Cannes 13: UN CHÂTEAU EN ITALIE von Valeria Bruni Tedeschi

Valeria Bruni Tedeschi
Valeria Bruni Tedeschi

Vor zehn Jahren hat die Schauspielerin, Millionärstochter und Schwester von Carla Bruni Sarkozy mit der Komödie Il est plus facile pour un chameau… Vergnügen, Verblüffung und Annerkennung gefunden. Die zu guten Teilen autobiographisch unterfütterte Geschichte stellte ein armes reiches Mädchen ins Zentrum, das sich schwer tut damit, sein Glück zu finden.

Jetzt, zehn Jahre später, spielt das reiche Mädchen weiter mit seiner Familiengeschichte. Bruni Tedeschi geht auf die Fünfzig zu, spielt aber – leicht kokett und schwer verhühnert – die 43jährige Louise. Ihr geliebter Bruder Ludovic ist an Aids erkrankt, das Familienschloss, der letzte Rest des Vermögens des verstorbenen Vaters in Italien, muss demnächst verkauft werden und, Louise wünscht sich sehnlichst ein Kind.

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Cannes 13: WARA NO TATE – Shield of Straw – von Takashi Miike

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Der Plot dieser Miike-Kiste wäre faszinierend. Ein Milliardär setzt eine Million als Kopfgeld auf den Mörder seiner Enkelin aus. Der Killer stellt sich freiwillig der Polizei, als er merkt, das er nirgendwo mehr sicher ist – und ein paar Elite-Polizisten müssen ihn sicher vor Gericht bringen.

Den Plot hatten wir schon mal, er gehörte zu einem der weniger plausiblen und dafür um so vergnüglicheren Clint-Eastwood-Vehikel der Siebziger Jahre: The Gauntlet von 1977 lässt Eastwood gegen die geballte Kraft des Polizeikorps eine Zeugin in die Stadt bringen, welche Polizeikorruption aufdecken kann. Als Regisseur machte Eastwood damals keine Gefangenen, der Filmplot war so hauruck wie nur nur etwas: Hauptsache ballern. „Cannes 13: WARA NO TATE – Shield of Straw – von Takashi Miike“ weiterlesen

Cannes 13: LE DERNIER DES INJUSTES von Claude Lanzmann

Claude Lanzmann mit Benjamin Murmelstein
Claude Lanzmann mit Benjamin Murmelstein

Mit 87 hat Claude Lanzmann offensichtlich nichts von seinem Furor eingebüsst. Und nur wenig von seiner zuweilen egozentrischen Energie. 1975 hatte Lanzmann in Rom Benjamin Murmelstein interviewt, den letzten noch Lebenden der seinerzeit von den Nazi eingesetzten „Judenräte“. Das Material hatte er Steven Spielbergs Shoah-Foundation übergeben. Dort sollte es Forschern auf Anfrage zur Verfügungs stehen.

Als Lanzmann dann allerdings in einem Dokumentarfilm auf Auschnitte seines Interviews stiess, wurde er ungehalten und beschloss, das Material doch noch selber zu einem Film zu verarbeiten. Gestern hatte Le dernier des injustes hier in Cannes Premiere – ausser Konkurrenz, aber in Anwesenheit unter anderen von Valerie Trierweiler, Frankreichs aktueller Première Dame.

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Cannes 13: BORGMAN von Alex van Warmerdam

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Wenn dieser Film kein US-Remake bekäme, müsste es schon mit dem Teufel zugehen. Was nicht ganz ausgeschlossen ist, denn in den ersten Minuten von Borgman macht sich ein Priester mit zwei bewaffneten Männern auf die Jagd nach Männern, die ganz wörtlich im Wald im Untergrund schlafen. Allerdings gelingt ihnen die Flucht und es beginnt eine Geschichte, die wir noch nicht gekannt haben.

Es kommt selten genug vor, dass ein Film mit einer völlig neuen originellen Prämisse aufwartet. Borgman bereichert die Welt des phantastischen Films um eine neue Spezies. Am Anfang sind es drei Exemplare, am Ende etliche mehr. Und es steht zu befürchten, dass sie irgendwann Legion sein werden.

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Cannes 13: INSIDE LLEWYN DAVIS von Joel & Ethan Coen

Oscar Isaac ist Llewyn Davis

Llewyn Davis ist nicht Bob Dylan. Er hat weniger Talent, weniger Glück, vor allem aber weniger Charisma. Man könnte sogar sagen, er hat gar keines. Llewyn sei ein Arschloch, sagt die von Carey Mulligan gespielte Jean Berkey, die von ihm schwanger ist. Der neue Film der Coen-Brüder folgt einem Singer/Songwriter/Folksänger im Jahr 1961 auf seiner Odyssee von Couch zu Couch in New York, einem Abstecher nach Chicago und einer nächtlichen Kurve über Akron.

Inside Llewyn Davis heisst die Soloplatte, welche er aufgenommen hat nach dem Selbstmord seines Gesangspartners. Aber die hat auch keiner gekauft, das Publikum steht auf Pop-Folk, auf Peter, Paul and Mary, und Bob Dylan wird erst in ein paar Monaten in die Stadt kommen. Film-ethnographisch gesehen ist Llewyn Davis ein Nachkomme von Barton Fink. „Cannes 13: INSIDE LLEWYN DAVIS von Joel & Ethan Coen“ weiterlesen

Cannes 13: JIMMY P. von Arnaud Desplechin

Mathieu Amalric und Benicio del Toro
Mathieu Amalric und Benicio del Toro

‚Psychotherapy of a plains Indian‘ lautet der Untertitel dieser gepflegten Rekonstruktion eines realen Falles aus der Praxis des Pioniers der Ethnopsychoanalyse, Georges Devereux. Und damit ist der Film ein ganz entfernter Verwandter von David Cronenbergs A Dangerous Method.

