Die Filme der grossen alten Männer an dieser Berlinale sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Chabrol hat mit Bellamy enttäuscht, De Oliveira beherrscht sein präzises Handwerk auch mit hundert Jahren noch, Bertrand Tavernier (der nicht ganz so alt ist) hat meinen Berlinale-Lieblingsfilm In the Electric Mist gemacht, der zwar Schwächen hat, aber in seiner unvergleichlichen Stimmung ein grosse Stärke. Von Theo Angelopoulos und seinem Dust of Time hat niemand mehr einen grossen Innovationsschub erwartet und es ist auch keiner gekommen (dafür hat nun auch der grosse alte Grieche die Global-Unsitte des universal geradebrechten Englisch in allen filmischen Lebenslagen eingeführt). Aber Wajdas jüngster Film ist eine Überraschung. Tatarak ist eine Schilfpflanze, und eine literarische Vorlage, die Wajda mit dem polnischen Star Krystyna Janda „Berlinale09: ‚Tatarak‘ von Andrzej Wajda“ weiterlesen
Berlinale09: Lecker Vegetarier-Huhn
Hat ja nur am Rande mit der Berlinale zu tun. Aber wenn ich schon mal die Zeit gefunden habe, mit Freunden essen zu gehen, will ich diese wunderliche Entdeckung auch niemandem vorenthalten. Oder haben Sie gewusst, woraus man Hühner macht? Gefunden im Buddha House an der Rykestrasse, wo sich tibetisches und thailändisches Essen einträchtig die Karte teilen. Irgendwie passt das vegetarische Huhn zu einigen der Filme, die wir hier gesehen haben: Die sind auch nicht alle aus dem Material gebastelt, das sie angeblich enthalten. Aber mit zwei Saucen und Salat kriegt man sie runter. (Das Essen im Buddha House ist aber wirklich lecker, kein Vergleich!)
Berlinale09: Das leise Brummen der Bären
Mit 26 Filmen im Wettbewerb (davon acht ausser Konkurrenz) und unzähligen weiteren in den verschiedenen Nebensektionen haben die 59. Berliner Filmfestspiele in den letzten Tagen die Kulturschlagzeilen beherrscht. Was bleibt vom inszenierten Rummel? Welche Filme kommen für den goldenen Bären in Frage, und welche werden darüber hinaus im Gedächtnis bleiben? Im Berlinale-Studio am Potsdamer Platz habe ich mit Katja Nicodemus von der “Zeit” und Martin Walder von der „NZZ am Sonntag“ versucht, herauszufinden, wo die Unterschiede liegen in der filmischen Inszenierung des weiblichen Leidens durch Regisseurinnen und der Inszenierung durch Männer. Von Olesen Lille Soldat über Frears’ leidende Michelle Pfeiffer in Chéri zu Katalin Varga bis hin zu Llosas Fausta sind diese Frauenfiguren der einzige rote Faden im diesjährigen Wettbewerb.
Hören:
Berlinale09: Komisches Frauenleiden in ‚Happy Tears‘
Mitchell Lichtenstein (Teeth) ist der Sohn des Pop-Art-Malers Roy Lichtenstein. Und in seiner Tragikomödie ist es der Sohn eines berühmten Malers, der am Schluss im Sanatorium seine Tränen abwischt und seiner Frau verschämt erklärt, das seien Happy Tears. Aber dieser neurotische Sohn ist nur eine Nebenfigur. Er ist der Ehemann der von Parker Posey gespielten Jayne und die wiederum ist die Schwester der von Demi Moore verkörperten „Berlinale09: Komisches Frauenleiden in ‚Happy Tears‘“ weiterlesen
Berlinale09: Das Festival der leidenden Frauen
Mit La teta asustada (englischer Titel: The Milk of Sorrow) von Claudia Llosa aus Peru war heute im Berlinale-Wettbewerb die perfekte Ergänzung zu Peter Stricklands Katalin Varga (siehe unten) programmiert. Wieder steht eine Frau im Zentrum, diesmal die Tochter einer vergewaltigten Mutter. Sie leidet unter der „verwunschenen Brust“, weil sie die Vergewaltigung ihrer Mutter schon als Embryo in ihrem Leib miterleben musste. Zu Beginn des Films stirbt die Mutter und erzählt singend noch einmal ihre Leidensgeschichte. Die Vergewaltigung, welche die alte Frau „Berlinale09: Das Festival der leidenden Frauen“ weiterlesen
Berlinale09: ‚Katalin Varga‘ von Peter Strickland
Dürrenmatts Diktum, dass eine Geschichte erst dann zu Ende gedacht sei, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen habe, stürzt einen bei Peter Stricklands Berlinale-Wettbewerbs-Drama Katalin Varga in eine gedankliche Endlosspirale. Katalin macht sich mit ihrem elf Jahre alten Sohn Urban auf den Weg, die beiden Männer zu finden, die sie einst vergewaltigt haben. Der Sohn weiss nichts davon, er weiss auch nicht, dass Katalin von ihrem Mann, den er für seinen Vater hält, verstossen wurde, weil er von der Vergewaltigung erfahren hat. Auch als Zuschauer reime ich mir die Geschichte erst langsam zusammen, Strickland „Berlinale09: ‚Katalin Varga‘ von Peter Strickland“ weiterlesen
Berlinale09: Martin-Groupiou-Bau? Ick bin doch kein Berliner!
