
Mickey ist viele. Oder vielmehr: Mickey war viele. Nun ist er ein Multiple, bzw. doppelt, weil Mickey 17 seine letzte Mission auf dem fremden Planeten ungeplant überlebt hat, und sein Klon Mickey 18 im Raumschiff schon ausgedruckt wurde.
Es gab ja schon etliche Filme, welche das Doppelgänger-Gruselmotiv der Romantik in eine SciFi-Klon-Dystopie überführt haben. Der einfachste und zugleich raffinierteste davon war Moon von Duncan Jones aus dem Jahr 2009. Da begegnete der von Sam Rockwell gespielte Astronaut am Ende seiner einsamen Dienstzeit auf der dunklen Seite des Mondes sich selbst als Ablösung.

Für den liebenswerten Schussel Mickey Barnes (Robert Pattinson) ist die Begegnung mit sich selbst allerdings eher ein praktisches Problem. Erstens sind Multiples im Raumschiff verboten (daheim auf der Erde ist die ganze Klondruckerei verboten), und zweitens steigt Mickey 18 gleich mit Mickeys Freundin Nasha (Naomi Ackie) ins Bett.
Für das serielle Sterben und wieder ausgedruckt werden dagegen hat sich der Original-Mickey vertraglich verpflichtet, das ist sein Job.

Für Fans von Robert Pattinson ist das jüngste Werk von Bong Joon-Ho ein idealer Film. Für eine Überdosis, zum Abgewöhnen oder einfach zum Jubeln: Freie Entscheidung. Und leider gilt das auch für den ganzen Film des sonst so präzisen koreanischen Regisseurs.
Nach dem globalen Erfolg von Parasite hat sich Bong offenbar nicht entscheiden können, worum es in seinem nächsten Film gehen sollte. Oder aber Bong Joon-ho ist von der aktuellen Weltlage genau so überfordert wie wir alle, und darum hat er eine ganze Reihe von möglichen Filmen in einen einzigen gepackt.

Mickey 17 ist eine dystopische Gesellschaftsparabel, wie schon Snowpiercer. Aber der Film ist auch eine Satire auf den Maga-Wahnsinn und den Trumpismus, eine Parodie auf die Dune-Romane und -Filme, eine Hommage an Paul Verhoevens Starship Troopers, eine grosse Muppet-Show mit intelligenten Blattläusen und eine Art Performance-Zirkus für schauspielerische Talente.
Gerade diese Bühne nutzt Robert Pattinson beeindruckend. Wie er gegen sich selbst anspielt und dann mit sich selbst kooperiert, das ist sehenswert. Das gleiche gilt für Naomi Ackie, deren Figur, Mickeys Freundin Nasha, zu den interessantesten Kreationen in diesem uferlosen Drehbuch gehört.

Nasha ist loyal, sexpositiv, schlagfertig und kampftüchtig, fröhlich und absolut integer – eine fast schon programmatisch idealisierte Frauenfigur, wie es sie zuletzt in den wilden anarcho-feministischen Screwball-Comedies der 1930er- und 40er-Jahre zu erleben gab.
Um das zu kontrastieren darf die in Frankreich mit Audrey Diwans l’événement bekannt gewordene Anamaria Vartolomei als Raumschiff-Sicherheits-Agentin Kai Katz vor allem schön sein, und auch wenn ihre Figur von der Konkurrentin zur Mitstreiterin wird, schauspielerisch gibt das wenig her. Da konnte sich Vartolomei in Bruno Dumonts Alien-Invasion-Fantasy unter vergleichbar kämpferischen Umständen L’empire ungleich schöner austoben.

Richtig anstrengend sind dagegen Mark Ruffalo als trumpiger Möchtegern-Diktator Kenneth Marshall und Toni Collette in der Rolle seiner Frau Ylfa. Das bis zum Brechreiz übersteigerte Over-Acting der beiden ist wohl auch darum so ermüdend, weil ihre Originale in den USA an absurder Widerwärtigkeit gar nicht mehr zu überbieten sind.

Was bleibt von Mickey 17 ? Eine sehr unterhaltsame erste Stunde Exposition, in der alle Feuerwerkslunten gleichzeitig abgebrannt werden. Eine Unmenge von gesichtslosen, aber ausdrucksstarken grossen und kleinen Blattlaus-Monstern, schlitzohrig und rührend. Viele einzelne Szenen, die als Binnen-Episoden geschlossen und kompakt wirken.
Und dann, angesichts der endlos ausufernden Erklär- und Dialogstrecken, die nostalgische Sehnsucht nach der gnadenlos grenzwertigen, ungebremst unterhaltsamen Kippsatire von Paul Verhoevens Starship Troopers von 1997.
Ab 6. März 2025 im Kino
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