TRANSAMAZONIA von Pia Marais

‚Transamazonia‘ © cineworx

In diesem Film stecken fast so viele Ideen, wie er Koproduzenten aufweist. Diese kommen aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz (ja, auch die SRG ist beteiligt), Taiwan und Brasilien. Und in Brasilien spielt er denn auch.

Mit Ameisen auf einer Kinderhand fängt es an. Die Hand gehört Rebecca, sie ist vom Himmel gefallen. Neun Jahre später wird sie in der gleichen Gegend von ihrem missionarischen Vater als Wunderheilerin vermarktet; die Indigenen nennen sie «Miss Aspirin».

‚Transamazonia‘ © cineworx

Das Initialwunder war natürlich Rebeccas Rettung, denn das kleine Mädchen war die einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes im Dschungel. Ein Stammesangehöriger mit Pfeil und Bogen hat sie am Bagger einer Holzfällerfirma deponiert.

Pia Marais Drehbuch lässt einiges in der Schwebe. So wird schon bald deutlich, dass der Missionar nicht ihr echter Vater ist. Und es bleibt auch offen, ob die Wunder, die Heilungen, welche die junge Frau bewirkt, tatsächlich echt sind.

Und noch offener ist die Motivation des Vaters. Ist er Scharlatan oder Missionar, will er bloss Geld, oder auch Einfluss?

Helena Zengel, Jeremy Xido © cineworx

Sein Einsatz für die Indigenen, als es wieder los geht mit der illegalen Abholzung, spricht für seinen Idealismus. Sein gepredigter Glaube an die Heilkraft des Glaubens auch.

Selbst das sich abzeichnende Dilemma, dass einer der Holzfällerbarone verspricht, bei Heilung seiner Frau seine Leute aus dem Reservat abzuziehen, lässt die Ambivalenz stehen.

Was aber sehr schnell unausweichlich auf der Leinwand steht, ist die Avatar-Romantik. Und dies nicht nur, weil Helena Zengel als blonder Engel im Dschungel mit ihrem Gesicht und der Narbe wie eine gebleicht Na’vi aussieht.

Und ihr Vater Lawrence (Jeremy Xido) ein wenig wie der Schweizer Musiker Stephan Eicher, vielleicht mit einer Prise Bruno Manser.

Das wäre alles nicht uninteressant, die dramatische Anlage und die Konflikte dieses Drehbuchs bieten Stoff für viele. Sie gehen auch weit über das hinaus, was James Cameron für seine Avatar-Sequels für tauglich gehalten hat.

Helena Zengel ‚Transamazonia‘ © cineworx

Aber der Missionar und sein blonder Engel repetieren schliesslich doch auch den kolonialen «White Saviour»-Komplex, obwohl das Drehbuch dessen Dekonstruktion versucht.

Scheitern genügt nicht.

Immerhin fällt ein ganz grosser Satz in dem Film. Der reuige Holzfällerbaron erklärt dem Missionar vor seiner Abreise, er sei getrieben worden von der Gier nach Reichtum:

«Du aber, Du willst ihre Seelen.»

Transamazonia ist ein aufwändiger Film, der offensichtlich, wie viele seiner Art, über Jahre hinweg in institutionellen Entwicklungs- und Finanzierungsseminaren und Koproduktionstreffen in Form geschmiedet wurde.

Die in Südafrika geborene und in Berlin lebende Pia Marais war schon 2010 in Locarno, mit der Französin Jeanne Balibar in einem deutschsprachigen Film, Im Alter von Ellen. Und 2013 an der Berlinale mit Layla Fourie, auch das ein Film mit komplex verschlungenem Plot.

Sie versteht es, gross anzurichten. Und die Arbeit aller Beteiligten ist beeindruckend (auch Sabine Timoteo in einer kleinen Schlüsselrolle). Aber die Perspektive des Films bleibt traditionelles Kino, allen Bemühungen um Dekonstruktion zum Trotz.

Pia Marais © cineworx

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