
«I still hate Opera – Ich hasse Oper noch immer. Und ich liebe Dich noch immer», erklärt Aristoteles Onassis (Haluk Bilginer), als Maria Callas (Angelina Jolie) ihn 1975 an seinem Sterbebett in in Neuilly-sur-Seine besucht. Beide lächeln dazu, wie es das Drehbuch verlangt. Denn sie kennen auch den entscheidenden Satz von Maria dazu: «My life is opera. There is no reason in opera» – Mein Leben ist Oper. Es gibt keine Vernunft in der Oper.
Ich hasse Oper keineswegs. Ich verstehe sehr wenig davon, und ich interessiere mich vor allem für all die Interferenzen zwischen Oper und Kino. Unter anderem, weil ich musiktheoretisch ein Analphabet bin.
Aber ich vermute, das sind die besten Voraussetzungen, um Pablo Larraíns dritten Film in seiner Serie über gequälte Frauen im öffentlichen Blick mit der gegebenen Wertschätzung zu sehen.
Wer sich an biografischen Details in Spencer mit Kristen Stewart als Lady Diana gestört hat, oder im hochstilisierten Jackie mit Natalie Portman in der Rolle von JFKs Witwe, der späteren Jacqueline Kennedy Onassis, die historisch-soziale Akkuratesse vermisste, wird auch diese Maria mit mehr Vorbehalten als Freude sehen.

Dabei gilt für diesen Film mehr noch als für die anderen beiden: Was Larraín hier zum Flirren bringt, sind die Interferenzen zwischen dem Leben, der Biografie einer Frau und ihrer öffentlichen Wahrnehmung, beziehungsweise Konstruktion.
Larraín hat die letzten Monate im Leben der Callas als Leinwand gewählt. Der Film beginnt mit ihrem Tod mit 53 Jahren (durch Herzversagen), am 16. September 1977.
Leblos am Boden ihres Salons finden sie ihr Butler Ferruccio (Pierfrancesco Favino) und die Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher). Die beiden sind in ihrem riesigen Appartement in Paris ihre Familie, ihre Betreuer, ihre Freunde, ihre ergebenen Sklaven.
Die zwei Stunden des Films bestehen aus raffiniert zusammengefügten Rückblenden, Reminiszenzen, Visionen und Begegnungen aus dem Leben der Callas.

Ob sie nach Einnahme ihrer Pillen einen TV-Reporter namens Mandrax halluziniert, mit dem sie durch Paris streift und ihm Antworten gibt auf all die Fragen, welche die von ihr imaginierte oder tatsächliche Öffentlichkeit interessieren könnten, oder ob sie in dem einen Café «in dem die Kellner mich kennen» die Tagesration Bewunderung abholt, die sie gerade braucht: Maria Callas imaginiert sich im Blick der anderen.
Dieser Film ist, mehr noch als Spencer und Jackie, eine elaborierte Collage aus Introspektion und Aussenperspektive, mit fein abgestuften Intimitätsebenen.
Dass die clever gedrechselten Sätze der Dia- und vor allem Monologe samt und sonders isoliert auf Filmplakaten stehen könnten, trägt dazu bei, dass man das Gefühl der totalen Inszenierung nie abstreifen kann und will.
Das kann durchaus ermüdend wirken auf Dauer, dann helfen Humor oder eine Prise Grausamkeit.
Etwa wenn Maria Butler Ferruccio auffordert, etwas vorsichtiger mit seinem kaputten Rücken umzugehen und ihr das ewige Umstellen des Flügels auch einmal zu verweigern, und er antwortet: «Ich bin vorsichtig, Madame. Darum traue ich mich nicht, nein zu sagen.»
Oder wenn Maria Callas ihrer sichtlich überforderten Haushälterin in der Küche ihre jüngste fruchtlose Bemühung um Stimmformung vorträgt, während diese in der Pfanne lautstark das Abendessen brät.

Und nicht zuletzt spielt Larraín auch bei diesem Film zusätzlich raffiniert mit dem öffentlichen Image seiner Hauptdarstellerin, wie bei Spencer mit Kristen Stewarts und bei Jackie mit der von Natalie Portman. Angelina Jolie ist tatsächlich eindrücklich, sie spielt als Maria Callas um ihr Leben, um ihr Comeback in Hollywood wie die Figur um ihr illusorisches Comeback auf der Opern- und Gesellschaftsbühne.
Drei Jahre lang hat Jolie keinen Film mehr gedreht, eine Ewigkeit in der schnelllebigen Marktwertlogik des Starsystems. Über acht Jahre dauerte ihre Scheidung von Brad Pitt und in dieser Zeit ist sie nie aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Jetzt ist sie zurück, mit einer Rolle, die ihr nach allen Regeln Hollywoods einen Oscar hätte einbringen müssen. Nun ist sie nicht einmal nominiert.
Das ist bitter für Jolie und auch bitter für die kommerziellen Aussichten des Films. Aber perfekt im Gefüge der Inszenierung dieser Maria.
Maria läuft ab 6. Februar 2025 im Kino