Cannes 18: BLACKKKLANSMAN von Spike Lee (Wettbewerb)

Adam Driver, John David Washington © Universal 

Der seit langem wildeste Spike-Lee-Joint ist knapp über zwei Stunden lang und totally fo’real. Die Geschichte des afro-amerikanischen Polizeidetektivs, der den Ku-Klux-Klan infiltriert hat, und beinahe zum Präsidenten der lokalen Vereinigung wurde, basiert angeblich auf Fakten.

Denzel Washingtons Sohn John David Washington spielt diesen Ron Stallworth, den ersten schwarzen Polizeidetektiv seiner Einheit, und bald schon Partner von Adam Drivers Flip, dem jüdischen Polizisten der Intelligence-Einheit. „Cannes 18: BLACKKKLANSMAN von Spike Lee (Wettbewerb)“ weiterlesen

Cannes 18: SHOPLIFTERS (Manbiki kazoku) Hirokazu Kore-Eda (Wettbewerb)

Die Shibatas mit der kleinen Juri © Gaga Int.

Es ist offensichtlich, dass hier ein eingespieltes Team am Werk ist, wenn in der ersten Szene des Films Vater Osamu mit Sohn Shota im Supermarkt auf Einklautour geht: Beobachten, signalisieren, ein kleines Fingerritual von Shota und hopp ist eine weitere Packung Nudeln im Rucksack verschwunden.

Auf dem Heimweg stossen sie auf einem tiefliegenden Balkon wieder auf das kleine Mädchen, das Osamu schon mehrfach in der Kälte hat frieren sehen. Er beschliesst, sie zum aufwärmen mitzunehmen und sie folgt dankbar. Auch wenn die winzige Wohnung mit fünf Menschen völlig überfüllt wirkt Nobuyo ihrem Mann erklärt, das sei den kein Obdachlosenheim hier… „Cannes 18: SHOPLIFTERS (Manbiki kazoku) Hirokazu Kore-Eda (Wettbewerb)“ weiterlesen

Cannes 18: LAZZARO FELICE von Alice Rohrwacher (Wettbewerb)

Adriano Tardiolo © filmcoopi

Vor vier Jahren schon hat Alice Rohrwacher das ländliche Italien durch einen Märchenspiegel betrachtet, mit Le meraviglie. Das war noch ironisch gebrochen über eine Fernsehshow. Ihr jüngster Wettbewerbsbeitrag hier in Cannes dreht das alles noch etwas weiter.

Lazzaro felice ist märchenhaft und zeitübergreifend, eine laizistische Heiligenlegende, kombiniert mit einer retrostalgischen und später brandaktuellen Kapitalismussatire. Vor allem aber: Überbordend italienisch, wie schon lange kein Film mehr aus dem Land. „Cannes 18: LAZZARO FELICE von Alice Rohrwacher (Wettbewerb)“ weiterlesen

Cannes 18: THREE FACES von Jafar Panahi (Wettbewerb)

Behnaz Jafari und Jafar Panahi spielen sich selbst © filmcoopi

Er darf eigentlich nicht, aber er hört nicht auf, Filme zu machen. Der Iraner Jafar Panahi umgeht ein ums andere Mal alle Hindernisse, er dreht mit minimalen Mitteln, und landet jedes Mal an einem grossen Festival. Irgendwann muss das den zuständigen Stellen in seinem Land doch auffallen?

Aber vielleicht ist es in dem Land ja so, wie die junge Marzieh (Marzieh Rezaei) ihr Dorf schildert: Man kann sich auf nichts verlassen, es gibt keine allgemeingültigen Regeln, ausser jener, mit der sich die Autofahrer auf der engen Bergstrasse via Hupsignal über den allfälligen Vortritt verständigen. Und selbst die ändern dauernd. „Cannes 18: THREE FACES von Jafar Panahi (Wettbewerb)“ weiterlesen

Cannes 18: LES FILLES DU SOLEIL von Eva Husson (Wettbewerb)

Die Töchter der Sonne mit Kommandant Bahar (Golshifteh Farahani) © Praesens Film

Kriegsfilme können nicht mehr ernsthaft heroisch sein. Dafür wissen wir längst zu viel über die Realität. Aber Eva Husson sieht die Kämpferinnen ihrer kurdischen Fraueneinheit als Heldinnen.

