
David ärgert sich. Der Tiktok-Kanal seiner Ego-Marke «Dr. Raw» ist gelöscht worden, tausende von Followern sind verloren. «Weichen wir eben auf die Ersatzkanäle aus», meint er zu der Frau am Computer. David ist ein (Selbst-)Verkäufer unter Dauerstrom. Er betreibt in Frankfurt die «Rohkosteria», jedenfalls zum Zeitpunkt, an dem dieser Dokumentarfilm einsetzt.
Die Filmemacher, die sind David durchaus willkommen; wie fast alles in seiner Umgebung integriert er ihr Projekt sogleich in seinen Videostrom, über den der selbsternannte Rohkost-Guru eine breite Palette an Produkten und Kuren vertreibt, von harmlosen Cashew-Nüssen bis zu Geistheiler-Verbindungen.
David ist ein Heilsbringer, der Verein, über den er das Rohkostrestaurant betreibt, heisst Lebensglück e.V., und die «Rohkosteria» liegt deklariertermassen rechtlich nicht in Deutschland, sondern im «Königreich Deutschland» KRD von Peter «Peter I.» Fitzek. David ist ein bekennender Reichsbürger.

Das Reichsbürgertum mit der juristischen Unterstützung von Fitzek und Konsorten erlaubt David das faktisch steuer- und regulierungsfreie Betreiben seiner Unternehmungen in einer Art temporärem rechtlichen Vakuum. Und nicht nur das: Die Anhänger des KRD sind zu einem guten Teil Jüngerinnen und Jünger, sie stellen ihre Arbeitskraft zur Verfügung und werden dafür mit allem Lebensnotwendigen versorgt. Und allenfalls ein wenig Taschengeld.
Büttner und Vogel treten als Filmemacher nicht in Erscheinung, auch wenn die Anwesenheit des Drehteams immer offensichtlich ist in den einzelnen Sequenzen. Manchmal verbal, manchmal indirekt, in einer Sequenz auch, indem einer von Davids Mitarbeitern demonstrativ die Tür schliesst, bevor die Kamera ihm in einen Raum folgen kann.
Das ist eine eigenwillige Ausgangslage für einen Dokumentarfilm, die Filmleute sind einerseit «embedded», andererseits aber auch undercover, weil sich immer deutlicher abzeichnet, was für ein abstruser, ideologieverbrämt turboschwurbelnder Geschäftemacher dieser David Ekwe Ebobisse tatsächlich ist.
Zunächst erscheint Soldaten des Lichts für kurze Zeit wie ein weiterer Warnfilm gegen das grassierende Influencertum. Dann tauchen die Reichsbürger auf und die Sache wird komplexer.

Und dann ist da noch Timo. Ein schlaksiger junger Mann mit grossen, ausgebrannten Augen, die stets ins Leere starren. Timo arbeitet für David. Er baut Lagerräume um, wäscht Geschirr, rüstet Gemüse, macht Smoothies für David, serviert in der Rohkosteria.
Im Gegenzug heilt ihn David mit Fastenkuren, computergestützten Messvergleichen und väterlich strengem Kurdoktorgehabe von der «Dunkelheit» und der «dritten Stimme». Timo ist offensichtlich schwer depressiv, wenn nicht gar psychotisch.
Für David ist er in erster Linie eine billige Arbeitskraft, auch wenn er Timo vorrechnet, dass all die Hilfe und die Produkte, die er für ihn aufwende, eigentlich mehr kosten würden, als die acht bis zehn Stunden Arbeit, welche Timo pro Tag zu leisten hat. Ganz zu schweigen von Unterkunft und Ernährung.

Mit Timo zieht das Gruseln ein in den Film, die Faszination von Reichsbürgergeschwafel und dem elektrisierenden Verkaufsmäandern von David macht zunehmend dem Horror Platz, dass wir miterleben, wie ein Mensch gleichzeitig ausgenutzt und im Stich gelassen wird.
Im letzten Teil setzen die Filmemacher denn auch auf einen klaren Perspektivenwechsel. Wir sitzen mit Timo und seinen Eltern am Gartentisch, er hat die Gemeinschaft um David verlassen, weil er gemerkt hat, dass er eine dritte Fastenkur nicht durchhalten würde. Aber er kommt auch nicht mehr raus aus dem esoterischen Strudel, in den der einst sportliche und zielgerichtete junge Mann während der Covid-Pandemie versunken war. Die Mutter bemüht sich um ihren Sohn, aber der zieht weiter, mit Leidensgenossin Nadine, die er bei David kennengelernt hat.
Nun hat die Publikumsperspektive auf David endgültig gedreht, die Filmemacher liefern noch letzte Bestätigungen nach. Rechtliche Probleme haben David schliesslich zur Aufgabe der Rohkosteria gezwungen, in seiner Wohnung zieht er sogleich ein neues Unternehmen auf, und weil die Rohkostprodukte und die Geistheilerverbindungen nicht mehr genügend abwerfen, tut er sich mit einem Crypto-Bro zusammen und vertickert dessen Tipps zusammen mit ihm auf seinen etablierten Kanälen.
Soldaten des Lichts (der Filmtitel geht auf ein Label von David für seine Anhänger zurück) ist ein geschickt aufgebauter Investigativfilm. Das Publikumsinteresse wird dauernd aufrechterhalten über direkte Einsichten in unglaubliche Gedankengänge und Manipulationsmechanismen. Zugleich verschiebt der Film immer wieder den Fokus, bewegt sich immer näher an den Abgrund der totalen egoistischen Niedertracht, ohne Konfrontation, aber auch ohne Täuschung.
David Ekwe Ebobisse erhält so viel Raum für seine Selbstdarstellung, dass er sich im Verlaufe der Geschehnisse selbst entlarvt. Es gibt sogar Momente, in denen die Chance bestünde, etwas mehr Einsicht in sein Inneres zu gewähren, besonders dort, wo er kurz und bündig seine eigenen rassistisch motivierten Ausgrenzungserfahrungen anspricht. Aber alles mündet in eine wolkige Ideologie, welche die persönliche Unabhängigkeit von allem und jedem zu jedem Preis über alles stellt.
Damit macht diesen David zur perfekten Symbolfigur für die Verwerfungen unserer Gegenwart und den Film von Büttner und Vogel zum eindringlichen Zeitdokument.
Noch einmal zu sehen an den VdR am Donnerstag, 10. April 2025
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