Alle arbeiten hier an der Berlinale unter Vollstress, offensichtlich auch die Filmverkäufer von RTVE aus Spanien. Der internationale Filmmarkt ist natürlich wie jedes Jahr im altehrwürdigen Martin-Gropius-Bau. Aber wenn man den Layout-Text für die Filmwerbung auf dem Daily Screen per SMS einschickt, dann kann daraus natürlich schon mal der Martin-Groupiu Bau werden. Tönt rumänisch, wennse mir fragen… aber mir fracht ja keener.
Berlinale09: Michelle Pfeiffer leidet in und mit Jugendstil
Schön ist sie, und manchmal ein wenig durchsichtig, wie gewohnt, jene Michelle Pfeiffer, die wir zum Beispiel aus Scorseses ‚Age of Innocence‘ kennen. In ‚Chéri‘ von Stephen Frears spielt sie eine Pariser Kurtisane der Belle Epoque, eine Frau, die gerade anfängt zu welken, und es auch weiss. Das ist in den ersten fünfzehn Minuten des Films schön giftig und rasant in Szene gesetzt. Schon der Titelvorspann, der gerafft und grafisch originell „Berlinale09: Michelle Pfeiffer leidet in und mit Jugendstil“ weiterlesen
Berlinale09: ‚Hier wimmelt es nur so von Muslimen‘
„This place is positively crawling with muslims“, erzählt die verzweifelte Bäuerin (Brenda Blethyn) von der Kanalinsel Guernsey am Telefon ihrem Bruder zuhause. Der Film heisst ‚London River‘, und sie ist nach London gekommen nach den Bombenanschlägen im Sommer 2005, weil sich ihre Tochter nicht mehr gemeldet hat, und sie das Schlimmste fürchtet. Die Wohnung ihrer Tochter ist im Haus eines Muslims, und die Tochter ist offenbar zusammen mit einem schwarzen Freund, von dem die Mutter nichts wusste, in einen Arabischkurs gegangen. Das alles findet sie allerdings erst langsam heraus, über „Berlinale09: ‚Hier wimmelt es nur so von Muslimen‘“ weiterlesen
Berlinale09: Deutsche Beziehungskiste – next generation
Mit Mitte Ende August, Sebastian Schippers Uminterpretation von Goethes Wahlverwandschaften, im Forum, und Maren Ades Alle anderen im Wettbewerb heute habe ich wieder einmal mein eigenes Alter gespürt, das einem ja sonst im Kino leicht abhanden kommt. Beide Filme sind sehr deutsch, und reine Beziehungskisten, reminiszent an die 80er Jahre – für mich. Nicht aber für die Generation, welche sie jetzt macht, mit unterschiedlichen Zielen und Vorgaben. Sebastian Schipper (‚Absolute Giganten‘, 1999) lässt ein mittdreissiger Paar in die Zerreissprobe zwischen dem älteren Bruder des Mannes und der jüngeren Patentochter der Frau geraten. Sehr frei nach Goethe „Berlinale09: Deutsche Beziehungskiste – next generation“ weiterlesen