Bei Walt Disney bin ich bisher davon ausgegangen, dass seine angeblichen Sympathien für totalitäre Ideologien, bzw. seine Kommunisten-Paranoia ihn dazu bewegt hatten, sich zumindest mit seinen Produktionen aus der Politik raus zu halten. Ohne weitere Recherche nahm ich daher an, dass Disney seiner Maxime „no politics“ in der Produktion treu geblieben ist. Jedenfalls soll er sich Erich Kästner gegenüber so geäussert haben, als dieser ihm vorschlug, seine „Konferenz der Tiere“ zu animieren. Zumindest glaube ich mich an eine entsprechende Passage in Carl Zuckmayers Memoiren „Als wärs ein Stück von mir“ zu erinnern. Aber dieser Donald-Duck-Cartoon, den ich eben via BoingBoing entdeckt habe, belehrt mich eines besseren. Der Kurzfilm von Jack Kinney war ein Teil des war efforts der Disney Company und gewann offenbar 1942 einen Oscar. Ich wusste, dass der grösste Teil der Hollywood-Studios sich, ausgehend von Frank Capras Initiative und Beteiligung an der der Why We Fight-Serie in den Dienst der staatlichen Kriegspropaganda gestellt hat. Dass aber auch Disney und seine Leute schliesslich massiv involviert waren, ist mir neu. Mehr dazu findet sich hier in den Hollywood-Archiven der ASIFA, der internationalen Vereinigung für den Animationsfilm.
Animation vs. Live Action an der LIAA
In Luzern traf sich diese Woche die Crème de la crème der Animationsfilmszene zur Lucerne International Animation Academy LIAA. Weil ich mit regulärer Radioarbeit eingedeckt war, habe ich Szene-Stars wie die Brothers Quay oder Priit Pärn aus Talinn verpasst, aber auch etliche der angefressenen Theoretiker und Praktiker aus den Schulen und Studienzentren. Gestern nun habe ich es doch noch ins Bourbaki-Kino geschafft, zu einer etwas handgestrickten Selbst-Präsentation der Animationsabteilung der Hochschule Luzern (die sich mit der Organisation der LIAA ein professionelleres Zeugnis ausgestellt hat als mit dieser Plauderrunde), vor allem aber zu einer nicht ganz klar definierten, dafür um so anregenderen Veranstaltung mit den beiden Animationsfilmprofis Gil Alkabetz (u.a. Potsdam-Babelsberg) und Jerzy Kucia aus Krakau.
Um die specifics of storytelling and dramaturgy in animation sollte sich der Dialog der beiden drehen. Tatsächlich bewegte sich das Ganze dann aber in eine weitaus spannendere Richtung: Was unterscheidet die Rezeption von Animation und von Live Action? Schon die Arbeitsthese von Alkabetz hatte es in sich: Animation funktioniere grundsätzlich metaphorisch, es sei fast unmöglich, mit den Mitteln des Animationsfilms etwas zum Nennwert (oder Schauwert) darzustellen. Was heisst das nun?
Filmpodcast Nr. 154: Mary & Max, The Informant, Wende und Film.
Hier ist Kino im Kopf, heute mit Brigitte Häring. und mit diesen Filmen: Hannes Nüsseler stellt den zauberhaften Knetmännchenfilm Mary & Max vor, Michael Sennhauser hat den neuen Soderbergh-Film The Informant gesehen. Zum 20. Wendejubiläum hat sich Sennhauser überdies mit Nicole Reinhard vom Stadtkino Basel und mit Beat Schneider vom Zürcher Kino Xenix über den DDR-Film unterhalten. Dazu gibt’s wie gewohnt das Tonspurrätsel – und unsere 5 Tipps zu den Filmen, die Sie nicht verpassen sollten.
Saugen: Filmpodcast Nr. 154
Hören:
Den Filmpodcast können Sie via iTunes oder direkt abonnieren; die entsprechenden Links finden Sie auch oben rechts im Blog.
„Filmpodcast Nr. 154: Mary & Max, The Informant, Wende und Film.“ weiterlesen
Fantoche 2009 – Ein Erfolg
Ich bin im Vorstand des Schweizer Animationsfilmfestivals Fantoche und habe darum auf Berichterstattung verzichtet. Gestern Abend ging das diesjährige Animationsfest erfolgreich zu Ende, und das Leitungsteam Duscha Kistler und Andrea Freund konnte stolz auf einen neuen Besucherrekord mit 31’000 Eintritten verweisen. Detaillierte Filmbesprechungen und mehr zu Fantoche 2009 gibt es im Blog von Thomas Hunziker, der übrigens auch den Fantoche-Förderverein präsidiert und damit sozusagen der offizielle oberste Fan von Fantoche ist. Nach dem Sprung folgen die Preisträger und der Link zum Schlusscomunique.
