UN OURS DANS LE JURA von Franck Dubosc

Franck Dubosc, Benoît Poelvoorde, Joséphine de Meaux © JMH

«Drei Leichen sind da drin. Einer hat Schnittwunden im Gesicht, die anderen sind mit Honig überzogen. Einer wurde aufgespiesst. Sein Bauch durchbohrt. Abdomen geplatzt!»

Das Gesicht des belgischen Schauspielers Benoît Poelvoorde signalisiert professionelle Begeisterung, die Sätze tropfen ihm von den Lippen wie… Honig.

Poelvoorde ist Major Roland Bodin, der Polizeichef dieser kleinen Stadt im französischen Jura.

Eigentlich hat er andere Sorgen, zwei Tage vor dem Weihnachtsfest. Aber seit eine Gruppe verängstigter Tamilen seine kleine Polizeistation belegt und das Gerücht von einem Bären im Wald durch das Verschwinden des Pudels von Madame Chocart angeheizt wurde, fehlt ihm die Zeit, sich um Lammbraten und Weihnachtsbaum zu kümmern.

Franck Dubosc, Laure Calamy © JMH

Den Weihnachtsbaum holt er dann doch noch, auf dem Waldhof von Cathy (Laure Calamy) und Michel (Regisseur Franck Dubosc), die er dabei in Verlegenheit bringt. Denn die liebenswerten Eheleute haben kurzfristig einiges zu verbergen. Etwa zwei Leichen auf dem Pickup-Truck. Oder eine Tasche voller Geld im Wohnzimmer und ein Einschussloch in der Wand.

Und an allem ist der Bär schuld.

Honigkadaver, Laure Calamy, Franck Dubosc © JMH

Der französische Komiker und Filmemacher Franck Dubosc verweist auf seine Liebe zu den Filmen der Coen-Brüder, im Hinblick auf das absurd-mörderische Setting seine Jura-Winter-Thriller-Groteske. Insbesondere natürlich auf Fargo.

Einen Westernkrimi im winterlichen Jura hat er gedreht, mit einem cleveren Plot, vielen Überraschungen und mit einer eingeschworenen Bande ausgewiesener Kino-Komödiantinnen. Dubosc, der ein wenig an Alain Delon erinnert, gibt den überforderten Kleinbürger, Laure Calamy, die wir hierzulande als Antoinette dans les Cévennes auf Eselwanderung noch in bester Erinnerung haben, seine reaktionsschnelle, gewitzte Frau.

Auf dem Plakat wird Un ours dans le Jura gegen die grassierende true-crime-Manie des us-amerikanischen Kino als «d’après une histoire fausse» angekündigt und Dubosc macht denn auch schon mit der Eingangssequenz der Tradition der französischen Actionkomödien, etwa eines Philippe de Broca, alle Ehre. Denn da geht es im Wald gleich blutig zur Sache, dermassen übersteigert allerdings, dass man sich sofort wohlzufühlen beginnt.

Laure Calamy, Franck Dubosc, Joséphine de Meaux, Benoît Poelvoorde © JMH

Der Film folgt mehr als nur einem gängigen Schema, achtet aber – als Netflix-Koproduktion – auch sehr darauf, keine allzu intellektuellen Schleifen zu drehen. Insofern ist das einfach ein vergnüglich-schwarzhumoriges Stück Kino, das einem im besten Sinne des Wortes einen äusserst befriedigenden Bären aufbindet.

Die Mischung aus durchaus Tatort-würdiger Kriminalhandlung, komödiantischer Groteske und stimmungsmässiger Landschaftsnutzung erinnert an diverse Vorbilder. Erinnerungen tauchen auf an die Filme von Dominik Moll, oder den ähnlich angelegten Le daim von Quentin Dupieux, aber im deutschen Sprachraum beherrschen wohl vor allem die Eberhofer-Krimis die Verquickung von Lokalkolorit und parodistisch-lakonischer Kinoqualität.

Dass Un ours dans le Jura auch Teil war der wunderbaren Jura-Filmreihe der diesjährigen Solothurner Filmtage, zeigt allerdings auch, dass diese Landschafts- und Gesellschaftstradition im französischsprachigen Kino gar nicht so rar ist, wie man auf den ersten Blick glauben könnte. Der Wilde Westen der Schweiz mag Frankreichs wilder Osten sein. Aber die Stimmung gibt eindeutig etwas her im Kino.

Ein kleiner Tipp für cineastische Vollbefriedigung: Am Ende des Films im Kino unbedingt auch den Abspann schauen. Franck Dubosc kennt die elementaren Regeln des Genrekinos.

Kinostart Deutschschweiz: 24. April 2025

Und etliche der Filme der Jura-Reihe sind derzeit
auch noch im Zürcher Filmpodium
 zu sehen.


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