Leopard für die beste Regie: Laurynas Bareisa
Leopard für die beste schauspielerische Leistung: Gelmine Glemzaite, Agne Kaktaite, Giedrius Kiela, Paulius Markevicius
Die Schwestern Ernesta und Juste fahren mit ihren Männern und den Kindern ins Wochenendhaus am See, das sie von ihren Eltern geerbt haben. Dort wollen sie den Lukas’ Sieg in einem Kickbox-Tournier feiern und den Geburtstag von Tomas.
Es ist eine vertraute Gemeinschaft, Regisseur Bareiša führt seine Figuren effizient und minimalistisch ein.
Der Film beginnt mit dem letzten Schlag und dem Sieg von Lukas im Kampf. In der Garderobe schaut ihm die erleichterte Ernesta beim Umkleiden zu, schenkt ihm ein neues T-Shirt. Der junge Sohn fragt den Vater, ob der Bluterguss unter dem Arm schmerze, die Schwägerin kommt mit Mann Thomas und der kleinen Tochter gratulieren.
Auf dem Parkplatz führt Tomas seinem Neffen stolz den Lärm des 8-Zylinder-Motors seines Trucks vor, die Frauen spotten, in der Midlife-Crisis müsste er sich doch eigentlich einen Porsche zulegen.
Auf der Fahrt zum Ferienhaus überholt Tomas relativ riskant einen Lastwagen, Lukas, der ihm folgt, kann in letzter Sekunde einem Auto auf der Gegenfahrbahn ausweichen.
Bis zur Mitte des Films passiert nichts aussergewöhnliches.
Danach beginnt Bareiša mit der filmischen Zeit zu springen. Szenen nach dem Ereignis bestätigen oder entkräftigen Vermutungen des Publikums. Andere Szenen werden wiederholt, mit leichten Variationen.
Am Ende ist alles anders.
Laurynas Bareiša nutzt das Phänomen, das seinem Film den Titel gibt, als Vorgabe für die fragmentierte Struktur. Das «trockene Ertrinken» ist zwar kein medizinisch definiertes Phänomen, aber als «sekundäres Ertrinken» eine verbreitete Angst, gerade bei Eltern von badenden Kindern. Gemeint sind zum Beispiel massive traumatische Lungenprobleme nach der ersten Rettung aus dem Wasser.
Der Film etabliert sehr effizient und minimalistisch die Verhältnisse zwischen seinen Protagonisten. Die Nähe der Schwestern, die schwelende Rivalität zwischen den beiden Männern und die vorsichtige Annäherung zwischen Cousin und Cousine.
Dabei sticht vor allem das Unterlegenheitsgefühl von Tomas gegenüber seinem fitten, kämpfenden Schwager heraus. Wie Laurynas Bareiša das herausarbeitet, erinnert nicht von ungefähr an die infame Lawinenszene in Ruben Östlunds Turist – Force majeur von 2014. Der Vater, der dort in Panik seine Familie im Stich lässt, erholt sich nicht mehr von der Schmach.
Drowning Dry ist eine präzise filmische Versuchsanordnung, die verschiedene familiäre Traumata durchspielt. Und damit ein trockenes Spiegelstück zu Ramon Zürchers Der Spatz im Kamin im gleichen Wettbewerb des 77. Locarno Film Festivals.