
Kinky Sex steht allen zu, so lange alle Beteiligten damit einverstanden sind. Und das müsste eigentlich auch für kinky Kino gelten. Das ist aber nicht so, nicht zuletzt darum, weil Exploitation Cinema vom Voyeurismus lebt und seine kinky Kicks darauf beruhen, heimlichen Voyeurismus zu bedienen.
Und doch ist es wohltuend, die übersteigerte Begeisterung (und Ablehnung) zu erleben, die sich vor allem in den USA über Nicole Kidmans Frauenermächtigungsausflug in den selbstbestimmten Masochismus einer sexuellen Beziehung mit doppeltem Machtgefälle ergeben hat.
Kidman spielt die bilderbuchperfekte, frauenfördernde CEO einer Robotik-Firma. Zugleich ist diese Romy die fürsorgliche Mutter zweier Teenager-Töchter und liebende Gattin eines von Antonio Banderas gespielten Theaterregisseurs.
Dieser Jacob ist ein lieber Kerl, vorsichtig, zärtlich und sehr, sehr anständig. So anständig, dass er es nicht über sich bringt, seine Frau im Bett zu penetrieren, während sie sich ein Kissen vors Gesicht hält: «Ich käme mir vor wie ein Bösewicht!»
Für Romy ist das frustrierend, denn die taffe Managerin sehnt sich nach ein wenig entspannender Dominanz. Darum schleicht sie nach dem üblichen Kuschelsex mit ihrem Mann auch ins Nebenzimmer, um sich dort zu BDSM-Videos vom Laptop auf dem Teppichboden Selbsterfüllung zu gewähren.

Die Morgendämmerung der Beherrschungsumkehr präsentiert sich dann auf Romys Arbeitsweg, als sie Zeugin wird, wie der junge Samuel (Harris Dickinson) einen angriffigen Kampfhund mit einer Geste und einem Zuruf (und einem Guetzli) dazu bringt, von einem Passanten abzulassen und zu kuschen.
Kurze Zeit später trifft Romy wieder auf Samuel. Er ist einer der neuen «Interns», der Praktikanten in der Firma. Und er hat den Instinkt, Romys heimliche Lust sofort zu erspüren. Und zu bedienen. So subtil, dass Romy bald Kopf und Kragen, Job und Familie riskiert, um sich von Samuel dominieren zu lassen. Bei der Happy Hour, im Hotelzimmer und schliesslich auch im Büro.

Die holländische Schauspielerin und Regisseurin Halina Reijn bezieht sich explizit auf die erotisch aufgeladenen US-Thriller der 1980er Jahre, etwa Adrian Lynes 9 1/2 Weeks mit Kim Basinger, die sich von Mickey Rourke herumkommandieren lässt. Oder Fatal Attraction vom gleichen Regisseur, in dem Glenn Close als irre Verführerin des armen Familienvaters Michael Douglas mit dem Tod bestraft wird. Oder auch Basic Instinct von Reijns Landsmann Paul Verhoeven, in dem der gleich Michael Douglas von gleich zwei verführerisch gefährlichen Frauen in die Enge getrieben wird, von Sharon Stone als potentiell tödlicher Autorin, und von der Psychologin Dr. Beth Garner (Jeanne Tripplehorn), die das ihrerseits wieder mit dem Tod bezahlen muss.

Sie habe diese Filme geliebt, weil sie etwas in ihr angesprochen hätten, sagt Halina Reijn. Zugleich habe sie aber die zur Schau gestellte Misogynie gestört, die Filme seien immer «guilty pleasures» geblieben.
Mit Babygirl bemüht sich Reijn, die Schuld aus dem guilty pleasure zu entfernen. Und es gelingt ihr beinahe.
Auf der programmatischen Ebene funktioniert es, weil Nicole Kidman eine reflektierte und selbstbestimmte Frau spielt, die sich jederzeit bewusst ist, worauf sie sich einlässt.
Wenn Samuel ihr vor der ganzen Feierabendbelegschaft in der Bar ein Glas Milch bestellt und sie es gehorsam-trotzig austrinkt, dann ist das auch Teil eines Psychoduells zwischen den beiden. Wenn er sie in ein Hotelzimmer bestellt und dort in die Ecke stehen lässt (ein Binnen-Meta-Kinowitz mit Bezug auf Dirty Dancing: «Nobody puts Baby in a corner!») oder sie auf die Knie zwingt, bringt er stets auch das ganze zeitgenössische Argumentarium zur Sprache, die Rede vom Konsens.
Samuel (und das Drehbuch, und schliesslich Romy selbst) unterstellt ihr auch, dass es eigentlich weniger die Submission sei, die sie antörne, als die Gefahr, Job und Status zu verlieren.
Damit sind Argumentation und Mechanik dieses Films selbstbewusst zeitgemäss, was Rejin mit einem weiteren Metawitz auch gleich kommentiert, wenn Antonio Banderas als etwas überforderter Ehemann behauptet, weiblicher Masochismus gebe es doch gar nicht, das sei eine Männerprojektion, nur um sich von Samuel, dem anderen Mann dann mansplainen zu lassen, das sei wiederum eine nicht mehr zeitgemässe Einschätzung.

Woran Rejin und Kidman (oder das auf US-Auswertung ausgelegte Film-Konzept) dann doch ein wenig scheitern beim Entfernen des «Guilty» aus dem «Pleasure» liegt in einer Art Overachievement: Der Film und vor allem die entscheidenden (Sex-) Szenen zwischen Harrison und Kidman (ich verkneife mir hier einen billigen Kalauer mit den männlichen Komponenten ihrer Nachnamen) sind sehr züchtig, um nicht zu sagen brav inszeniert. Wogegen nichts einzuwenden wäre, würde der Film nicht trotz allem mit herkömmlichem Skandalisierungspotential locken.
Rejin entfernt damit aus den sexistischen Vorbildern nicht nur die Schuld, sondern auch das voyeuristische Vergnügen.
Was man durchaus als weiteren Meta-Witz des Films verstehen kann.
Ab 30. Januar 2025 im Kino