Berlinale Telegramm 03: Warten auf…

In Berlin mit 'Shutter Island': Martin Scorsese

Ich habe zu Beginn versprochen, auch Alltägliches vom Festivalbetrieb zu berichten. Aufregend ist’s gewiss oft genug, ungewohnt und spassig. Wenn zum Beispiel direkt im Kinosessel vor uns Stars wie Renée Zellweger (die man als normalsterbliche Filmjournalistin auf der Leinwand und nicht davor sieht) oder der Schriftsteller Nuruddin Farah sitzen, weil die Jury die Filme mit der Presse zusammen guckt. Oder wenn man einmal live erlebt, wie schnell Martin Scorsese wirklich reden kann – als Antwort auf eine simple Frage rattert er einfach ein Jahrzehnt Filmgeschichte herunter (in ca 1,5 Minuten) …

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Berlinale: Gescheiterte Söhne, schuldige Mütter

George Pistereanu, Ada Condeescu in: 'Eu cand vreau sa fluier, fluier'
George Pistereanu, Ada Condeescu in: 'Eu cand vreau sa fluier, fluier'

Gleich zwei Filme im Wettbewerb hatten heute die gleiche Konstellation: jeweils zwei Brüder mit gebrochenen Biographien und dahinter eine Mutter, die offensichtlich versagt hat. Aber das ist eben das Tolle am Kino: wiederkehrende Themen in ganz unterschiedliche Werke. Der erste Film stammt aus Rumänien und heisst Eu cand vreau sa fluier, fluier (Wenn ich pfeifen möchte, pfeife ich) und ist von Florin Serban. Mit ganz einfachen Mitteln – Handkamera, Originalschauplatz, Laiendarsteller – setzt der junge rumänische Regisseur ein Bühnenstück der Autorin Andreea Valean um: Silviu sitzt als jugendlicher Straftäter in einer Anstalt. Die Verhältnisse sind hart: Silviu ist in der Rangordnung weit unten. Schon zu Beginn des Filmes schwant einem, dass die baldige Entlassung auf der Kippe stehen wird. Silvius Familienverhältnisse sind ebenfalls schwierig – er hat seinen kleinen Bruder praktisch allein aufgezogen, weil seine Mutter in Italien lebt. Er selber wurde als Kind von der unsteten Mutter immer wieder weggegeben.

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Berlinale Telegramm 02

Metropolis am Brandenburger Tor

Openair-Veranstaltungen sind – das liege am Wetter und an angenehmen Temperaturen, sagen manche – eine Sache des Sommers. Nicht so in Berlin. Als gigantisches Geschenk der Geburtstagsberlinale an sein treues Publikum gab’s gestern Freitag Abend Freiluft-Kino. Die Uraufführung der rekonstruierten und um rund ein Drittel längere Fassung von Fritz Langs Metropolis mit dem Rundfunkorchester Berlin wurde live aus dem Friedrichstadtpalast auf eine gigantische Leinwand übertragen. Die hängt am symbolträchtigsten Bauwerk der Stadt, am Brandenburger Tor — dort, am Pariser Platz, ist sowieso der Berlinerinnen und Berliner liebster Festplatz. Dafür aber, dass heute einige hundert tatsächlich ausgeharrt haben um das filmhistorische Ereignis zu sehen, gebührt dem Berliner Publikum der cineastische Ritterschlag. Denn der eis- und schneeverkrustete Boden fing an, sich bei steigenden Temperaturen in Matsch zu verwandeln und von oben kam ein ekliger Graupelschnee, Schneematsch vom Himmel sozusagen. Ich hab nicht bis zum Ende durchgehalten und mich selber vertröstet auf eine baldige Vorführung in irgend einem warmen Kino. Aber all denen, die ausgeharrt haben und somit dem Kino und der Berlinale die Ehre erwiesen haben – Châpeau! Oder, eher passend: Mütze!

Schweizer Radio DRS, Echo der Zeit hat mit Kinemathek-Direktor Rainer Rother über die Restauration von Metropolis gesprochen. Und DRS2aktuell mit dem Korrespondenten Sven Ahnert.

Berlinale: HOWL von Rob Epstein und Jeffrey Friedman

Aaron Tveit und James Franco in 'Howl'
Aaron Tveit und James Franco in 'Howl'

Allen Ginsberg zum Frühstück, das mag schwer verdaulich klingen. Die filmische Collage über das erste veröffentlichte Werk eines der bedeutendsten amerikanischen Dichter des 20. Jahrhunderts war aber heute früh eine feine Sache. Der Film der beiden Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman ist kein Biopic der gängigen Art. Es ist eine Art filmische Dichtung über dieses Gedicht und seine Veröffentlichung, die die amerikanische und auch die Welt-Literatur veränderte. Aus vier verschiedenen Perspektiven beleuchtet der Film das Gedicht Howl, dessen Rezeption und den Schriftsteller Allen Ginsberg: In schwarzweisser 50er Jahre-Optik wird Ginsbergs erste öffentliche Lesung des langen Gedichts 1955 nachgestellt – abwechselnd mit animierten, illustrativen Szenen zum Gedicht, gestaltet vom Zeichner und früheren Ginsberg-Mitarbeiter Eric Drooker und musikalisch illustriert von Carter Burwell. Verschiedene Interviews mit Ginsberg sind zu einer einzigen Interviewsituation zusammengesetzt und setzten den 2 Jahre älteren Ginsberg und seine homosexuelle Biographie in den Fokus (Ginsberg wird übrigens gespielt von James Franco) – und schliesslich wird die Gerichtsverhandlung nachgespielt, in der das Gedicht «Howl» als obszön und literarisch nicht relevant auf der Anklagebank liegt. Das überraschende Urteil des Richters machte 1957 Werk und Dichter gleichermassen weltberühmt – und gilt als die Geburtsstunde der sogenannten Gegenkultur oder beat generation. Zudem sind einige filmische Schnappschüsse aus dieser frühen Zeit Ginsbergs (z.B. von seiner Freundschaft zu Jack Kerouac) sparsam eingestreut.

