WIR ERBEN von Simon Baumann

Stephanie und Ruedi Baumann © filmcoopi

Nach zwei Dritteln dieses Dokumentarfilmes fällt dieser hinreissende Halbsatz, der uns, unser Land, die Schweiz, in perfekter Offenheit erfasst:

«Die angeri Mehrheit…»

Die «andere Mehrheit», also jene Hälfte der Beteiligten, deren Meinung knapp unterlegen ist, deren Stimmen ein winziges bisschen weniger zum Tragen gekommen ist. In dieser anderen Mehrheit findet sich in unserer Demokratie immer wieder (fast) die Hälfte der sogenannten «Stimmbevölkerung». „WIR ERBEN von Simon Baumann“ weiterlesen

LE PROCÈS DU CHIEN von Lætitia Dosch

Lætitia Dosch und Kodi le chien © Pathé Films AG

Als Schauspielerin ist Lætitia Dosch eine Naturgewalt und schon lange auf der Leinwand. Ihre erste sichtbare Rolle war klein, als Schwester einer der Hauptfiguren in Frédéric Mermouds Complices von 2009. Da war Dosch schon 29 Jahre alt. Aber seither hat sie unaufhaltsam gespielt, in 46 Filmen bis heute, und seit Léonore Serailles Jeune femme von 2019 ist sie ein etablierter Teil des französischsprachigen Kinos.

Sie spielte sehr unterschiedliche Rollen von scheu bis exaltiert. Aber als Persönlichkeit, wie sie etwa in Interviews oder bei öffentlichen Auftritten zu erleben ist, ist sie ein fröhliches, offenes Energiebündel und damit sehr nahe an der Rolle, die sie sich für ihren erste eigene Regiearbeit selbst auf den Leib und die Seele geschrieben hat. „LE PROCÈS DU CHIEN von Lætitia Dosch“ weiterlesen

WHEN WE WERE SISTERS von Lisa Brühlmann

Carlos Leal, Malou Mösli, Paula Rapaport © filmcoopi

«Versprichst Du mir, dass Du mir das nicht wieder versaust?»

Das fragt Mutter Monica (Lisa Brühlmann) ihre fünfzehnjährige Tochter Valeska (Paula Rapaport), bevor sich die beiden auf den Weg machen, um mit Monicas neuem Freund und dessen Tochter Lena (Malou Mösli) nach Griechenland in die Ferien zu fahren.

In diesem einzigen verzweifelten Appell steckt das ganze Drama dieses Films, offen auf den Tisch gelegt, in den ersten Minuten. „WHEN WE WERE SISTERS von Lisa Brühlmann“ weiterlesen

BISCUIT TIN BLUES von Jack Rath

Jack Rath und Michael Ferguson in ‚Biscuit Tin Blues‘

Manchmal gibt es nichts Schöneres, als sich in den bittersüssen Erinnerungen von jemand anderem wiederzufinden. Dieses unwahrscheinlich zu Herzen gehende, semi-stationäre Berliner Roadmovie weiss nicht nur, was Sehnsucht sein sollte. Es versteht sich auch darauf, damit lakonisch zu zündeln.

Kell (gespielt von Regisseur Jack Rath) ist ein alternder Rockmusiker aus Australien, der in Berlin hängen geblieben ist. Zu Beginn des Films treffen wir ihn unter einem Mischpult in seinem Tonstudio, das ihm nicht mehr gehört, weil es, wie so vieles in Berlin, Pleite gegangen ist. „BISCUIT TIN BLUES von Jack Rath“ weiterlesen

BILDER IM KOPF von Eleonora Camizzi

© am Limit GmbH

Ist es «paranoide Schizophrenie»? Vincenzo Camizzi, genannt «Vinci», erklärt seiner Tochter, er habe eine Diagnose. Das heisst: Er hat eine bekommen, vor vielen Jahren. Mit dem Label, den Wörtern, war und ist er nicht einverstanden.

Viel später in diesem schlichten, hinreissenden Dokumentarfilm wird er einmal erklären, was abgeht, wenn die Bilder im Kopf seine Wahrnehmung bestimmen. Da seien fünf Typen lautstark am Streiten miteinander. Alle seien Diktatoren. Und alle sähen sie aus wie er. „BILDER IM KOPF von Eleonora Camizzi“ weiterlesen

IM SCHATTEN DER TRÄUME von Martin Witz

Zarah Leander, © Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung

«Ich weiss, es wird einmal ein Wunder geschehen» … den Satz zu lesen, das heisst, die Melodie zu hören. Mit dem unverkennbaren tiefen Timbre von Zarah Leander. Oder vielleicht auch mit der exaltierten Phrasierung von Nina Hagen.

Das Lied sang Zarah Leander im Nazi-Propaganda-Film Die grosse Liebe von 1942, einem der grössten Publikumserfolge aus Goebbels‘ Unterhaltungsmaschinerie. Die Regie hatte Routinier Rolf Hansen. Aber den grossen Hit, das Lied, das hatte ein Duo geschrieben, dessen Namen heute nicht mehr so geläufig sind: „IM SCHATTEN DER TRÄUME von Martin Witz“ weiterlesen

SUSPEKT von Christian Labhart

Bernard Rambert © cineworx

Das definierende Zitat in diesem Dokumentarfilm stammt nicht von seinem Protagonisten, dem Strafverteidiger Bernard Rambert:

«Ein brillanter Strafverteidiger ist jemand, der Erfolg hat, weil er nach Lösungen sucht. Das heisst, er arrangiert sich mit der Justiz. Das will ich nicht. Ein Anwalt, der sich mit der Justiz arrangiert, hat für mich keinen Wert.»

Die Aussage stammt vom Schweizer «Ausbrecherkönig» Walter Stürm, als Antwort auf die Frage eines Journalisten, warum er stets linke Anwälte bevorzuge, statt sich einfach einen brillanten Verteidiger zu suchen.

Stürm war einer von den vielen Klienten, welche dem jungen Juristen Bernard Rambert den Übernamen «der Rote Beni» eingetragen hatte. Klienten wie Petra Krause oder Marco Camenisch, die von der staatlichen Justiz dem RAF-Terror zugeordnet wurden. „SUSPEKT von Christian Labhart“ weiterlesen