Nyon 10: INTO ETERNITY von Michael Madsen

Into Eternity: Michael Madsen

Auch ernsthafte Dokumentarfilme können pompös wirken, und Kitsch ist manchmal nötig, um den heiligen Schauer zu erzeugen, der dem Kino zu eigen ist. Wenn der Däne Michael Madsen sich mit Into Eternity dem finnischen Onkalo widmet, dann weht schon in den ersten Bildern ein Hauch von Ewigkeit durch den Saal. Denn Onkalo ist ein Endlager für nuklearen Abfall, ein riesiges Tunnelsystem im Permafels, das 100’000 Jahre dichthalten soll. Das ist eine Zeitspanne, die unser Geschichtsverständnis um ein mehrfaches überdehnt, ein Zeitraum, den niemand ernsthaft berechnen kann. Die grösste Gefahr für so ein Lager geht von unseren Nachfahren aus, darin sind sich die meisten Protagonisten im Film einig. Denn die dürfen nie vergessen, Onkalo zu vergessen, bzw. sie müssen lernen, die Erinnerung daran auszulöschen, und das für alle kommenden Generationen. Ein logischer Treppenwitz wie so vieles, was mit der Endlager-Thematik zu tun hat.

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Nyon 10: VIDEOCRACY

Videocracy Berlusconi

Toller Titel, schönes Versprechen: Videocracy des Italieners Erik Gandini verkauft sich als gnadenlose Autopsie der Macht, welche Silvio Berlusconi über Italien dank seines Medienimperiums ausübe. Tatsächlich aber kocht Gandini hier „eine dünne Suppe“ (Dokfilmkollege K.W. aus A.), die zudem noch zu guten Teilen aus genau jenen Bildern besteht, die er denunzieren möchte. Weibliche Rundungen, Blondinen, Veline eben … Dass Berlusconis Macht auf Ärsche und Titten gebaut sei, ist weder neu noch völlig zutreffend. Und wenn Gandini dann noch zwei weitere Gestalten ins Spiel bringt, den mächtigsten TV-Agenten und Berlusconi-Freund und den Signor Corona, seines Zeichens Herr über ein Paparazzi-Imperium, das seine Fotos von den Reichen und Mächtigen gegen Entgelt nicht an die Klatschblätter Berlusconis verkauft, dann macht dies den Film auch nicht überzeugender.

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Nyon 10: JAKE, NOT FINISHED YET

'Jake, not finished yet' von Ian Thomas Ash

Ein schöner Start in den diesjährigen Wettbewerb, mit diesem Film von Ian Thomas Ash, denn er zeigt einmal mehr die Kontinuität von Nyon. 2006 war Ash, ein Amerikaner, der in Japan lebt, mit The Ballad of Vicki and Jake hier in Nyon, einem sehr intimen Film über eine drogensüchtige Mutter mit ihrem kleinen Sohn. Immer wieder hätten ihn die Leute nach dem Film gefragt, wie es denn mit dem Jungen weitergegangen sei (die Mutter ist gestorben). Jake, not finished yet gibt die Antwort darauf und zwar so, wie sie der heute 18jährige selber gibt: Nicht etwa „what happened to Jake“, sondern eben „what happens to Jake? I am not finished yet, am I?“

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Nyon 10: Jean Perret ist eine Strasse

Rue Saint-Jean, Nyon

Das Städtchen Nyon hat sein weltweit renommiertes Festival nicht immer mit der gleichen Inbrunst gepflegt, die Hotelknappheit besteht weiter, und kein Restaurant erbarmt sich nach 23 Uhr der Nachtwschwärmer, die aus den Festivalkinos kommen. Aber dem scheidenden Festivaldirektor Jean Perret hat die Kommune am Genfersee nun doch in aller Heimlichkeit und ohne Aufsehen zu erregen ein Denkmal gesetzt, entlang dem Hauptplatz. Das war völlig ohne Aufwand und Katasteränderung möglich, brauchte es doch nur eine kleine Bewusstseinsveränderung, um die bestehende Strasse in neue Richtungen verlaufen zu lassen.

Nyon 10: Zum Abschied die Vorgänger

Moritz und Erika De Hadeln in Nyon

Saukalt war es gestern Abend in Nyon, kälter als in den meisten früheren Jahren (auch wenn ich mich sogar an Schneetreiben im April erinnern kann). Aber eine halbe Stunde vor der Festivaleröffnung brachen doch ein paar Sonnenstrahlen durch, und vor der Bar du Réel, der Komplimentierung des Festivalkinos in der salle communale, genoss das Vorgängerehepaar der scheidenden Festivalleitung den Vorfrühling: Moritz de Hadeln, der langjährige Leiter der Berlinale, der seine Karriere in Nyon begonnen hatte, und seine Frau Erika, welche das Festival bis 1994 geleitet hat.