Gespräch mit den Fantoche-Frauen
Heute beginnt in Baden das Animationsfilmfestival Fantoche. Es ist die siebte Ausgabe und die letzte, welche über zwei Jahre hinweg vorbereitet wurde. Wie alles in der Filmwelt hat sich auch der Animationszyklus beschleunigt, und Fantoche trägt dem Rechnung, indem das Festival ab sofort jährlich stattfindet. Kollegin Brigitte Häring hat die beiden Leiterinnen Duscha Kistler und Andrea Freund getroffen und mit ihnen über das Programm, die Vorbereitungen und ihre persönlichen Lieblinge im Angebot gesprochen.
Download MP3 (11.4 MB) Hören:
Locarno 09: Anime Spezialist Jonathan Clements & Musikproduzent Manfred Eicher
Das war unsere heutige Sendung von der Piazza in Locarno: Der Anime-Spezialist Jonathan Clements befasst sich wissenschaftlich mit dem Thema rund um Roboter, Kriegswaffen und Fantasy. Ruhigere Töne verfolgt Musikproduzent Manfred Eicher. Das Filmfestival Locarno zeigt einen Dokumentarfilm über sein Schaffen. Für Clements, einen der wichtigsten westlichen Anime-Spezialisten, sind Animefilme ein Fenster in die fremde japanische Kultur. Die Ausweitung der einstigen Kindermärchen auf den internationalen Markt empfindet er nicht nur positiv – für Clements besteht die Gefahr, dass das spezifisch «Japanische» verloren geht.
Download MP3 (12 MB) oder Hören:
„Locarno 09: Anime Spezialist Jonathan Clements & Musikproduzent Manfred Eicher“ weiterlesen
Locarno 09: First Squad: ‚The Moment of Truth‘ von Yoshiharu Ashino, Aljoscha Klimov, Misha Shprits
First Squad: The Moment of Truth ist ein Filmhybride in mehrfacher Hinsicht. Die russisch-japanisch-kanadische Gemeinschaftsarbeit vereinigt populäre russische Kriegs- und Widerstandsmythen mit japanischer Anime-Technik auf hohem Niveau. Im Zentrum der Geschichte steht eine Gruppe toter Teenager-Agenten, also eigentlich Geister, welche von der einzigen Überlebenden der einst eingeschworenen Spezialeinheit Jugendlicher mit paranormalen Fähigkeiten zum Kampf gegen eine Horde germanischer Zombies aus dem frühen Mittelalter geholt werden. Diese Zombies unter der Führung des ruchlosen Barons von Wolff wurden von der geheimen SS-Einheit „Ahnenerbe“ reaktiviert im Kampf gegen die rote Armee im Winter 1942. – Ja, ich weiss. Aber tatsächlich ist es diese überbordende Fantastik, welche diesem Film eine spezielle Aura verleiht.
Preise für Schweizerinnen in Annecy
von Rolf Bächler
Am 33. Internationalen Animationsfestival in Annecy, das am Samstag vor einer Woche zu Ende ging, wurde La nymphe et l’épicier („Die Nymphe und der Krämer“) der Schweizerin Marina Rosset im Rahmen des Wettbewerbs für Kurzfilmprojekte ausgezeichnet.
Marina Rosset, 1984 in Lausanne geboren, studierte Animation erst an der „ENSAV La Cambre“ in Brüssel und danach an der Hochschule Luzern – Design & Kunst, wo sie vor 2 Jahren ihr Diplom machte. Schon ihre drei Filme aus der Studienzeit fanden mit dutzenden von Festivalteilnahmen rund um die Welt grosse Beachtung und wurden mehrfach ausgezeichnet. La nymphe et l’épicier ist ihr erstes Projekt als freie Animationsschaffende nach dem Studienabschluss. „Preise für Schweizerinnen in Annecy“ weiterlesen
Cannes 09: Up!
Ein Pixar-3D-Film als Eröffnung für das prestigeträchtigste Festival der Welt? Die Geschichte eines alten Mannes, der mit seinem Haus davonfliegt? So richtig kribbelig wurde niemandem beim Gedanken daran. Aber der Film hält deutlich mehr, als sich viele Besucher hier in Cannes versprochen haben. Natürlich steht er auch für eine technologische Entwicklung, für das neue digitale (3D-) Kino. Aber er steht auch für die Erneuerung, welche John Lasseters Pixar-Team bei Disney erwirkt hat. Der Zauber, die Magie, die Rührung und der Witz der einstigen Disney-Klassiker von Snow White bis zum Jungle Book sind bei den immer formelhafteren Produktionen längst auf der Strecke geblieben. Pixar hat wieder von vorne angefangen, seinerzeit, mit Toy Story. Das war eine technologische Revolution, aber auch eine – stillere – inhaltlich-ideologische.