BLACK BAG von Steven Soderbergh

Michael Fassbender in ‚Black Bag‘ © Universal

Slow Horses, die hinreissende Serialisierung der Jackson-Lamb-Romane von Mick Herron hat das Ende der klassischen britischen Spionage-Thriller markiert, wie auch den Anfang der diesbezüglichen Nostalgie. Gary Oldman als furzender, saufender und stinkender Boss der strafversetzten MI5-Agentinnen und Agenten im «Slough House», dem Schmuddelkinder-Ableger der institutionellen britischen Drahtzieher, ist der personifizierte Tief- und Höhepunkt einer stolzen Kino-Tradition.

Die brutale Eleganz von James Bond, oder die realistische Raffinesse von John Le Carrés Smiley und Co. haben eine filmische Tradition begründet, deren Spuren heute allgegenwärtig sind, und entsprechend leicht zu parodieren. Selbst die jeweiligen zeitgenössischen Parodien, von Casino Royale über die französischen OSS 117-Filme bis zu den Sargnagel-Variationen von Rowan Atkinsons Johnny-English-Komödien fanden unlängst ein Nachglühen in nostalgischen Neuauflagen.

Wenn sich nun allerdings Steven Soderbergh hinter die Materie macht, der Mann, der seinen vor zwölf Jahren verkündeten Abschied vom Kino seither mit mehr als fünfzehn weiteren Filmen zur verkapptesten Leinwand-Liebeserklärung aller Zeiten gemacht hat, dann darf man schon eine Art Quintessenz erwarten.

Und die liefert Black Bag.

Zur Umsetzung eines Genre-Kompendium-Drehbuchs von David Koepp hat Soderbergh ein Ensemble zum Niederknien versammelt. Michael Fassbender (der hier mühelos demonstriert, dass er als James Bond eine Selbstverständlichkeit wäre), Cate Blanchett (der ich auch zuhören würde, wenn sie die Nutzungsbedingungen von Microsoft vorlesen würde), Gustaf Skarsgård, Tom Burke, Marisa Abela, Regé-Jean Page, Moneypenny Naomie Harris und schliesslich gar noch Ex-Bond Pierce Brosnan.

Michael Fassbender und Cate Blanchett in ‚Black Bag‘ © Universal

Der Clou von Black Bag ist die konsequente Übernahme der Prämisse von Slow Horses, die darin besteht, dass die Mutterorganisation als eiskalter Machtapparat nur über Loyalitäten und Familienbildung zu navigieren ist. So kontrollieren und manipulieren sie sich denn alle gegenseitig, diese Agentinnen und Agenten, die ausserhalb der Organisation gar keine Bindungen mehr zu haben scheinen und innerhalb auch nur so etwas wie temporäre Rudelhierarchien.

Soderbergh inszeniert mit Gusto die Familiendynamik, etwa wenn das Ehepaar Woodhouse (Fassbender/Blanchett) die zwei anderen Paare zum Nachtessen mit Psychorollenspielen einlädt, oder wenn die Abhängigkeiten und Loyalitäten sich innerhalb des Gefüges von Sequenz zu Sequenz verschieben.

(v.l.) Regé-Jean Page, Naomie Harris, Michael Fassbender, Cate Blanchett, Tom Burke, Marisa Abela © Universal

Der McGuffin, um den sich die Geschichte dreht, ist ein gefährlicher Trojaner mit dem Namen «Severus». Dass diese Bezeichnung seit den Harry-Potter-Romanen mit dem Hogwarts-Doppelagenten Severus Snape assoziiert ist, spricht Bände — nicht zuletzt hinsichtlich des unendlichen Spasses, den sich Drehbuchautor Koepp und Regisseur Soderbergh mit der Britishness des Spionage-Genres erlauben. Das geht bis in die letzten Details der Ausstattung, vom Landrover über Fishing-Gear, Ruderboot und Landhaus, bis zur Kleiderausstattung der Figuren.

Steven Soderbergh beim Dreh mit Michael Fassbender © Universal

Gleichzeitig schafft Soderbergh mit seinen Darstellerinnen glaubhafte Figuren mit einem minimalen, aber glaubwürdig gewichtigen Hintergrund. Man kann nicht umhin, sie von Fall zu Fall zu mögen und gerät darum dauernd in die Loyalitätsfalle hinsichtlich ihrer Vertrauenswürdigkeit.

Black Bag ist ein eleganter, hochprofessioneller und mit viel Metawitz durchsetzter Spionagekammerthriller. Soderbergh hätte diesen Film mit diesem Ensemble auch komplett auf einer sehr begrenzten Studiobühne drehen können. Dass sichtlich grosse Summen in die Ausstattung und in die (eigentlich überflüssige) Internationalisierung der Drehorte geflossen sind, dürfte zu gleichen Teilen dem Marketing, der Finanzierung und dem persönlichen Vergnügen der Beteiligten geschuldet sein.

Im Kino ab 15. Mai 2025


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