ONE BATTLE AFTER ANOTHER von Paul Thomas Anderson

Bob (Leonardo DiCaprio) © 2025 Warner Bros.

Nach sechzehn Jahren untertauchen weiss Bombenbauer Bob (Leonardo Di Caprio) das richtige Passwort nicht mehr. Also hängt er fluchend am Telefon wie ein Wutbürger in der Endlosschleife seiner Krankenkasse. Dabei hat ihn eben seine einstige Nemesis Col. Steven J. Lockjaw (ein irrwitziger Sean Penn) mit einer armeeähnlichen Polizeieinheit in seiner Waldhütte aufgespürt. Während Bobs sechzehnjährige Tochter Willa von einer einstigen Co-Revolutionärin in ein anderes Versteck gebracht wurde, das Bob verzweifelt zu lokalisieren versucht.

Der einstige Berufsrevolutionär in der Alltagsfalle, das ist nur einer von vielen überraschend witzigen Momenten von One Battle After Another. Eine andere Überraschung ist Andersons unerwartete Meisterschaft in der Actiondramaturgie. Nicht nur die revolutionären Überfälle im ersten Viertel des Films, oder die Kampfsequenzen beim Einfall von Lockjaws Truppen im verschlafenen Nest Baktan Cross sind perfekt getaktet, zum Ende des Films gibt es gar eine atemberaubende Autoverfolgungsjagd, die sich so physisch überzeugend anfühlt wie die Vor-CGI-Höhepunkte des Genres, etwa jene durch die Strassen von San Francisco in Bullit (1971) mit Steve McQueen.

Überraschend auch darum, weil Paul Thomas Anderson seit Magnolia von 1999 zwar fast durchgehend hervorragende Filme wie There Will Be Blood (2007) oder Phantom Thread (2017) gebaut hat, die aber eher durch ihre Gravitas in der Erinnerung blieben, ihren satirischen Einsprengseln zum Trotz.

One Battle After Another ist zuerst und vor allem wieder einmal einfach ein hervorragend gut gemachter Film. Zugleich aber ist das auch die wohl brennendste und denkbar eindringlichste Bestandesaufnahme der aktuellen us-amerikanischen Verhältnisse. Und dies obwohl, oder vielmehr gerade weil, P.T. Anderson sein Drehbuch lose auf Motiven von Thomas Pynchons satirischem Roman «Vineland» von 1990 aufbaut.

Bob (Leonardo DiCaprio) © 2025 Warner Bros.

«Vineland» spielt seinerseits im sprichwörtlichen Jahr 1984, dem Jahr, in dem Ronald Reagan als Präsident der USA wiedergewählt wurde. Und die Gegenüberstellung der pseudo-revolutionären Hippie-Kultur mit dem zunehmend militanten, rechtskonservativ weissen, christlichen Nationalismus ist hier tatsächlich eher als Steinbruch und Stimmungsgrabbelkiste für den Film von Anderson zu begreifen.

Andersons Film wurde fertiggestellt, bevor die gegenwärtige Amtszeit von Donald Trump begann. Aber die Darstellung von Abschiebelagern für Migrantinnen und Migranten, die halblegalen, militaristisch organisierten Polizeitruppen und der Terror, der von der selbstgefälligen, sich über jede konstitutionelle Rechtfertigung hinwegsetzende White-Supremacist-Vereinigung des Christmas Adventurer Clubs ausgeht, sind in ihrer satirischen Überhöhung einfach zur Kenntlichkeit entstellte Spiegelungen der aktuellen Verhältnisse.

Umso stärker fällt es ins Gewicht, dass Paul Thomas Anderson One Battle After Another zu einem enorm unterhaltsamen, perfekt getakteten Action- und Abenteuerfilm geformt hat, dessen massive Länge von 161 Minuten sich tatsächlich erheblich viel kürzer anfühlt.

Zudem steht mit Leonardo DiCaprios überforderter Vaterfigur und seiner sehr gegenwärtigen, von der Newcomerin Infinity Chase rührend direkt und realistisch gespielten Tochter Willa ein emotionales Zentrum zur Verfügung, das nicht nur den Film trägt, sondern auch für all die farbenfrohen Nebenfiguren perfekte Andockpunkte zur Verfügung stellt.

Perfidia Beverly Hills (Teyana Taylor) © 2025 Warner Bros.

Da ist etwa Willas Mutter, die schwarze Revolutionärin mit dem sprechenden Namen Perfidia Beverly Hills, welche mit ihrer kämpferischen und erotischen Power zum tragisch verbindenden Element wird zwischen den unversöhnlichen Lagern. Ihre explosive Lust auf Bombenbauer Bob ist auch das magnetische Movens für den irren Lockjaw.

Und Benicio del Toros herrlich schläfrig gespielter us-mexikanischer Untergrundkämpfer, Dojo-Betreiber und Organisator einer Art Underground Railwroad für gefährdete Migrantinnen und Migranten wird dabei neben der willensstarken Willa zu Hoffnungsträger auch für das Publikum.

Sensei Sergio St. Carlos (Benicio Del Toro) © 2025 Warner Bros.

Denn dem grossen Divide, dem bi-partisan Geschwafel, der Unversöhnlichkeit der aktuellen US-Gesellschaft kommt Paul Thomas Anderson mit der satirischen Überzeichnung beider Seiten bei. Die ewigen Revolutionäre mit ihrer romantischen Vorstellung eines bewaffneten Kampfes für die gerechte Sache sind genau so komisch (und tragisch), wie ihre selbstgerecht menschenverachtenden Gegner.

Col. Steven J. Lockjaw (Sean Penn) © 2025 Warner Bros.

Vor allem Sean Penn zeichnet seine Figur des übereifrig rassistischen Col. Steven J. Lockjaw in einer hervorragend unsubtilen, schaurig-traurigen, mörderischen Incel-Karikatur, die ihm durchaus seinen dritten Oscar bescheren könnte.

Geradezu als heimlicher Treppenwitz des Films erweist sich dabei der Umstand, dass die einzigen wirklich gut organisierten Figuren die Mexikaner sind, die Latinos um Benicio del Toros Sensei Sergio St. Carlos.

One Battle After Another ist tatsächlich einer der besten Filme zur aktuellen Gegenwart. Und das wird er wohl auch in Zukunft sein.

Im Kino ab 25. September 2025
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