Bedrohung und Verantwortung – zwei Prinzipien, die das Leben in Israel bestimmen dürften, spielt dieser Film von Dani Rosenberg gegeneinander aus.
Der 18jährige Soldat, mit dem wir in den ersten zehn Filmminuten die einsame Panik und Verwirrung und Angst im Häuserkampf in Gaza erleben, rennt plötzlich los.
Bloss weg von hier, das ist der nachvollziehbare Impuls.
Aber als Shlomi nach einer ziemlichen Odyssee durch Felder, Strassensperren und einem Abstecher zum bis auf den Hund leeren Elternhaus schliesslich in Tel Aviv ankommt, sucht er seine Freundin in ihrer Restaurantküche auf. In ein paar Tagen fliegt sie nach Kanada, er will sie noch mal sehen. Oder zum Bleiben überreden.
So begründet er seine Flucht vor sich selber.
Dass sein Verschwinden mit einem Bombenattentat auf ein Fahrzeug zusammenfällt und die Armee davon ausgeht, das Shlomi von der Hamas entführt worden ist, führt zu einer zweiten Dichotomie in diesem Film: Er könnte ein Held sein, aber auch ein fahnenflüchtiger Feigling – beides abstrakte Konzepte, die für Shlomi offensichtlich auch keine Bedeutung haben.
Dani Rosenbergs Film arbeitet mit Rhythmuswechseln, Panik und Rennen, Flucht und Verstecken, Verzweiflung und Hoffnung.
Und im Hintergrund immer das groteske Alltagsleben in Tel Aviv, mit vollen Restaurants, Touristen am Strand, Raketenalarm.
Die Kamera wechselt perspektivisch und bleibt beweglich, zur Tonspur gesellt sich ein Score, der mal hämmert, mal dröhnt und dann wieder in Stille versackt, oder im penetranten Klingeln und Vibrieren eines Mobiltelefons.
Aber so gut das Drehbuch konstruiert ist, die ganze Kraft der wechselvollen Momente kann der Film nicht entfalten, die Taktung von Tempo und Ducken, Wut, Angst und Hoffnung entwickelt nicht ganz den Sog, der offensichtlich angestrebt ist.
Shlomi ist nicht der brave Soldat Schwejk, kein Schlitzohr mit Charme, sondern vor allem ein verwirrter, verängstigter junger Mann. Und wenn seine Flucht bisweilen an A bout de souffle von Godard erinnert, dann entfällt doch gleichzeitig das Element des alles oder nichts. Shlomi hat keinen Plan, er passt sich an, er versucht, zu überleben.
Als er schliesslich realisiert, was seine vermutete Entführung für eine massive Gegenoffensive der israelischen Armee ausgelöst hat, wie viele Tote er möglicherweise indirekt verschuldet, verlässt ihn gar sein Überlebensimpuls. Mit weiteren absurden Konsequenzen.
Bedrohung und Verantwortung – und die komplette Überforderung: Dani Rosenbergs The Vanishing Soldier geht seine Themen intelligent und damit auch unterschwellig politisch an, ohne explizit zu werden.
Das kann man als Schwäche sehen. Oder als adäquate Form für ein grundsätzliches Dilemma.