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Filmpodcast Nr. 177: Visions du réel Nyon, Aisheen, Pier Paolo Pasolini, DVD Cargo

Visions du réel, Nyon, salle communale

Kino im Kopf mit Brigitte Häring. Das Schweizer Dokumentarfilmfestival Visions du réel ist gestern in Nyon gestartet. Dazu zwei Beiträgen – Michael Sennhauser spricht über die letzte Ausgabe von Jean Perret. Nahostkenner Igal Avidal stellt den Westschweizer Film Aisheen – still live in Gaza vor. Nadja Fischer beschäftigt sich noch einmal mit der Ermordung Pier Paolo Pasolinis und im DVD-Tipp geht’s um den Schweizer Scienc-Fiction-Film Cargo. Und natürlich Kurztipps und Tonspur.

Saugen: Filmpodcast Nr. 177

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Die Unverpassbaren, Woche 16

'Sin nombre' von Cary Fukunaga ©filmcoopi

Erst diese fünf Filme sehen. Dann alle anderen.

  1. Sin nombre von Cary Fukunaga. Formal zerreisst dieser mexikanisch-amerikanische Thriller keine Stränge. Aber der Mix aus Gang- und Emigranten-Drama geht unter die Haut. Und das war sicher auch der Wunsch des Produzenten Gael García Bernal.
  2. Pizza Bethlehem von Bruno Moll. Junge Fussballerinnen mit ganz unterschiedlichen Wurzeln lassen die Kinozuschauer an ihrem Leben teilhaben.
  3. Nothing Personal von Urszula Antoniak. Unglaublich poetisches Filmgedicht über die Begegnung zweier Menschen, die Einsamkeit als Lebensform gewählt haben.
  4. Daniel Schmid – le chat qui pense von Pascal Hofmann und Benny Jaberg. Stimmiges Porträt über einen der eigenwilligsten Schweizer Filmemacher.
  5. Air Doll – Kûki ningyô von Hirokazu Kore-eda. Der japanische Meister verwandelt die Geschichte einer Sexpuppe in pure Poesie.

Im Filmpodcast morgen gibts es mehr zu Filmen und zum heute startenden Dokfilmfestival in Nyon.

Nyon 10: Perret/Bussmann zum Letzten

Jean Perret, der scheidende Direktor der 'Visions du réel', Nyon

Morgen Donnerstag beginnt die 16. und letzte Ausgabe des Dokumentarfilmfestivals visions du réel in Nyon unter der Leitung von Jean Perret und seiner Frau Gabriela Bussmann. Sechzehn Jahre lang hat der einstige Radiojournalist und Gründer der semaine de la critique am Filmfestival von Locarno die Geschicke des ehrwürdigen Festivals am Genfersee geleitet. Perret hat das international renommierte, aber vom Publikum eher verschmähte Festival nach der Ära de Hadeln zu ungeahnter Blüte  geführt. Seine kommunikative Kunst hat Filmemacher, Produzentinnen und Kinobesucherinnen vereint und sie, zumindest zu den besten Zeiten bis vor ein paar Jahren, einmal täglich im Forum zusammengebracht. „Nyon 10: Perret/Bussmann zum Letzten“ weiterlesen

Filmpodcast Nr. 176: Pizza Bethlehem, Nothing Personal, DVD 500 Days of Summer, Daniel Schmid.

Die Multi-Kulti-Kickerinnen von 'Pizza Bethlehem' ©trigon
Die Multi-Kulti-Kickerinnen von 'Pizza Bethlehem' ©trigon

Kino im Kopf, wieder mit Brigitte Häring, Sennhausers Zügelhölle dauert an, jetzt ist er auch noch offline, Cablecom sei Dank… Sportlich beginnen wir die heutige Filmrolle mit dem Schweizer Dokumentarfilm Pizza Bethlehem von Bruno Moll. Ausserdem Nothing Personal aus Irland und der frühlingshafte DVD-Tipp mit 500 Days of Summer. In Reflexe geht’s um den verstorbenen Schweizer Filmemacher Daniel Schmid. Und natürlich auch heute eine Tonspur zum Rätseln und die fünf Kurztipps.

Saugen: Filmpodcast Nr. 176 (Rechtsklick für Download). Hören: [audio:http://pod.drs.ch/mp3/film/film_201004090815_10130901.mp3]


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Die Unverpassbaren, Woche 15

Daniel Schmid mit Lauren Hutton beim Dreh von 'Hecate'

Erst diese fünf Filme sehen. Dann alle anderen.

  1. Pizza Bethlehem von Bruno Moll. Junge Fussballerinnen mit ganz unterschiedlichen Wurzeln lassen die Kinozuschauer an ihrem Leben teilhaben.
  2. Nothing Personal von Urszula Antoniak. Unglaublich poetisches Filmgedicht über die Begegnung zweier Menschen, die Einsamkeit als Lebensform gewählt haben.
  3. Daniel Schmid – le chat qui pense von Pascal Hofmann und Benny Jaberg. Stimmiges Porträt über einen der eigenwilligsten Schweizer Filmemacher.
  4. Crazy Heart von Scott Cooper. Jeff „The Dude“ Bridges in Oscar-Mode. ’nuff said, already, damn.
  5. Air Doll – Kûki ningyô von Hirokazu Kore-eda. Der japanische Meister verwandelt die Geschichte einer Sexpuppe in pure Poesie.

Im Filmpodcast morgen gibts es mehr zu den Filmen und zu Daniel Schmid.