Leopard für die beste schauspielerische Leistung: Kim Minhee
Über dreissig Filme hat der Südkoreaner Hong Sang-soo in den letzten 28 Jahren gemacht, oft zwei pro Jahr. Die Einstellungen sind länger und einfacher geworden, die Film kürzer.
Eben hat er an der Berlinale den Jurypreis für seinen letzten, A Traveler’s Needs (Yeohaengjaui pilyo) mit Isabelle Huppert, bekommen (was nicht nur viele seiner Fans erstaunt hat, sondern auch den Meister selbst).
Und nun ist er schon wieder im Wettbewerb von Locarno präsent, wo er auch schon viele Jahre zu den Stammgästen gehört. Im Vergleich zu seinen üblichen Längen ist er dieses Mal mit 111 Minuten für seine Verhältnisse episch.
Aber inhaltlich bleibt er sich und seinen Themen und Szenen treu. Männer und Frauen reden, essen und trinken. Wenn sie trinken, trinken sie viel. Wenn sie betrunken sind, reden sie noch mehr.
Alle sind immer ausgesucht höflich, bedanken sich andauernd für alles, bitten andauernd für alles um Entschuldigung und haben samt und sonders vergangenen Ballast mit sich herumzutragen.
Im aktuellen Film ist es eine junge Textilkunstlehrerin, welche die Handlung, wenn man davon reden will, ins Rollen bringt.
Sie lädt ihren Onkel, einen einst bekannten Schauspieler und Theaterautor, an ihre Schule ein, um mit vier ihrer Schülerinnen ein Skit, ein kurzes Bühnenstück aus seiner Feder zu inszenieren. Dies im Rahmen eines Schultheaterfestivals.
Der junge Mann, mit dem die Schülerinnen zuvor geprobt hatten, ist gleich mit drei von ihnen ohne das Wissen der anderen ausgegangen und hat so das Vertrauen der Mädchen und der Schule verspielt.
Und dann ist da noch die einflussreiche Professorin, welche die jüngere Lehrerin protegiert und sich als grösster Fan von ihrem Onkel outet. Und der wiederum blickt auf eine aus politischen Gründen abgewürgte Karriere zurück.
Er betreibt einen netten kleinen Buchladen und tut dort nach eigenem Bekunden eigentlich nichts.
Die Figurenkonstellationen mischen sich wie immer bei Hong Sangsoo beim Essen und Trinken und da ergeben sich dann auch andeutungsweise die dramatischen Verwerfungen und Umpolungen, welche bei ihm immer hinter den Gesichtern der Protagonisten ablaufen.
Auch dieser Film ist wieder ein schönes, ruhiges Kammerspiel. Auch wenn es sich in der Erinnerung wohl bald mit einigen anderen von ihm zu mischen beginnt.
Klar ist: Auch dieses Mal verlässt das Publikum das Kino mit Lust auf Nudelsuppe, Aal, Bier oder auch stärkeren Alkohol, etwa den Makgeolli, dem im letzten Werk Isabelle Huppert sehr zugetan war, und im aktuellen offenbar die alkoholisch veranlagte Mutter der Hauptfigur – auch wenn das erst gegen Ende und auch da nur über den Onkel ausgeplaudert wird.