AFTER DARKNESS von Dominique Othenin-Girard und Sergio Guerraz

Julian Sands und John Hurt in ‚After Darkness‘ © filmo

Dominique Othenin-Girard ist einer der wenigen Schweizer Regisseure, die im internationalen Filmbusiness Fuss fassen konnten. Daran war sein Erstlingsfilm von 1985 nicht unbeteiligt. After Darkness erzählt mit John Hurt und Julian Sands, zwei veritablen Stars jener Zeit, in den Hauptrollen die Geschichte zweier Brüder im Psycho-Kampf um Liebe.

John Hurt spielt den britischen Anthropologen Peter Huniger, der in Genf seinen jüngeren Bruder Lawrence nach dessen wiederholten Suizidversuchen aus der Klinik holt und mit ihm in einem alten Bürogebäude eine Art therapeutische Wohngemeinschaft aufzieht. Das geht so lange gut, bis Peters Kollegin und zeitweilige Bettgenossin Pascale (Victoria Abril fünf Jahre vor Almodóvars Átame! sie international bekannt machte) die Eifersuchtskindheitstraumata der Brüder erneut ausbrechen lässt. „AFTER DARKNESS von Dominique Othenin-Girard und Sergio Guerraz“ weiterlesen

THE UGLY STEPSISTER (Den stygge stesøsteren) von Emilie Blichfeldt

Mutter (Ane Dahl Torp) und Tochter (Lea Myren) © Memento Films

Dieses Aschenbrödel bekommt nur zwei Nüsse. Aber dafür regelmässig, und vom Stallburschen. Nein, Den stygge stesøsteren ist kein Porno. Elvira, (Lea Myren), die hässliche Stiefschwester der schönen Prinzessin Agnes (Thea Sofie Loch Næss) steht im Zentrum dieser revisionistischen Märcheninterpretation. The Ugly Stepsister ist der Film, der dem plakativen Cannes-Gewinner The Substance vorführt, wie ein wirklich mehrdimensionaler Blick auf den Machbarkeitszwang von Jugend und Schönheit funktionieren kann.

Die Norwegerin Emilie Blichfeldt war mit ihrem Abschlusskurzfilm schon am Filmfestival in Locarno. Mit ihrem ersten Langfilm fährt sie nun heftig, witzig und ziemlich drastisch ein. Dabei hat sie nicht viel mehr unternommen, als das klassische Märchen vom Aschenbrödel so wörtlich wie möglich zu nehmen, und die Perspektive von der angeblich gepiesakten schönen Unschuld zu jener der älteren Stiefschwester zu verschieben. „THE UGLY STEPSISTER (Den stygge stesøsteren) von Emilie Blichfeldt“ weiterlesen

U ARE THE UNIVERSE von Pavlo Ostrikov

Volodymyr Kravchuk in 'U Are the Universe' © True Colours Glorious Films Srl
Volodymyr Kravchuk in ‚U Are the Universe‘ © True Colours Glorious Films Srl

Andriy Melnyk (Volodymyr Kravchuk) ist ein «Space Trucker», der einsame Pilot eines Raumfrachters. Mit einer Ladung radioaktiven Abfalls ist er auf dem Weg zum Jupitermond Kallisto. Zwei Jahre hin, zwei Jahre zurück, so ist es geplant. Melnyk mag die Ruhe, selbst der zur Aufrechterhaltung der Moral auf Witzeerzählen und Schachspielen programmierte Bordcomputer ist ihm eigentlich zu viel Gesellschaft.

Aber dann explodiert, sozusagen im Rückspiegel, die Erde. Melnyk ist plötzlich der einzige Überlebende der Menschheit. Mit Galgenhumor erklärt er sich zum Herrscher über alles. Den Vorschlag des Bordcomputers, die Nahrungsvorräte im Schiff zu rationieren, weist er zurück: «Lieber sterbe ich früher an Gastritis als später vor Hunger.»

Stattdessen empfängt er einen Funkspruch, zeitversetzt um drei Stunden. „U ARE THE UNIVERSE von Pavlo Ostrikov“ weiterlesen

NIFFF 2025 – Der neue Horror: Wir, die Alten

Die Mutter, das Portal zur Hölle: Robyn Nevin in ‚Relic‘ (2020) von Natalie Erika James © Film Constellation

Die greise Mutter als Portal zum jenseitigen, unmenschlich Bösen. Das Elend und das schlechte Gewissen des Sohnes, der sie ins Altersheim fährt. Die Tochter, die ihrer Mutter vorhält, die Grossmutter aus Bequemlichkeit versorgen zu wollen: Die Motive einiger der neuen Filme, die am diesjährigen NIFFF zu sehen sind, greifen direkt auf die Ängste, den Schmerz und den Horror unserer aktuellen Gesellschaft zu.

Natürlich war das schon immer das Prinzip des wahren Schreckens. Die Ahnen mussten besänftigt werden, um nicht als Geister die nächste Generation heimzusuchen. Die plötzliche Fremdheit vertrauter Menschen spiegelte sich in den Untoten und Wiedergängern der archetypischen Menschheitsgeschichten. Die Kirche machte ihren Gläubigen zwecks Machterhalt die Hölle heiss. Die Puritaner verteufelten den Sex zwecks besserer Gesellschafts- und vor allem Frauenkontrolle. Und das alles schlug sich stets nieder im genregerechten Horrorkino. „NIFFF 2025 – Der neue Horror: Wir, die Alten“ weiterlesen

MOTHER’S BABY von Johanna Moder

Hans Löw, Marie Leuenberger © filmcoopi

Niemand ist leichter zu verunsichern, als eine Frau, die eben ihr erstes Kind bekommen hat. Die Erwartungen an sie sind enorm, Mutterglück eine zwingende Erfordernis, und die Ratschläge und Ermahnungen prasseln auf sie ein wie Sperrfeuer. Den definitiven Horrorfilm zum Thema hat ein Mann gemacht.

Aber fast sechzig Jahre nach Rosemary’s Baby (1968) holt sich eine Frau aus Österreich das Kind zurück. Mother’s Baby von Johanna Moder fährt nicht mit dem Teufel ein, die sechsundvierzigjährige Filmemacherin schichtet subtil und unaufhaltsam kleinere und grössere Ängste um Geburt und Mutterschaft zu einem postnatalen Crescendo furioso. „MOTHER’S BABY von Johanna Moder“ weiterlesen

DALLOWAY von Yann Gozlan

Cécile de France ist Clarissa in ‚Dalloway‘ © Pathé Schweiz AG

Wenn gleich zwei Drehbuchautoren und eine Autorin gemeinsam beweisen, dass sie schlechtere Dialoge hinkriegen als die gängigen Instanzen der künstlichen Intelligenz, dann war das Filmprojekt lange unterwegs. Oder nicht lange genug. Oder es steckt eine raffinierte Ironie dahinter. Aber dafür nimmt sich der ganze Film viel zu ernst.

Eigentlich hätte der Plot von Dalloway durchaus Potential für einen cleveren Thriller. Cécile de France spielt Clarissa, eine einst erfolgreiche Jugendbuchautorin, die seit dem Suizid ihres Sohnes unter Schreibblockade leidet. Darüber hinweg helfen soll ihr eine KI-Assistentin während einem längeren Aufenthalt in der futuristischen Ludovico-Kunstförderresidenz. „DALLOWAY von Yann Gozlan“ weiterlesen