Allerdings ist die Geschichte des Blackfoot-Indianers Jimmy Picard die eines therapeutischen Erfolges. Und die wirklich spannende Figur ist auch nicht der von Benicio del Toro gespielte Jimmy, sondern viel mehr Georges Devereux, so wie in Mathieu Amalric mit frettchenhafter Fröhlichkeit über die Leinwand wuseln lässt. „Cannes 13: JIMMY P. von Arnaud Desplechin“ weiterlesen

Cannes 13: SOSHITE CHICHI NI NARU – Like Father Like Son – von Hirokazu Kore-Eda

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Was passiert, wenn sich nach sechs Jahren herausstellt, dass der eigene Sohn tatsächlich der Sohn einer anderen Familie ist, dass die Babies seinerzeit im Spital vertauscht worden sind? Kann man die Kinder einfach zurück tauschen, oder sind die sechs Jahre mit einem Kind stärker als die genetische Verwandtschaft?

Mein japanischer Lieblingsregisseur spürt weiter den Familienbanden nach, insbesondere dem Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen, wie schon in Still Walking. Es sei die Geburt seiner eigenen Tochter gewesen, welche seine Frau quasi über Nacht in eine Mutter verwandelt habe, während er selber viel länger gebraucht habe, um sich über seine Vaterschaft klar zu werden, sagt Hirokazu Kor-eda. „Cannes 13: SOSHITE CHICHI NI NARU – Like Father Like Son – von Hirokazu Kore-Eda“ weiterlesen

Cannes 13: LE PASSE von Asghar Farhadi

Tahar Rahim und Bérénice Bejo
Tahar Rahim und Bérénice Bejo

Wenn der Titel A Separation nicht schon besetzt wäre, hätte er auch für diesen Film von Asghar Farhadi perfekt gepasst. Eine Frau (Bérénice Bejo) holt einen Mann (Ali Mosaffa) in Paris am Flughafen ab. Aus ihrem Dialog reimt man sich nach und nach zusammen, dass die beiden verheiratet sind, seit vier Jahren getrennt, und dass er auf ihren Wunsch aus dem Iran zurückgekommen ist, für die Scheidung.

Marie möchte Samir heiraten, ihre Tochter ist dagegen, Samirs Frau liegt im Koma im Spital und Ahmad steht plötzlich mitten drin. Aber, wie zu erwarten bei Farhadi, erschliesst sich das alles Schritt für Schritt aus absolut natürlichen Dialogen heraus. Erzählt wird einmal mehr eine unmittelbare Familiengeschichte, ein Drama um Trennung und Täuschung und falsche Vorstellungen. „Cannes 13: LE PASSE von Asghar Farhadi“ weiterlesen

Cannes 13: TIAN ZHU DING – A Touch of Sin – von Zhangke Jia

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Ein Hauch von Sünde? Der Titel könnte mit der gleichen Ironie auch For a Fistful of Renminbi lauten. Jia Zhangke ist mittlerweile ein Veteran der politisch bissigen chinesischen Filme, und dieser hier beisst nach allen Seiten. Gleichzeitig ist das ein enorm unterhaltsames Stück chinesischer Gegenwartsbewältigung, hundertunddreiunddreissig Minuten mit Power.

Im Prinzip zeigt uns Jia Zhangke all das, was wir vom modernen, sich rasend schnell umbrechenden China zu wissen glauben. Vom gnadenlosen Kampf aller gegen alle, der Aufsteiger gegen die Kleinen und Armen, von skrupellosen Funktionären bis zu den Sexworkern und den Massenfabriken ist alles da. Und alles schlagend, schreiend ungerecht. Und dieser ganzen Ungerechtigkeit stellt der Film die Rachephantasie gegenüber, den blutigen Ausbruch der Ausgebeuteten. „Cannes 13: TIAN ZHU DING – A Touch of Sin – von Zhangke Jia“ weiterlesen

Cannes 13: THE BLING RING von Sofia Coppola

Emma Watson (Mitte) und ihre Mitstreiterinnen
Emma Watson (Mitte) und ihre Mitstreiterinnen

Wohlstandsverwahrloste Teenager, welche in Beverly Hills die Villen ihrer Idole ausräumen … das hat doch seinen Reiz. Jedenfalls wurden die tatsächlichen Mitglieder des von den Medien so genannten „Bling“-Rings zu Facebook-Berühmtheiten. Ein Grund für Sofia Coppola, ihren Protagonistinnen erfundene Namen zu geben. Sie habe verhindern wollen, so die Regisseurin heute an der Pressekonferenz in Cannes, dass sie mit ihrem Film noch zum zweifelhaften Ruhm der Kids beitrage.

Die Sorge muss sie sich wohl nicht machen, die Jugendlichen dieses Films weisen – mit Ausnahme des Jungen im Bunde – wenig sympathische Züge auf. Es sind oberflächliche, labelversessene egoistische Hühner, und ihr Vokabular macht den Film in seinen ersten zwei Dritteln zur Tortur: Oh My God… amazing… totally. „Cannes 13: THE BLING RING von Sofia Coppola“ weiterlesen