ROTER HIMMEL von Christian Petzold

Silberner Bär Großer Preis der Jury –  73. Berlinale
Leon (Thomas Schubert), Nadja (Paula Beer), Felix (Langston Uibel) und Devid (Enno Trebs) © Piffl Medien

Jung bleiben mit Petzold. Das geht, obwohl er, wie wir auch, älter wird. Seine Filmfiguren bleiben jünger, egal, ein welcher Zeit sie sich gerade aufhalten.

Paula Beer auf dem Fahrrad am Waldrand, da weht schon noch ein Hauch von Petzolds Barbara von 2012 über die Leinwand. Die radelte aber noch in der DDR. Beer jetzt ganz gegenwärtig an der Ostsee.

Auch die Lage des Reetdachhauses mitten im Wald, nah am Meer, der heisse Sommer, ja selbst die unweit schwelenden Waldbrände, das alles erzeugt wieder diese Stimmung vorübergehender Zeitlosigkeit.

Und doch hat Christian Petzold einen etwas anderen Blick auf die jungen Leute, die sich hier zusammenfinden. Ein bisschen Wehmut ist da drin, ein wenig Romantik auch, aber – und das ist überraschend – auch eine Spur spöttischer Härte gegenüber dem jungen Künstler, der sich verbissen hat in die eigene Unsicherheit.

Roter Himmel ist ein Selbstporträt des Künstlers als wehleidigem jungem Mann. Und, nach dem Wasserfilm Undine, der Feuer-Teil der geplanten Liebes-Trilogie.

Leon (Thomas Schubert) und Felix (Langston Uibel) sind Jugendfreunde. Im alten Ostseeferienhaus von Felix’ Eltern wollen sie ihre jeweiligen Projekte fertig machen. Leon ist in den letzten Zügen seines zweiten Romans. Und Felix muss eine Fotomappe zusammenstellen für die Aufnahmeprüfung an die Kunstakademie.

Bloss ist das Haus im Wald nicht leer, als sie ankommen. Da läuft die Waschmaschine, da liegen Frauenkleider herum, steht Essen auf dem Tisch.

Leon (Thomas Schubert) © Piffl Medien

Nadja (Paula Beer), die auch da für die Sommersaison wohnt, was Felix’ Mutter ihm vergessen hat zu sagen, bekommen sie allerdings erst einmal nicht zu sehen. Dafür zu hören, beim lautstarken Sex im Nebenzimmer, was den dauermotzenden Leon vom Schlaf abhält, aber für Felix ganz ok ist.

Leon steckt in sich selber fest, in seiner Angst vor der Reaktion seines Verlegers auf sein Manuskript, von dem er ahnt, dass es nichts taugt. Mit disziplinierter Arbeit hofft er die Ablehnung abzuwenden, aber natürlich sorgt das nur dafür, dass er miesepetrig die Welt und den Sommer ausschliesst.

Dabei hat er ein Auge auf Nadja geworfen, bevor er sie gesehen hat. Und tut das immer weiter, er beobachtet sie am ersten Morgen, als sie mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, er schaut sich in ihrem Zimmer um, und als er ihr schliesslich gegenübersteht, durchs Fenster, am nächsten Morgen, weil er draussen bei den Mücken geschlafen hat, weil ihre Sexgeräusche ihn gestört haben… da ist sie nicht bloss eine schöne, lächelnde Erscheinung am Küchenfenster, sondern auch schon bestens bekannt mit Felix, dem offenen.

Leon, der Miesepeter, der Selbstbezogene, macht dauernd das Gegenteil, von dem was er sollte und möchte. Er grantelt, er geht nicht mit zum Schwimmen, er ist in seiner Hingerissenheit unfreundlich zu Nadja.

Und erst recht zum leutseligen Devid (Enno Trebs), dem Rettungsschwimmer vom Strand, der Nadja nachts besucht und sich schnell auch mit Felix anfreundet.

Dass der Wald brennt, dass Gefahr droht, dass Leon nie damit rechnet, dass die anderen mehr sein könnten, als das etwas abgerissene Bild, das er sich von ihnen macht, aus all dem holt Christian Petzold ein Maximum an Sehnsucht und gleichzeitig Witz heraus.

Leon (Thomas Schubert), Nadja (Paula Beer), Felix (Langston Uibel) und Devid (Enno Trebs) © Piffl Medien

Es gibt ein paar Szenen in diesem Film, die als eigenständige Kurzfilme funktionieren würden, sich aber perfekt ins Ganze fügen. Devid erzählt strategisch gewitzt eine Geschichte, deren erzählerischer Drive den verkrampften Jungautor innerlich zusammensacken lässt.

Und Paula Beer rezitiert ein Heine-Gedicht im Kontext, dass einem die Tränen kommen. Noch bevor das Feuer und der Rauch zubeissen.

Leon (Thomas Schubert), Nadja (Paula Beer) © Piffl Medien

Aber die Hauptspannung besteht natürlich darin, dass es so einfach ist, sich mit dem Idioten Leon zu identifizieren, schliesslich weiss er selber, dass er sich dauernd wie ein selbstbezogenes Arschloch verhält. So freut man sich, wenn er sein Fett wegbekommt, aber nicht zu sehr, denn man ist ja selbst da drin. Und erlösen können uns nur die Romantik, und der Petzold.

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