Cannes 13: JEUNE ET JOLIE von François Ozon

Marine Vacth, Titelheldin
Marine Vacth, Titelheldin

Frankreichs Wunderkind François Ozon kommt in die Jahre. Fleissig wie Woody Allen produziert er jährlich einen Film, und jedes mal lässt er eine Familie anders taumeln. Nun ist es vielleicht ein wenig paradox, ausgerechnet Ozon Altmännerphantasien zu unterstellen – aber sein neuer Film lebt zu guten Teilen davon. Im Zentrum steht die etwas scheue, aber experimentierfreudige siebzehnjährige Isabelle, die sich nach ihrer Entjungferung durch einen jungen Deutschen in der Sommerfrische rasch zu einem heimlichen Callgirl mausert, mit eigenem Webauftritt. Sie studiert an der Sorbonne und besucht am Nachmittag Hotelzimmer.

Die erste Einstellung des Films ist der Blick eines Voyeurs durch einen Feldstecher auf Isabelle am Strand. Wie sich herausstellt, steht hinter dem Binokular Isabelles jüngerer Bruder Victor, von François Ozon als eine Art Selbstporträt des Künstlers als Knabe angelegt. Das ist alles mindestens so hübsch inszeniert wie das Gesicht und der Körper der schönen Marine Vacth, mit demonstrativem Gespür für die Sehnsüchte und Nöte einer erwachenden Frau … oder dem, was ich als Mann da allenfalls vermute.

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Cannes 13: HELI von Amat Escalante

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Es kommt selten vor, dass das abgebrühte professionelle Medienpublikum im Wettbewerb von Cannes erschreckt aufstöhnt im Kino. Und bei diesem mexikanischen Drama passiert das zwar im richtigen Moment, aber aus dem falschen, oder zumindest dem weniger angemessenen Anlass. Als nämlich ein maskierter bewaffneter Polizist einer Spezialeinheit der zwölfjährigen Estela ihren weissen Hundewelpen aus der Hand nimmt und ihm den Hals umdreht. Zuvor haben die Polizisten schon Estelas Vater erschossen – auf der Suche nach zwei Paketen Kokain.

Heli ist der ältere Bruder von Estela und er trägt indirekt die Schuld. Denn er hat das im Wassertank auf dem Dach versteckte Kokain gefunden und iin einem Wasserloch versenkt. Deponiert hat es der Freund der Zwölfjjährgen, ein nicht viel älterer Polizeikadett. Heli ist ein mexikanischer Film, eine Geschichte rund um die unglaubliche Gewalt in dem Land. Und ein Film, der deutliche Spuren des Einflusses von Carlos Reygadas aufweist.

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Cannes 13: THE GREAT GATSBY von Baz Luhrmann

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Ja, ja, ja. Jay Gatsby ist eine romantische Figur. Er ist der amerikanische Selfmade-Man. Und seine Parties sind meinetwegen mega. Sagte ja F. Scott Fitzgerald selber, allerdings eleganter. Es ist ja auch gar nichts dagegegen einzuwenden, wenn Baz Luhrmann Wege findet, das Spektakel spektakulärer zu machen, das Roaring der Roaring Twenties röhrender und die tragische Figur Gatsby heldenhafter.

Mein Problem mit dieser 3D-Sause ist ganz einfach, dass sie mich kalt lässt. Kälter als Moulin Rouge von 2001, wo Ausstattung und schiere Opulenz noch genügten, um die dünne Figurenzeichnung zu kaschieren. Aber jetzt ist einfach alles zu viel und davon zu wenig. „Cannes 13: THE GREAT GATSBY von Baz Luhrmann“ weiterlesen

Cannes 13: Day Zero

Cannes Beach Buildup

Dienstag vor Festivalbeginn in Cannes. Überall wird aufgebaut, die Stadt sieht aus wie eine Messe kurz vor Eröffnung – aber die Touristen sind schon da, und die meisten der Profis auch.

Zur Vorfreude gesellt sich der Genuss der letzten Sonnenstrahlen, denn vom Mittwoch an soll das Wetter nicht nur nass werden, sondern stürmisch. Das passt zu Baz Luhrmans Neuinterpretation von The Great Gatsby, mit der das Festival eröffnet wird. Aber anders als in den letzten Jahren nimmt man die Sturmwarnungen offenbar ernst. Im Palais des festivals hängt ein Bauausschrieb, der ankündigt, dass das Pavillondörfchen Riviera zwischen Palais und Meer höher gelegt werden soll: Das Meer hat doch ein paar Mal ziemlich gewütet. Und auch die Betreiber der noblen Beach-Restaurants sind vorsichtiger geworden. Wo andere Jahre der Strand vom Tisch direkt in die Bucht abfiel, wurden heuer richtige kleine Dämme aus Sand aufgeschüttet: „Cannes 13: Day Zero“ weiterlesen