CENT MILLE MILLIARDS (100’000’000’000’000) von Virgil Vernier

«Tust Du immer noch nichts?» ist die Frage, welche Asife am häufigsten gestellt wird. Der junge Mann prostituiert sich in Monaco. Er lebt mit drei Freundinnen in einem Haus, die alle ebenfalls als Escort arbeiten. Eine von ihnen hat konkrete Pläne für alle vier.

Sie will einen richtigen High-End Service aufziehen, mit Lohn für die Angestellten, mit einem Buchhalter und vor allem: Mit einer Zukunftsperspektive.

Was das Kino stark macht, ist die Möglichkeit, Perspektiven zu vermitteln, Aussichten, andere Blickwinkel.

Das macht Virgil Verniers jüngstes Opus auf interessante Weise paradox. Denn mit einer zentralen Figur, die keine Perspektive hat, keine Ambitionen, fühlen wir uns erst mal verloren.

Dazu vermittelt schon der Prolog eine Perspektivenlosigkeit. Eine Kinderstimme erzählt vom Menschen, der alles zertrampelt und zerstört habe auf dieser Welt.

Später ergibt sich Grund zur Annahme, dass die Stimme der zwölfjährigen Julia gehört. Das Mädchen wird über die Weihnachtstage von der Serbin Vesna betreut, in der Wohnung ihrer reichen Eltern, die abwesende sind.

Vesna hat Asife eingeladen, die Tage mit ihr und Julia zu verbringen, weil sie weiss, dass seine Wohnpartnerinnen fürs Weihnachtsgeschäft nach Dubai geflogen sind.

Lange Zeit redet Julia kaum, aber zwischen ihr und Asife entsteht eine Vertrautheit und schliesslich erzählt sie ihm von der Insel, welche ihre Eltern im Ozean bauen, ein Rückzugsort für den Zeitpunkt im nächsten Jahr, an dem der grösste Teil der Erde wohl unbewohnbar werden würde.

In diesem weihnächtlichen Monaco wirken sie alle verloren, die Figuren dieses Films.

Und zum Schluss fühlt sogar Asife etwas davon. Jedenfalls sagt er, er könne nach den Gesprächen mit Julia nicht weiterleben wie bisher.

Darum hofft er auf ein Wiedersehen auf der Insel ihrer Eltern, nur Stunden, nachdem die Kleine mit dem Helikopter wieder in ihr Internat geflogen wurde.

Siebenundsiebzig Minuten dreht sich dieser Film um nichts und alles, vor der surreal hässlichen Kulisse der monegassischen Luxusurbanität, mit Menschen, die darin umherdriften als Teil des klandestinen Dienstleistungssektors.

Das ist erstaunlich befriedigend.

Virgil Vernier

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