Desillusionierte Männer, und somit Väter und Söhne, ziehen sich durch das türkische Universum von Nuri Bilge Ceylans grossen Würfen.
Sinan (Dogur Demirkol) ist wieder so ein Sohn. Mit Anfang zwanzig deutlich jünger als seine Vorgänger, aber ebenfalls in der ersten Einstellung mit Brille und Tee hinter der Scheibe eines Teehauses zu sehen, dann entlang dem Hafen gehend.
Fünfundzwanzig Jahre hat Terry Gilliam gebraucht, um diesen Film endlich auf die Beine zu stellen. Zwei Hauptdarsteller sind in dieser Zeit gestorben, John Hurt und Jean Rochefort. Ihnen ist der Film gewidmet, in dem nun Jonathan Pryce und Adam Driver sich die Titelrollen teilen. Pryce ist Don Quixote, Adam Driver der Regisseur, der daran schuld ist. Terry Gilliam sind sie beide.
Ayka ist eine junge Kirgisin in Moskau. Sie wohnt in einem jämmerlichen Haus, das der Besitzer kojenweise an illegale Arbeitssuchende vermietet. Aber das erste, was wir von ihr sehen, ist ihr neu geborenes Kind.
Beziehungsweise gleich vier Kinder, gebündelt und eingewickelt auf einem Wagen werden sie von einer Schwester der Entbindungsstation ins Zimmer mit den Müttern geschoben. Vier unterschiedliche winzige Gesichter sehen wir in Aufsicht, eines schlafend, eines skeptisch, eines wirkt uralt und unglücklich. „Cannes 18: AYKA von Sergei Dvortsevoy (Wettbewerb)“ weiterlesen
Dieser Film stellt harte Anforderungen, sowohl subjektiv wie auch objektiv. Er setzt die lange Reihe von Kinderschicksals-Epen fort, die auf der härteren Seite von Hector Babencos Pixote (1981) geprägt sind, auf der weicheren von Wohlfühl-Elend im Stil von Slumdog Millionaire (2008).
Die ersten Einstellungen dieses Film sind hinreissend. Und sie spiegeln eine invertierte Sequenz gegen Ende der Geschichte, welche wiederum die eigentlich «raison d’être» für das Drehbuch ist. Sagt Regisseur Garrone.
Da versucht ein kleiner, etwas gebückter Mann eine zähnefletschende Kampfdogge mit einem Schrubber zu waschen. Der Hund ist angebunden in einer Blechwanne. Aber es besteht kein Zweifel, dass dieser Marcello (Marcello Fonte) innert Sekunden zerrissen würde, wäre der Hund frei. „Cannes 18: DOGMAN von Matteo Garrone (Wettbewerb)“ weiterlesen
Auch Kurzgeschichten brauchen ihre Zeit. Jedenfalls hat der Südkoreaner Lee Chang-dong aus Haruki Murakamis Short-Story «Barn Burning» einen 148minütigen Mystery-Thriller gemacht, der fesselt und verwirrt.
Lee Jong-soo (Ah-in Yoo) schlägt sich in Seoul durch. Eigentlich möchte er einen Roman schreiben, aber er hat keinen Stoff und keine Idee. Da spricht ihn vor einem Warenhaus eine der jungen Frauen an, die lächelnd und tanzend Lotterie-Tickets verteilen, um Kunden anzulocken. „Cannes 18: BURNING (Beoning) von Lee Chang-dong (Wettbewerb)“ weiterlesen
Nachdem ihm der Erfolg seines überraschenden, minimalistischen Horrorfilms It Follows (2014) den Zugang zu einem grösseren Budget ermöglicht hat, lässt David Robert Mitchell in seinem dritten Film alles auf einmal los, was er sich als künstlerischen Wurf erträumt hat.
Mit La loi du marché hat Stéphane Brizé 2015 in Cannes begeistert, sein Hauptdarsteller Vincent Lindon hat den Darstellerpreis gewonnen. Die hauptsächlich mit Laien gedrehte Geschichte um Arbeitslose und ihren Kampf um Würde und Verdienst hatte eine ungewohnte, kühle Unmittelbarkeit, fern der Klassenkampfromantik eines Ken Loach. Aber klar die gleichen Sympathien.
Nun hat das Duo Lindon/Brizé das Konzept eine Nummer höher geschraubt. En guerre nimmt seinen Titel wörtlich; wir sind dabei beim gewerkschaftlichen Kampf gegen die Schliessung einer Autofabrik in Frankreich. „Cannes 18: EN GUERRE von Stéphane Brizé (Wettbewerb)“ weiterlesen
Sieben Jahre nach seiner Verbannung aus Cannes ist Lars von Trier zurück. Nicht im Wettbewerb, sondern ausser Konkurrenz, wo er auch keine Pressekonferenz geben muss.