BOGANCLOCH von Ben Rivers

Jake Williams in ‚Bogancloch‘ © Ben Rivers

Das ist, je nach Perspektive, ein ziemlich abstrakter Kunstfilm, oder ein extrem konkreter Dokumentarfilm. Aber eigentlich ist Bogancloch ein Sequel.

Mit Two Years at Sea von 2011 hat Ben Rivers schon einmal den Alltag des schottischen Eremiten Jake Williams zum Sujet eines Filmes gemacht.

Jake Williams © Ben Rivers

Williams lebt seit rund vierzig Jahren am Rand des schottischen Bergwalds von Clashindarroch. Wie alt der Mann tatsächlich ist, lässt sich aufgrund der körnigen Schwarzweissaufnahmen nicht sagen, wie überhaupt der Film sich allen fassbaren Fakten entzieht.

Wir sehen Williams hin und wieder bei konkreten Tätigkeiten, dem Einpflanzen von Keimlingen in seinem Gewächshaus, beim Abdichten des Daches. Oft aber wandert er einfach durch den Wald, in Gummistiefeln und mit Rucksack.

Sein Anwesen ist eine grosse Müllhalde, oder eine genügsame Idylle, je nach Interpretation. Zwischen die möglicherweise auch künstlich weiter gekörnten und gealterten 16mm-Aufnahmen in Schwarzweiss schneidet Rivers immer wieder farbige Einstellungen auf Postkarten oder Fotografien, auf einer ist Williams deutlich jünger mit rötlichem Haar und dem gleichen Vollbart zu sehen, den er auch «heute» noch trägt.

Manchmal singt er. Einmal durchwühlt er einen Sack mit Audiokassetten und lässt die eine oder andere arabisch klingende Musik laufen. Und einmal singt er gemeinsam mit einem Chor eines schönes (schottisches?) Lied, in dem die Männerstimmen den Tod und seine Konsequenzen schildern, die Frauenstimmen das Leben und seine Geschenke.

© Ben Rivers

Am Ende demonstriert Rivers dann die Gemachtheit, die Künstlichkeit seines Filmes, indem er Williams bei den Vorbereitungen zu einem Bad in einer alten Wanne draussen im Schnee zeigt. Williams wischt den Schnee weg, entzündet ein Feuer unter der Wanne, giesst kaltes Wasser nach, zieht sich Schicht um Schicht aus und steigt in die Wanne.

Dann singt er ein weiteres Lied, wäscht sich Haare und Bart und liegt dann ruhig im Wasser, während die Kamera immer höher steigt. Das Sounddesign bleibt am Boden, bei krackelnden Feuer, beim Miauen der Katze.

Aber unser Blick fliegt immer höher, ob mit Drone oder Luftballon ist nicht auszumachen.

Dafür ist plötzlich kein Schnee mehr zu sehen, das Bad in steigender Aufsicht ist möglicherweise nicht das gleiche wie zuvor, der Mann und die Wanne dagegen wohl schon.

Ben Rivers geht mit seinem selbstgedrehten Material um wie mit Found Footage, das heisst, er baut mit Material, das er verändert, verfremdet, montiert. So etwas wie dokumentarischen Realismus erzeugt dabei ausgerechnet das künstlichste Element, das Sounddesign, die Geräusche, die in ihrem technischen Naturalismus den reduzierten Bildern «überlegen» sind.

Das gibt dem ganzen Werk die Anmutung einer träumerischen Skizze, die sich aufwändig mit Zufälligkeit tarnt.

Ben Rivers © Lisa Whiting Photography

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