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Filmpodcast Nr. 168: A Single Man, Marsdreamers, Space Tourists, Berlinale, DVD Persepolis.

Mars is in Utah. Mars is in Utah. 'Marsdreamers' von Richard Dindo ©filmcoopi
Mars is in Utah. Mars is in Utah. 'Marsdreamers' von Richard Dindo ©filmcoopi

Kino im Kopf. Heute stellt uns Brigitte Häring Modemacher Tom Fords Erstling A Single Man vor, ich habe über Richard Dindos Marsdreamers und Christian Freis Space Tourists gesprochen, Brigitte Häring hat sich auf die Berlinale gefreut und über die DVD zu Persepolis. Dazu die üblichen Kurztipps und die Tonspur.

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Berlinale: TUAN YUAN (Apart Together) von Wang Quan’an

Dass die Berlinale den Ruf hat, das politischste der grossen Filmfestivals zu sein, wird hier schon am ersten Tag überall gern betont und wiederholt. Und auch der Eröffnungsfilm dieser 60. Jubiläumsberlinale ist dementsprechend programmiert. Der chinesische Regisseur Wang Quan’an ist zum dritten Mal an der Berlinale vertreten, 2007 gewann er mit Tuya de hunshi (Tuyas Hochzeit) den goldenen Bären. Jetzt durfte er mit Tuan Yuan die Berlinale eröffnen. Eine symbolträchtige Eröffnung: Im Film geht es um die chinesische Teilung und um ein familiäres, taiwanesisch-chinesisches Wiedersehen. Erzählt wird eine Geschichte, wie sie auch unzählige deutsch-deutsche Familien erlebt haben könnten. Und so passt diese Eröffnung wie die Faust aufs Auge für diese 60. Ausgabe der internationalen Berliner Filmfestspiele, deren Geschichte so eng verknüpft ist mit der deutschen-deutschen Teilungsgeschichte. Oft genug war die Berlinale ein filmisches Fenster in den Osten in der sonst so undurchdringlichen Mauer. „Berlinale: TUAN YUAN (Apart Together) von Wang Quan’an“ weiterlesen

Die Unverpassbaren, Woche 7

Julianne Moore, Colin Firth in 'A Single Man' von Tom Ford ©ascot-elite
Julianne Moore, Colin Firth in 'A Single Man' von Tom Ford ©ascot-elite

Wie gewohnt: Erst diese fünf Filme sehen, dann alle anderen.

  1. A Single Man von Tom Ford. Ein stilsicherer Erstling vom Modeschöpfer. Aber vor allem eine Glanzleistung von Schauspieler Colin Firth.
  2. Up in the Air von Jason Reitman. George Clooney als vielfliegender Entlasser, das ist so nahe bei der Wirklichkeit, dass man sich hin und wieder fragt, ob das alles wirklich Lachtränen sind.
  3. Troubled Water von Erik Poppe. Niemand bleibt allein mit seiner Vergangenheit – ein raffiniertes Verwirrspiel.
  4. A Serious Man von Joel und Ethan Coen. Die tiefgefühlte, todtraurige und sterbenslustige Tragikomödie der filmwütigen jüdischen Agnostiker aus Minnesota.
  5. Un prophète von Jacques Audiard. Das Gefängnis als Akademie des organisierten Verbrechens – jetzt hat auch Frankreichs Kino seinen Godfather .

Berlinale Telegramm 01

Es ist typisches Berlin-Wetter, grau in grau in grau – nur noch etwas kälter und schlimmer als normal. Die Trottoirs sind mit einer ca. 10cm dicken Eisschicht bedeckt und die Boulevard-Zeitung Berliner Kurier titelt „Das Gips doch gar nicht“ und berichtet von „Knochenbrüchen wohin man schaut„. Der Fernsehturm am Alexanderplatz verschwindet im grauen Dunst und überall in dieser Stadt zieht es. Auch in den U- und S-Bahnhöfen. Genau das richtige Kinowetter! Morgen heisst’s am Potsdamer Platz Film ab, die 60. Berlinale startet chinesisch. Ich freue mich. Und werde an dieser Stelle jeden Tag Eindrücke, Kurioses, besonders Schönes, Verrücktes und Alltägliches von der Berlinale berichten.

Gespiegelter Horror

Das Schöne am klassischen Horrorfilm ist ja, dass man immer dann am meisten erschrickt, wenn genau das eintrifft, was zu erwarten war. Und mit dem Fremden im Spiegel ist das ja auch so. Allerdings wird es mir heute Abend ein wenig schwerer fallen, unbeschwert in den Badezimmerspiegel zu gucken. Auch recht. Normalerweise ist der erste Blick am Morgen ja erschreckender. Tatsächlich liesse sich mit dem Spiegel im Horrorfilm aber etliches mehr anstellen, als diese Serie glauben macht. Allein der mit dem Spiegel verbundene Aberglaube liefert Ideen für eine ganze Horrorserie.

Filmpodcast Nr. 167: Up in the Air, Zwischen Himmel und Erde, DVD Home.

Packend: George Clooney 'Up in the Air' ©Paramount
Packend: George Clooney 'Up in the Air' ©Paramount

Kino im Kopf mit Michael Sennhauser und diesen drei Filmen: Up in the Air von Jason Reitman, Zwischen Himmel und Erde von Christian Labhart und der DVD zu Ursula Meiers Home. Dazu die üblichen Kurztipps und die Tonspur.

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