THE BRUTALIST von Brady Corbet

Adrien Brody, Guy Pearce © Universal

Für einen Film mit einem komplett erfundenen Protagonisten fühlt sich The Brutalist oft schmerzlich dokumentarisch an. Das hat einen monumental grossartigen Zug.

Adrien Brody spielt den ungarischen Juden László Tóth. Der einstige Bauhaus-Student und modernistische Stararchitekt aus Budapest hat das KZ Buchenwald überlebt. Als der Film einsetzt, 1947, kommt er mit dem Schiff in New York an, einer von Tausenden, die versuchen, den Horror der Verfolgung und Entwurzelung hinter sich zu lassen. In einem Land, das nicht auf sie gewartet hat, den Neuankömmlinge Misstrauen und offene Ablehnung entgegen bringt.

Der Film findet dafür ein bezeichnend einfaches Bild, wie für vieles, das in den massiven dreieinhalb Stunden Laufzeit von Brady Corbet auf die Leinwand geworfen wird: Lady Liberty, die Freiheitsstatue, steht auf dem Kopf, sie kommt mit ihrer Fackel verkehrt herum vom oberen Bildrand herab, so, wie sie László, rücklings über die Reling gelehnt, zuerst sieht.

Was folgt, ist die exemplarische Geschichte eines versuchten Neuanfangs im Land der unbegrenzten Möglichkeiten – und der ungebremsten Brutalität.

Alessandro Nivola, Adrien Brody © Universal

László Tóth kommt zunächst bei seinem Cousin Attila (Allesandro Nivola) als Möbeldesigner und Innenarchitekt unter, wird von dessen katholischer Frau gemobbt und vom Kapitalisten, dem er eine modernistische Bibliothek in seinen klassizistischen Palast einbaut, erst einmal zum Teufel gejagt.

Bis dieser von Guy Pearce gespielte Harrison Lee Van Buren Sr. über ein paar Zeitschriftenartikel eher zufällig merkt, dass ihm da ein einst gefeierter Avantgarde-Designer ein Juwel ins Haus gebaut hat, das dem bildungs- und anerkennungshungrigen Neureichen Prestige verschafft. Also holt er sich den Mann auf sein Anwesen, sorgt dafür, dass László Tóth seine Frau und seine Nichte in die USA holen kann, lässt ihn auf einem Hügel ein multifunktionales Begegnungszentrum planen und schlachtet das alles für seine gesellschaftliche Reputation aus.

Adrien Brody © Universal

Dabei geht Brady Corbet zugleich brutal offen und feinsinnig andeutungsreich mit dem Kinopublikum um. Wir können gar nicht anders, als Parallelen ziehen zwischen diesem Lee Van Buren und dem Baulöwen Trump aus New York und dessen Kampf um gesellschaftliches Ansehen, gemischt mit der Bösartigkeit des Pariahs, der sich für alles rächt, was im eigenen Leben hart gewesen sein mag.

Dass der Kapitalist seinen Architekten nicht nur wirtschaftlich und sozial, sondern schliesslich auch ganz physisch vergewaltigt, gehört zu den Brutalitäten dieses Films, welche den subtileren Elementen zusätzliche Wucht verleihen.

Adrien Brody © Universal

Das us-amerikanische Kino hat eine lange Tradition von Einwandererfilmen. Alle müssen sie mit dem Paradox klarkommen, dass das angebliche Land der Freiheit auch das Land des ewigen Kampfes darum geblieben ist. Ob das Scorseses Gangs of New York sind, oder Feivel, der Mauswanderer, die existentialistische Härte und die tribalistischen Verteidigungsstrategien dagegen scheinen immer auf.

Brady Corbets Film ist randvoll mit bemerkenswerten Szenen und mit solchen, die einem bleiben. Darunter zwei Sexszenen der Eheleute Erzsébet (Felicity Jones) und László Tóth, deren diskrete Inszenierung sowohl der Schmerzlichkeit wie auch der verzweifelten Zärtlichkeit alles übertreffen, was ich je im Kino gesehen habe.

Adrien Brody, Felicity Jones © Universal

Und dann ist da noch dieser Epilog am Ende des Films, der zeigt, wie der nun im Rollstuhl sitzende László Tóth an der ersten Architektur-Biennale 1980 in Venedig geehrt wird. Da kommt dieses Oszillieren des Films noch einmal zur vollen Blüte. Das wirkt alles dermassen dokumentarisch, dass man nur zu gerne vergisst, dass dieser Architekt eine Erfindung ist, ein Konglomerat.

Zsófia, die Nichte von Tóth, nun als ältere Frau gespielt von Ariane Labed, erklärt die Herkunft der Dimensionen und den Grundriss des Gemeindezentrums, das Tóth für Lee Van Buren schliesslich entworfen hatte. Der ganze Entwurf referiert die Vernichtungslager von Buchenwald und von Dachau, welche Erzsébet und László Tóth überlebt haben.

Damit schafft das Drehbuch von Brady Corbett und Mona Fastvold eine ganze Reihe von Verankerungen in der historischen Realität, über die komplette Fiktionalisierung komplexer Ideen.

Die ewige Faszination des Kinos mit der Figur des Architekten, von The Fountainhead bis zu Peter Greenaways The Belly of an Architect, hat mir bisher mehr theoretisch eingeleuchtet als emotional. Und ähnlich ging es mir mit der brutalistischen Architektur. Auch wenn mir schon klar war, dass mit dem Ausdruck eher die Reinheit der Materialien, vor allem der Sichtbeton, gemeint war: Gefühlsmässig erwarte ich von Architektur zunächst eher Einladung, Wärme, Schutz, allenfalls Eindruck, Repräsentation oder gar Überwältigung, etwa bei einer Kathedrale.

Eher nicht Schmerz und Leiden und Kampf. Und doch sind es genau diese Elemente, welche das Drama zum Drama machen, das Kino zum Ort der Emotionalisierung. Warum also soll das Drama nicht auch mit den Mitteln der Architektur erzeugt werden?

The Brutalist ist ein ziemlich vielseitiges filmisches Erlebnis mit einem schmerzlichen Durchblick, vielen erzwungenen Perspektiven.

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