GHOSTLIGHT von Kelly O’Sullivan & Alex Thompson

Romeo und Julia (Keith Kupferer, Dolly De Leon) © Sister Distribution

Reverse Engineering’ nennt man das Analysieren und Nachbauen von Algorithmen. Schauspielerin und Regisseurin Kelly O’Sullivan hat genau das mit Shakespeare versucht. Das Resultat ist Ghostlight, der kühne, im Resultat rührende, aber auch irgendwie absurde Versuch, ‘Romeo & Julia’ auf relevante Weise im Leben einer realen Familie zu verankern.

Dan ist Strassenbauarbeiter in Waukegan, Illinois. Seit dem Tod ihres Sohnes kämpfen er und seine Frau Sharon nicht nur mit ihrer Trauer, sondern auch mit den disziplinarischen Problemen ihrer Tochter Daisy. Eher zufällig gerät der verschlossene Dan an eine Amateurtheatertruppe, welche Shakespeares ‘Romeo & Juliet’ einstudiert. Und noch zufälliger geht schliesslich ausgerechnet die Rolle des Romeo an ihn, weil die Julia-Darstellerin Rita (Dolly De Leon) wie er schon im fortgeschrittenen Alter ist.

Natürlich gibt es keine Zufälle in Spielfilmen. Kelly O’Sullivan hat hier sorgfältig die Fäden ihres Drehbuches um unzählige Momente gewunden und den Film auch gleich zusammen mit ihrem Lebenspartner Alex Thompson inszeniert. Keith Kupferer, der Darsteller des Dan, und seine Frau Tara Mallen, welche Dans Frau Sharon spielt, sind auch im wahren Leben die Eltern ihrer Filmtochter Daisy (Katherine Mallen Kupferer). „GHOSTLIGHT von Kelly O’Sullivan & Alex Thompson“ weiterlesen

MOTHER MARA (Majka Mara) von Mirjana Karanović

Mara (Mirjana Karanović) und Milan (Vučić Perović) © cineworx

Mirjana Karanović war 2006 Das Fräulein für Andrea Štaka, international bekannt wurde sie aber schon 1985 mit Emir Kusturicas Durchbruch Papa ist auf Dienstreise. 2016 realisierte sie ihren ersten Spielfilm als Regisseurin, A Good Wife (Dobra Žena), und spielte auch gleich selbst die Titelrolle. Für ihren zweiten eigenen Spielfilm hat sich die vielbeschäftigte Schauspielerin Zeit lassen müssen.

Dafür ist Andrea Štaka als Produzentin an Bord bei Majka Mara, die beiden Frauen sind befreundet, nach Das Fräulein war Karanović auch in Štakas Cure und Mare als Schauspielerin dabei. Zu den Filmen, welche sie als Kinogängerin entscheidend geprägt hätten, zählt Mirjana Karanović Liliana Cavanis Il portiere di notte (1974), Andrea Arnolds Fish Tank von 2009 und Štakas Das Fräulein. „MOTHER MARA (Majka Mara) von Mirjana Karanović“ weiterlesen

Locarno 17: CHARLESTON von Andrei Cretulescu (Wettbewerb)

Radu Iacoban, Serban Pavlu © Versatile

Der Film, der im Abspann Ioana gewidmet ist, beginnt mit dem Unfalltod eben dieser Ioana. Ein paar Schnitte weiter stehen wir mit ihrem Ehemann Alexandru am Grab, unpassende Musik im Ohr. Bis ein älterer Herr an ihn herantritt und etwas fragt. Da nimmt Alexandru einen Stöpsel aus dem Ohr und die Musik setzt aus.

Auf dem Heimweg lernen wir Alexandru als schweigsamen, lakonisch-schlagfertigen und trinkfesten Mann kennen. Er füttert die Katze auf dem Küchentisch, lässt aber das Telefon unter dem Sessel läuten. Erst als es an der Wohnungstür klingelt, geht er öffnen. Und als der bebrillte, beschnautzte junge Mann draussen sich als Liebhaber seiner verstorbenen Frau vorstellt, streckt er ihn wortlos mit einem Faustschlag nieder. „Locarno 17: CHARLESTON von Andrei Cretulescu (Wettbewerb)“ weiterlesen