Rosemary’s Baby ist und bleibt einer der effizientesten modernen Horrorfilme. Die Ängste, welche Mutterschaft mit sich bringen kann, die hat bis dahin kein Drehbuch wirkungsvoller ausgebeutet. Wobei die grosse Zumutung (und damit vielleicht der diabolische Nachhall) dieses Klassikers von 1968 darin besteht, dass er von einem Mann inszeniert wurde, von Roman Polanski.
Diesen Vorwurf wird sich Salve Maria nie gefallen lassen müssen. Die Regisseurin Mar Coll und die Autorin des Buches «Las madres no», das sie dazu inspiriert hat, Katixa Agirre, sind Frauen.
Mutterschaft, das ist Glück, Hingabe, Bestimmung. So will es die Tradition, bei der wohl, wie so oft, der Wunsch der Vater ist des Gedankens, nicht die Mutter.
Dabei sagt es eines der etlichen zwischengetitelten literarischen Autorinnenzitate in Salve Maria klar und deutlich: Mütter schreiben nicht. Sie werden geschrieben.
Das gilt erst recht für die Protagonistin Maria, die ihren ersten erfolgreichen Roman herausgebracht hat und dann Mutter geworden ist. Von der ersten Einstellung des Films an sind wir bei ihr, bei der Schauspielerin Laura Weissmahr, und ihrem Baby Eric.
Der Kleine kotzt immer gleich nach dem Stillen, Maria ist beunruhigt. Ihre Kinderärztin und ihr Mann Nico beschwichtigen, das sei normal. Maria findet es nicht normal. Ihr Kind verträgt ihre Milch nicht?
Dann sieht sie, mitten in der Überforderung mit dem schreienden Kind, die Fernsehnachrichten über eine Französin, die offenbar ihre zwei Kinder umgebracht hat. Der Gedanke daran lässt sie nicht mehr los.
Sie beginnt zu recherchieren, und zu schreiben, mit einer Besessenheit, die immer wieder unterbrochen wird durch alptraumhafte Momente, wie einem Krähenangriff in der Wohnung. Oder der Vorstellung, wie der kleine Eric neben ihr vom Bett auf den Fussboden fällt.
Maria lebt in einer konstanten Versagenspanik, und ihr Mann Nico kriegt das nicht wirklich mit.
Regisseurin Mar Coll schafft es schon in den ersten Filmminuten, dass wir im Kino Marias Panik teilen. Dazu muss sie nicht, wie seinerzeit Polanski, den Teufel und seine Diener bemühen. Marias überfordernder Alltag reicht absolut; ihr schlechtes Gewissen, ihr Gefühl, die Mutterschaft nicht zu meistern, das ist überwältigend.
Dieser Film hat keine Angst vor gar nichts, darum ist er dermassen zum Fürchten.
Aber wohl nicht nur. Zumindest für Frauen, und gerade für Mütter, dürfte Salve Maria etwas Tröstliches haben. Den Tabubruch, die Vorstellung, dass die Überforderung nur einen selbst betreffe, den formuliert eine der Frauen, die Maria in ihrer Mutterschafts- und Stillgruppe trifft, mit ironischer Schärfe: Es sei doch erstaunlich, dass die Abfallkübel nicht alle voll seien mit aufgegebenen Kleinkindern.
Anna, die mehrfache Supermutter, begeisterte Leserin von Marias Roman, wirft den Satz als Witz in den Raum, als lustige Übertreibung, als fröhliches Eingeständnis, dass die Überforderung schlicht normal ist und wieder vorbeigeht.
Und dann ist da noch der Filmtitel, Salve Maria, das katholische Stundengebet der Marienverehrung:
Sei gegrüßt, o Königin,
Mutter der Barmherzigkeit,
unser Leben, unsre Wonne
und unsere Hoffnung, sei gegrüßt!
Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas;
zu dir seufzen wir
trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen.
Wer könnte, angesichts dieser patriarchalen Rettungsfantasie, die Verzweiflung nicht nachvollziehen, wenn, in Übermüdung und Überforderung, das Gefühl übermächtig wird, eine schlechte Mutter zu sein?
Das ist Mar Coll, ihrer Darstellerin Laura Weissmahr und ihrem gemeinsamen Film hoch anzurechnen, dass die Erkenntnis im Publikum ankommt. Auch bei mir, einem Mann.