst schnell möglichst viel über die Ukraine zu erfahren, treiben den Film voran.
Die Interviews mit Ex-Diplomaten, Spezialisten, Journalisten und Strategen aus dem Westen, aber auch in der Ukraine vermitteln durchaus ein kohärentes Bild der Umstände, die allenfalls zu diesem Krieg geführt haben – und zu seiner Fortdauer.
Dass Sean Penn sich mit Haut und Strubbel-Haar zum Selenski-Prediger macht, in den USA auf Medientour geht und selbst dem verhassten Fox-Mann Sean Hannity in dessen Show die Aufwartung macht, um seine einfache Botschaft zu verbreiten, das zeugt von Engagement.
Dass der Film dabei Sean Penns permanenten Alkohol- und Zigarettenkonsum eben so wenig verheimlicht, wie die Banalität seiner Interviews, das zeugt von Souveränität bei der Co-Regie und allenfalls sogar von einer gewissen Selbstironie des Stars.
Mit zwei Stunden ist Superpower zwar lang und auch repetitiv mit seiner ewig gleichen Botschaft. Aber auch im Einklang mit den unermüdlichen Videoauftritten Selenskis, von denen es auch zur Berlinale-Eröffnung wieder einen gegeben hat.
Und die glaubhafte Selbstinszenierung des Schauspielers als Anwalt der guten Sache, die hat Sean Penn ja mit Wolodimir Selenski durchaus gemein. Was den Dokumentarfilm «Superpower» zu seinem eigenen Metakommentar macht.