Cannes 10: Empfang Filmfestival Locarno

Locarnos Olivier Père
Locarno-Chef Olivier Père (in weiss) beim Netzwerken ©sennhauser

Das die Festivals an anderen Festivals kleiner oder grössere Empfänge veranstalten, gehört zur üblichen PR und Vernetzungsorganisation. Das Filmfestival Locarno, das mit seinem neuen Direktor Olivier Père in eine neue Ära startet, war in den ersten Festivaltagen ungewohnt präsent mit Inseraten in den Trade Papers: „Size does count“, verkündeten die Affichen, mit Blick auf die Leinwand auf der Piazza Grande. Auch wenn wir eher die Formulierung „Size does matter“ erwartet hatten: Die Ironie beim Kleinsten der Grossen sitzt. Und Olivier Père, wie gewohnt im blütenweissen Leinenanzug, war heute Abend zwei Stunden lang omnipräsent an der plage des palmes, hat Hände geschüttelt und Leute vernetzt:

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Cannes 10: Cuban Zombies – Boy Meat Girl – Schlockwerte 1

Schlock00 Banner Zombies

Auf die Produzenten gezielter Geschmacklosigkeiten kann man sich auch in Krisenjahren verlassen, selbst wenn in aller Regel die Plakate für diese Schlock-Filme viel unterhaltsamer sind, als die Werke selber. Wer kann schon einer Werbezeile wie „Boy. Meat. Girl“ widerstehen, oder dem Gedanken daran, dass die letzten Helden der kubanischen Revolution als Zombies ihre Mission zu Ende bringen möchten? Nach dem Sprung die ersten Bilder aus den Katakomben des Filmmarktes.

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Cannes 10: UNTER DIR DIE STADT von Christoph Hochhäusler

Hunger Buehler Krebitz in Unter Dir die Stadt

Käme dieser Film aus England oder Frankreich, wäre er wahrscheinlich im Wettbewerb gelandet. Aber, wie ein geschätzter Kollege zu Recht angemerkt hat: So wie er aussieht, dermassen abstrakt, rigide, senkrecht und waagrecht, heisskalt und gläsern, kann er nur aus Deutschland kommen. Unter Dir die Stadt ist eine eine Liebe-lose amour fou-Geschichte, ein durchgezählter letzter Tango in Frankfurt, der erste und letzte Versuch einer Menschwerdung bei einem Top-Banker – je nach Interpretation und Standpunkt. Robert Hunger-Bühler spielt diesen Roland Cordes, dem die junge Frau eines jungen Mitarbeiters passiert. Oder der an ihr etwas ansteckt. Oder sie mit ihm. Hochhäuser, Glastürme, Businessmeetings auf höchster Ebene – das alles ist die Kulisse, die Bühne, der Hintergrund ohne Vordergrund. Denn was sich abspielt zwischen dem Banker und der Frau, das bleibt auch abstrakt, selbst dann, wenn es glasklar inszeniert zur Sache geht.

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Cannes 10: ANOTHER YEAR von Mike Leigh

Another Year Tom and Gerri

Mike Leigh seine Goldene Palme auf sicher: Jene für Secrets and Lies, die er 1996 gewonnen hat. Für den neuen Film wird er wohl keine zweite bekommen, dafür dürfte Another Year beim Publikum gut ankommen. Es ist ein klassischer Mike-Leigh-Film, eine Geschichte rund um ganz gewöhnliche Menschen, in der nichts aussergewöhnliches passiert. Tom und Gerri sind ein glücklich verheiratetes Paar um die Sechzig, die meisten ihrer Freunde und Verwandten sind einsam und alleine, und so dreht sich fast der ganze Film um die Besuche der Einsamen bei den Glücklichen, um deren Anteilnahme und ihr leises Bedauern. Entwickelt wurde der Film nach Leighs üblicher Methode, zusammen mit den Schauspielern auf Grund einer einfach skizzierten Ausgangslage, in Improvisationen über Wochen hinweg. Leigh hat es immer verstanden, die Emotionen zu schüren und zu steuern bei seinem Publikum, hin und wieder hat er sie auch leise manipuliert. Aber noch nie mit dieser Art von Sentimentalität, die er hier wirken lässt.

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Cannes 10: Ritter oder Robocop?

Ritter quer

Auffallen ist alles, wenn man hier etwas unter die Leute bringen will. Ob allerdings der Eingang zur Filmmarktakkreditierung der richtige Ort ist, um Werbung zu machen für Studentendarlehen? Vielleicht schon. Vielleicht steckt da ja ein filmisches Drama unter der Rüstung. Denn wenn der junge Mann seine Darlehens-Schulden zurückzahlen will, muss er ja irgendwie Geld verdienen. Und dafür ist er jetzt eben gut gerüstet – in Plastik.