Aus lauter zuvor entführten, vergewaltigten, misshandelten, geflüchteten Frauen besteht die Peshmerga-Gruppe um Kommandant Bahar (Golshifteh Farahani). Sie nennen sich (nach realem Vorbild) die «Töchter der Sonne», sie kämpfen Seite an Seite zusammen mit den kurdischen Männern. Und sie haben einen psychologischen Vorteil: Ihrer Feinde von ISIS sind davon überzeugt, nicht in den Himmel zu kommen, wenn sie von einer Frau getötet werden. „Cannes 18: LES FILLES DU SOLEIL von Eva Husson (Wettbewerb)“ weiterlesen

Cannes 18: ASH IS THE PUREST WHITE – Jiang hu er nü von Jia Zhang-Ke (Wettbewerb)

Qiao (Zhao Tao) © MK2 Films

Als Jia Zhang-Ke vor fünf Jahren mit A Touch of Sin in Cannes am Wettbewerb teilnahm, wirkte der episodisch aufgebaute Film wie eine Abkehr von seinem bisherigen Werk. Zeitgenössischer, bissiger, satirisch gar.

Aber nun macht er einen Schritt vorwärts und zugleich einen zurück, im besten Sinn. Zhao Tao, seine Schauspielerin in Unknown Pleasures von 2002 spielte damals eine Frau namens Qiao Qiao. Und 2006 in Still Life, der vor dem Hintergrund des wachsenden Drei-Schluchten-Staudamms spielte, war sie Shen Hong. Nun hat er die zwei Frauenfiguren und ihre Geschichten kombiniert und erzählt sie über etliche Jahre hinweg mit einer anderen Perspektive.

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Cannes 18: LE LIVRE D’IMAGE von Jean-Luc Godard (Wettbewerb)

Der Mythos Godard ist unzerstörbar, daran wird auch die jüngste Iteration seines späten Oeuvres nichts ändern. Fünfzig Jahre nach der Rebellion der Kinobilderstürmer in Cannes gibt sich der ewige Revolutionär so kompromisslos wie (fast) eh und je.

«Ich werde immer auf der Seite der Bombenleger sein», erklärt seine doch mittlerweile etwas brüchig gewordene Autoritätsstimme sinngemäss im Verlauf seiner jüngsten Bild- und Ton-Kaskade. „Cannes 18: LE LIVRE D’IMAGE von Jean-Luc Godard (Wettbewerb)“ weiterlesen

Cannes 18: COLD WAR (Zimna wojna) von Paweł Pawlikowski (Wettbewerb)

Joanna Kulig (Zula) und Tomasz Kot (Viktor) in ‚Zimna wojna‘ © filmcoopi

Mit Ida, seiner in wundervollem Schwarzweiss erzählten Geschichte einer angehenden Nonne in Polen gewann Pawlikowski 2014 den Oscar. Ida war weniger eine Geschichte um Glauben und Vertrauen, als um Wissen und Entdecken. Die Novizin stösst, kurz bevor sie ihr Gelübde ablegen soll, auf die dunkle Familienvergangenheit in der Besetzungszeit.

Cold War, Pawlikowskis neuer Film hat einiges gemeinsam mit Ida. Wieder filmt Lukasz Zal, einer der beiden Ida-Kameramänner, in dem gleichen hypnotisch-cremigen Schwarzweiss. Das Bild ist im klassischen Akademie-Format und erinnert damit an die Zeit, in der die tragische, stürmische, unmögliche Liebesgeschichte von Zula und Wiktor ihren Anfang nimmt. „Cannes 18: COLD WAR (Zimna wojna) von Paweł Pawlikowski (Wettbewerb)“ weiterlesen

Cannes 18: YOMEDDINE von A.B. Shawky (Wettbewerb)

Beshay (Rady Gamal) und Obama (Ahmed Abdelhafiz) © Wild Bunch

Der Filmtitel steht auf Arabisch für das jüngste Gericht. Geisteskranke werden nicht gerichtet werden, sondern kommen direkt in den Himmel, erklärt der Arzt der ägyptischen Lepra-Kolonie einmal.

Und Beshay, die Hauptfigur des Films, versichert seinem Schützling, dem Waisenjungen Obama, dass auch ihr Esel direkt in den Himmel kommen werde, als er den Strapazen der langen gemeinsamen Reise der beiden erliegt. „Cannes 18: YOMEDDINE von A.B. Shawky (Wettbewerb)“ weiterlesen

Cannes 18: LETO (Summer) von Kirill Serebrennikov (Wettbewerb)

Mike und Natasha (Roman Bilyk, Irina Starshenbaum)

Der Regisseur ist nicht nach Cannes gekommen. Festivaldirektor Thierry Fremaux erklärte, man habe Putin persönlich darum gebeten, Kirill Serebrennikov ausreisen zu lassen. Aber, so Putin, der Mann habe Probleme mit der russischen Justiz und die Justiz sei unabhängig…

Das klingt plausibel, wenn man rechtsstaatliche Verhältnisse für das heutige Russland akzeptiert. Aber es passt auch zu Serebrennikovs jüngstem Film, der zu Beginn der 80er Jahre in der Sowjetunion spielt. „Cannes 18: LETO (Summer) von Kirill Serebrennikov (Wettbewerb)“ weiterlesen