INGEBORG BACHMANN – REISE IN DIE WÜSTE von Margarethe von Trotta

Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann und Ronald Zehrfeld als Max Frisch in Paris © Wolfgang Ennenbach

Als im letzten Dezember der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch publiziert wurde, gab es Stimmen, die meinten, die gesamte Beziehung der beiden müsste nun neu betrachtet werden, Max Frisch sei damit rehabilitiert und jedenfalls nicht das schuldige Monster, zu dem ihn ein Teil der Literaturgeschichte gemacht habe.

Und schnell kam auch der Verdacht auf, Margarethe von Trottas Film, lange vor der Publikation der Briefe konzipiert und abgedreht, wäre möglicherweise schon vor seiner Premiere überholt.

Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann © Wolfgang Ennenbach

Nun kann man sagen, dass diese Vorstellung schon damals eher absurd anmutete, Frau von Trotta hatte weder ein Biopic noch einen Dokumentarfilm in Aussicht gestellt.

Und nun, nach der Berlinale-Premiere, ist klar: Nein, Max Frisch ist nicht das Monster in einer deutschliterarischen La belle et la bête-Geschichte.

Allenfalls ist dieser von Ronald Zehrfeld gespielte Max der Schweizer Biedermann, als den ihn im Film Bachmanns Komponistenfreund Hans Werner Henze (Basil Eidenbenz) bezeichnet. Und ganz eindeutig ein eifersüchtiger, unsicherer und traditionellen Rollenbildern verhafteter Mann.

«Ich sehe, mein Mädchen hat das Geschirr abgewaschen», erklärt er Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) erfreut, als er vom Frühspaziergang mit der Zeitung zurückkommt. «Das hättest Du auch tun können», entgegnet sie, worauf er meint, er habe arbeiten müssen. Und schon läuft ein Streit ab, der heute karikierend anmuten würde – wäre es Margarethe von Trotta nicht gelungen, ihre Szenen fest in einer vergangenen Zeit zu verankern.

Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann und Ronald Zehrfeld als Max Frisch © Anna Krieps

Es gehört zu den zahlreichen Stärken dieses Films, dass sein Look nicht kostümhaft historisierend wirkt, obwohl die Ausstattung aufwändig und detailtreu ausgefallen ist.

Von Trotta und ihr Kameramann Martin Gschlacht umgehen den Hauch des Kostümschinkens unter anderem dadurch, dass einzelne Szenen und Bilder ins Licht und die Farben der Filme vergangener Zeiten getaucht werden.

So wirkt die Szene der Begegnung von Frisch und Bachmann auf einer Pariser Brücke wie ein Ausschnitt aus einem Douglas Sirk Melodram, in schönstem Technicolor und dramatischer Ausleuchtung. Der Verweis auf eine klar vergangene Filmästhetik macht die Inszenierung deutlich und überzeugend.

Und den gleichen Kniff wendet von Trotta auch auf der Dialogebene an. In einer späteren Szene, in der Bachmann Henze von der Pariser Begegnung erzählt und sich fragt, warum sie da den Drang verspürt habe, Apollinaire zu zitieren, fragt Henze bloss ironisch zurück, ob sie sich da etwa gerade auf einer Brücke in Paris befunden hätten.

Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann © Wolfgang Ennenbach

Überhaupt hat dieser Film, in dessen Haupthandlung Ingeborg Bachmann mit Adolf Opel zur Erholung und Ablenkung von der «grössten Niederlage ihres Lebens», der Trennung von Frisch, die Wüste bereist, einen immer wieder überraschenden Schalk.

Klar ist es schmerzlich, dabei zuzusehen, wie Frisch in Eifersucht kleinlich wird, wie er Mühe hat mit dem Star-Status seiner Frau in der literarischen Welt, wie er rationalisiert und banalisiert. Aber der Film macht ihn damit nicht mehr zum Monster, sondern eher weniger: Das ist einfach ein zuweilen überforderter Mann.

Ronald Zehrfeld ist mit seiner massigen Grösse weit von der untersetzten Statur des echten Max Frisch entfernt. Aber gerade seine Massigkeit hilft mit, den Aussenblick in einen anderen zu verwandeln, einen, der vielleicht tatsächlich näher ist an dem von Ingeborg Bachmann.

Vicky Krieps als Ingeborg Bachmann in „ihrer“ Wüste © Wolfgang Ennenbach

Und Vicky Krieps ihrerseits passt ebenso gut in die Douglas-Sirk- und Visconti-Szenen mit goldenem Glamour-Licht wie ihn die verhärmten, verletzten, wütenden. Schauspielerin wie Schauspieler sind hier auf der Leinwand «bigger than life», sie sind Bilder, Inszenierungen und der Film macht damit immer klar, dass der Blick jener von Ingeborg Bachmann sein könnte. Sogar in jener Szene, in der ein völlig besoffener Frisch in die Römer Wohnung stolpert, da am Sofa zusammensackt und «Goppfrdammi» murmelt.

Margarete von Trotta hat nicht die Geschichte dieser zwei Menschen neu geschrieben, sondern einen Film über künstlerische Souveränität und Abhängigkeiten gemacht, der tatsächlich packt.

Margarethe von Trotta

Kommentar verfassen