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Cannes 10: CHATROOM von Hideo Nakata

Chatroom Hideo Nakata 03

Seit seiner Uraufführung in London 2005 hat das Bühnendrama „Chatroom“ des Iren Enda Walsh ein Eigenleben entwickelt. Vor allem für junge Truppen und Nachwuchstheater war und ist das ein attraktives Stück. Auch am Theater Basel wurde das Stück mit jungen Darstellerinnen und Darstellern und gutem Erfolg inszeniert. Die Ausgangslage ist bestechend simpel und lässt viel Raum für inszenatorische Kniffe: Ein Gruppe Jugendlicher lernt sich online kennen, trifft sich immer wieder im gleichen Chatroom, und schliesslich laufen die üblichen Machtspielchen aus dem Ruder – zumal es so überaus leicht und verführerisch ist, sich eine wie auch immer geartete Online-Persönlichkeit zuzulegen. Was passiert nun, wenn der Japaner Hideo Nakata, der Schöpfer der Ringu-Trilogie, sich mit dem Stoff auseinandersetzt?

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Cannes 10: WALL STREET – MONEY NEVER SLEEPS von Oliver Stone

Michael Douglas und Shia LaBoeuf in Wall Street 2

23 Jahre nach dem Original sind Oliver Stone und Michael Douglas alias Gordon Gekko wieder da, mit der Fortsetzung, die zunächst das Leben, bzw. die Realität geschrieben hat. „Neben diesen Typen von heute war ich ein kleiner Fisch“, erklärt der seinerzeit für Insider-Geschäfte verurteilte Gekko mit Blick auf die Machenschaften, welche zur Sub-Prime-Krise und in der Folge der bisher grössten globalen Bankenkrise geführt hat. Das ist natürlich ein wunderbarer Kinostoff, nur schon darum, weil Stone nicht nur seinen Original-Film als visionär re-etablieren kann, sondern ganz schamlos so tun, als ob Wall Street eigentlich alles, aber wirklich alles schon vorausgesagt hätte. Und vielleicht trifft das ja sogar zu. Denn die Mechanismen, die Finanzinstrumente, die globalen Entwicklungen werden auch in diesem Film wieder so sehr vereinfacht, dass ein Laienpublikum recht gut ausmachen kann, wer wo warum zu den Bösen und Gierigen gehört. Wie aber perpetuiert man die eigene Legende?

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Cannes 10: O ESTRANHO CASO DE ANGÉLICA von Manoel de Oliveira

Angelica de oliveira

An der Berlinale letztes Jahr dachten die meisten von uns, wir hätten wohl den letzten Film vom portugiesischen Altmeister gesehen. Aber jetzt ist der 102jährige tatsächlich nach Cannes gekommen und gestern Abend munter und spazierstockschwingend die Treppenstufen zur Bühne in der Salle Debussy hinauf- und später auch wieder hinunter gestiegen. Manoel de Oliveira wirkte wieder fast so unverwüstlich wie in jüngeren Jahren – sein jüngster Film dagegen trägt Spuren des Alters in sich und mit sich. Es ist die vom titel angekündigte seltsame Geschichte des jungen Mannes Isaak, der eines Nachts geholt wird, um eine tote junge Frau zu fotografieren. Und während die Familie trauernd dabei steht, öffnet die Tote im Kamerasucher die Augen und lächelt ihn an. Natürlich ist es damit um Isaak geschehen.

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Cannes 10: THE HOUSEMAID – HANYO von Sangsoo-Im

The Housemaid

Am NIFFF letzten Sommer war in der Retrospektive Kim Ki-youngs legendäres Original Hanyo von 1960 zu sehen (heute in voller Länge bei The Auteurs). Der Sozialthriller um einen verheirateten Lehrer, der sein Hausmädchen schwängert und damit sich und seine Familie ihrem zunehmend abstrusen Terrorregime ausliefert, ist ein atmosphärischer Schwarzweissfilm, der von ambivalenten Stimmungen und moralischer Mehrdeutigkeit lebt. Lange Zeit ist man auf der Seite der jungen Frau, die sich dann zwar genregerecht als Familienzerstörerin gebärdet, aber auch das ist nicht eindeutig gezeichnet. Hanyo war im Original eine Sensation in Süd-Korea. Das lange erwartete Remake von Sangsoo Im steht nun im Wettbewerb um die Goldene Palme. Es ist ein saftiger Film geworden, ein giftiges Melodrama, das alle Register zieht und dabei jeder Eindeutigkeit eindeutig den Vorzug gibt.

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Cannes 10: RIZHAO CHONGQING von Wang Xiaoshuai

Chongqing Blues boot

Wang Xiaoshuai ist kein Unbekannter, einer seiner bisherigen Filme hat sogar einen Schweizer Verleih gefunden: Beijing Bicycle von 2001. Und Zuo you (2007) brachte ihm den silbernen Berliner Bär für das beste Drehbuch. Sein neuer Film spielt nun allerdings in jener anderen chinesischen Stadt, welche ebenfalls seit Jahren die Fantasie der Filmemacher beflügelt, in Chungking (wie sie in Chungking Express von Wong-Kar Wei hiess) oder eben in Chongqing, wie der Name diesmal transkribiert worden ist. Übersetzt heisst der Titel Chongqing Blues und diesen Blues hat ein Vater, der, 14 Jahre nach dem er Frau und Kind verlassen hat, zurückkommt in die Stadt, um herauszufinden, wie es dazu kam, dass sein mittlerweile 25jähriger Sohn in einem Supermarkt als Geiselnehmer erschossen worden ist.

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