Rost und Knochen verspricht der Filmtitel, ‚Rust and Bone‘, das geht zurück auf eine Kurzgeschichtensammlung des Kanadiers Craig Davidson, von der aber schliesslich nur die allgemeine Inspiration geblieben sei, sagt Jacques Audiard. Vom Rost ist wenig zu sehen, aber die Knochen, die sind präsent im neuen Film des Regisseurs, der hier 2009 mit Un prophète den grossen Preis der Jury gewonnen hatte.
Die Knochen, das sind die des Belgiers Matthias Schoenaerts, der uns schon in Rundskop sehr körperlich nahe gegangen ist, und jene der Französin Marion Cotillard. Beziehungsweise, die ihrer Figuren Ali und Stéphanie. Er ist ein gescheiterter Boxer aus dem Norden Frankreichs, der mit seinem fünfjährigen Sohn in Antibes bei seiner Schwester untergekommen ist. Und sie leitet das Dressurteam bei einer Orca-Show im Badeort an der Côte d’azur. „Cannes 12: DE ROUILLE ET D’OS von Jacques Audiard“ weiterlesen
„Rust and Bone“ heisst eine Short Story Sammlung von Craig Davidson, welche Jacques Audiard zu seinem De rouilles et d’os inspieriert hat (Kurzbesprechung). Flesh and Blood war ein Film von Paul Verhoeven. Und wenn man zur Zeit die Tradepapers hier in Cannes durchblättert, bekommt man das Gefühl, es gebe nur noch diese Titelpaarungen. Ächz und Stöhn!
After the Battle heisst der Film auf Englisch. Und gemeint ist damit die ägyptische Revolution, insbesondere die Zeit nach dem zweiten Februar 2011. Das war der Tag, als Pferde- und Kamelreiter, aufgehetzt vom Mubarak-Regime, auf die Demonstranten am Tahrir Platz lospreschten… und im Gegenzug zum Teil von diesen massiv verprügelt wurden. Für lange Zeit dominierte die Kamelschlacht offenbar die Köpfe und die Medien und lenkte von anderen Übergriffen der staatlichen Machthaber ab.
Der Film von Yousry Nasrallah bemüht sich um eine neue Perspektive, er verzichtet auf das einfache Bild von den guten aufgeklärten Revolutionären und den bösen Gegenspielern. Allerdings tut er das didaktischer und konstruierter als Paul Laverty und Ken Loach in ihren eifrigsten Zeiten. Eine junge, gebildetete und säkulare Frau ins Zentrum zu stellen, ist verdienstvoll. Ihr mit dem analphabetischen Pferdemann aus dem Volk eine Kontrastfigur gegenüber zu stellen, ist nachvollziehbar. Selbst die angedeutete Romanze der beiden trägt noch die Geschichte. Aber letztlich scheitert der Versuch, ägyptischen Neorealismus zu machen, an den Spuren der ägyptischen Filmindustrie.
Die Schauspieler und Schauspielerinnen verkörpern ihre Figuren nach allen Regeln ihrer Kunst. Licht und Kamera und Farbdramaturgie erinnern an Bollywood on the Nile und die Geschichte ist hin und wieder mehr melodramatisch als revolutionär. Aber alles in allem spielt das keine Rolle. Die zwei Stunden bieten mehr Einblick in die jüngste Geschichte Ägyptens als all die Fernsehbilder und YouTube Clips der letzten Jahre zusammen.
After the Battle ist bestimmt nicht der beste Film im diesjährigen Wettbewerb, und er ist garantiert nicht nur aufgrund seiner künstlerischen Qualitäten im Programm. Aber überflüssig oder gar langweilig oder ärgerlich ist er auch nicht. Leider ist „verdienstvoll“ auch kein grossartiges Verdikt. Aber es trifft.
Je infantiler und reaktionärer die westlichen Gesellschaften auf die immer drängenderen Veränderungen in der Welt reagieren, desto subversiver wirkt die Verkindlichung, welche Wes Anderson und seine Kameraden im Geist, etwa Spike Jonze oder Michel Gondry, inszenieren.
Die Kinder, zumindest die beiden Hauptfiguren, sind die wahren Erwachsenen in diesem Film. Die zwölfjährige Suzy Bishop ist unter ihresgeleichen eben so sehr ein Misfit, wie der gleichaltrige Waise Sam bei den Boy Scouts, die auf der Insel ihr Sommercamp aufgeschlagen haben. Gemeinsam reissen sie aus und schlagen in der Wildnis ihre Zelte auf. Moonrise Kingdom nennen sie den Strand, an dem sie ihr perfektes Kleinfamilienlager gebaut haben. Bis die Erwachsenen, der von Edward Norton gespielte Pfadfinder-Leiter, Bruce Willis‘ Inselpolizist und Frances McDormand sowie Bill Murray als Anwalts- und Elternpaar, die jungen Liebenden trennen. „Cannes 12: MOONRISE KINGDOM von Wes Anderson“ weiterlesen
Die Zeiten des grünen Monokini sind vorbei, heuer steuert Sacha Baron Cohen die Croisette von Cannes im grossen Stil an. Bevor das Festival heute Abend eröffnet wird, hat er schon die Fassade des Carlton Hotel in Beschlag genommen, und die Paparazzi aufs Meer hinaus gelockt. Der Mann hat einen starken Sinn für simple Promostunts, wie er ja auch hier unter Beweis gestellt hat, gleich nach den Wahlen in Frankreich:
The Dictator (am Freitag im Filmpodcast) ist da, jetzt wird gefeiert. Bei uns in der Schweiz im Kino ja auch schon, ab heute.
Das Line-up von Cannes 2012 steht – und wir dürfen uns einmal mehr freuen. Wes Anderson eröffnet das Festival, David Cronenberg ist dabei, aber ansonsten sind die Amerikaner für einmal eher untervertreten: Weltkino ist angesagt.