
Eine Frau unterbricht ihre Künstlerkarriere für ihr erstes Kind und findet sich damit in der Falle, die schon das Leben ihrer Mutter bestimmt hatte. Aber dann brechen ihre tierischen Instinkte durch und sie erkundet eine gefährliche nächtliche Freiheit.
Amy Adams ist die Nightbitch aus Rachel Yoders Roman von 2021. Und sie stürzt sich unter der Regie von Marielle Heller mit einer selbstbewussten, massiven Körperlichkeit in die Rolle. Die verführerische Trickbetrügerin aus American Hustle von 2013 wird in diesem Film mitunter zum fletschenden und heulenden Muttertier.

Die Kombination von Weiblichkeit mit der Lykanthropie, dem Werwolfmythos, wird im Kino eigentlich fast immer mit der erwachenden Sexualität junger Mädchen gleichgesetzt, das war so bei Neil Jordans The Company of Wolves von 1984, beim höchst erfolgreichen Cat People von Paul Schrader mit Nastassia Kinski in der Katzenvariante und auch in Mathieu Seilers Der Ausflug von 2013, einer brandenburgischen Hommage an das Genre. Und natürlich im kanadischen Werwölfinnen-Schocker Ginger Snaps von 2000.

Nightbitch ist anders. Einerseits wird das Bild der Hündin fast beiläufig in den Alltag der Mutter am Rande ihres Nervenzusammenbruchs eingeschoben; die den Film belebenden Hunde sind realistische Alltagstiere, ein wenig wie im ungarischen White God von Kornél Mundruczó.
Andererseits inszenieren Heller und Adams ihre «Bitch» nicht als gefährliches Monster (auch wenn die Hauskatze den Film nicht überlebt), sondern schon eher das «bitching» als befreiende Kraft.
Denn auf der Hauptebene erleben wir eine junge Mutter mit all ihren Ängsten, Überforderungen, Verzweiflungen und mitten im grossen, viel diskutierten Tabu des «regretting motherhood».
Da ist der Film sehr realistisch und vielfältig. In kurzen Montagen wird die endlose Repetition des Alltages persifliert und in langen Monologen der Protagonistin ihre gebildete und informierte Reflexion ihrer Situtation — auch wenn diese Monologe sich immer wieder einmal als innere Wunschreaktion der Figur herausstellen.
Das erzeugt, zusammen mit dem Spiel um die körperliche Verwandlung und die nächtlichen Ausflüge der Frau, die auch nie ganz eindeutig der filmischen Realität zugeordnet werden, eine durchaus vergnügliche Ambivalenz.

Im Prinzip spielt der Film ausgesprochen realistisch den Alltag von Millionen von Müttern durch, mit nur sanft überzeichneten Szenen in der Kinder-Mütter-Spielgruppe, der Yoga-with-Toddlers-Stunde oder dem einen, raren Treffen der Frau mit ihren Künstlerfreundinnen und -Freunden, das den Kontrast zwischen den einstigen Ambitionen und dem real isolierten Alltag verstärkt.
Dazu kommt die Vergleichsebene mit den Erinnerungen der Protagonistin an die Situation ihrer eigenen Mutter und die literarisch-historische Reflexion der Mutterschaft, die wohl dem Roman besser angestanden hat, als nun dem Film.
Denn leider rutscht der Film damit ein wenig durch alle Maschen. Die Genre-Erwartungen, die er durchaus weckt und mit denen er auch spielt, die will Marielle Heller offensichtlich nicht konsequent einlösen. Und der grosse Handlungsbogen, bei dem die Protagonistin am Ende als Künstlerin gestärkt und triumphierend hervorgeht, der erinnert dann mit dem vorgelegten Tempo wieder an die bewährten Konventionen der Selbstfindungsfilme für Frauen, an die sich wahrscheinlich niemand vom sehr weiblich dominierten Produktions- und Herstellungsteam (neben Regisseurin, Autorin und Hauptdarstellerin sind acht weitere Frauen als Produzentinnen gelistet) wirklich anlehnen wollte.
Nightbitch ist ab 24. Januar 2025 in der Schweiz
und in Liechtenstein auf Disney+ zu streamen.