ERNEST COLE: LOST AND FOUND von Raoul Peck

© trigon-film

Das Bild zeigt einen schwarzen Polizisten, der einen schwarzen Jungen massregelt. Die Frauen im Hintergrund schauen besorgt zu, der weisse Schnauzträger rechts im Bild, Hände in den Hosentaschen, wirkt unberührt. Die Fotografie hat Ernest Cole in seiner Heimat Südafrika gemacht, sie ist Teil seiner über zehn Jahre hinweg entstandenen Apartheid-Dokumentation «House of Bondage».

Der Fotoband machte den 27jährigen Cole 1967 fast über Nacht berühmt. Und zum Exilanten.

Raoul Peck lässt Ernest Cole seine eigene Geschichte erzählen, seine eigenen Fotos kommentieren. Zu hören ist die Stimme von LaKeith Stanfield, denn Cole ist 1990 in New York im Exil gestorben, verarmt, zerrissen von Heimweh und fast vergessen. „ERNEST COLE: LOST AND FOUND von Raoul Peck“ weiterlesen

DER EISMANN von Corina Gamma

Konrad Steffen © tellfilm

«Koni, uss dir wird nie öppis…» – Koni, aus dir wird nie etwas werden. Das habe einer seiner Lehrer dem jungen Konrad Steffen prophezeit, erzählt seine Schwester Rose-Marie Stouder-Steffen. Und sein Jugendfreund Vincenzo «Vinci» dal Vesco erinnert sich zufrieden daran, dass Koni und er in der Schulzeit gemeinsam viel Blödsinn gemacht hätten. Die Zahnlücke auf dem Kinderfoto von Koni sei wohl nicht dem natürlichen Ausfall eines Milchzahns geschuldet gewesen, sagt die Schwester. Der Koni, der sei immer schon ein Draufgänger gewesen.

Als der 68jährige Konrad Steffen am 8. August 2020 in der Nähe seiner Forschungsstation in Grönland verschwand, war das ein Schock, nicht nur für seine Freunde und seine Familie, sondern für die halbe Welt. Denn aus Koni war eben nicht nichts geworden, sondern ein weltbekannter Eisforscher, ein Glaziologe, der Mann, der mit seinem Charisma, seiner Leidenschaft für das ewige Eis und mit seinem Auftreten den Klimawandel unaufgeregt, aber belegbar ins öffentliche Bewusstsein gerückt hatte. „DER EISMANN von Corina Gamma“ weiterlesen

THE LAST SHOWGIRL von Gia Coppola

Shelly (Pamela Anderson) © filmcoopi

Dreissig Jahre liegen zwischen Paul Verhoevens Camp-Kult-Satire Showgirls und Gia Coppolas The Last Showgirl. Beide Filme setzen auf Hollywoods spezifische Variante des amerikanischen Traums, auf die Machbarkeit des Imaginierten, die Projektion des Wunsches als Manifestation einer eigenen Wirklichkeit. Und beide Filme nutzen die reale Manifestation dieses «fake it till you make it», die artifizielle Stadt der Show und des Gamblings, Las Vegas.

Beide Filme sind Bestandesaufnahmen der us-amerikanischen Realität, Showgirls jene der gnadenlos egoistischen Rücksichtslosigkeit im Kampf um Erfolg. Und The Last Showgirl zu dem, was die US-Gesellschaft selbst dann noch am Leben hält, wenn alle Versprechen gebrochen wurden: ein Gefühl der Verbundenheit im gemeinsamen Scheitern. „THE LAST SHOWGIRL von Gia Coppola“ weiterlesen

LES COURAGEUX von Jasmin Gordon

Jule (Ophélia Kolb), Claire (Jasmine Kalisz Saurer) © outside the box

Jule hat drei Kinder und viele Probleme. Sie hat kein Geld, kaum Einkommen, eine kleinkriminelle Vergangenheit und dazu den unbändigen Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Das wäre überall auf der Welt schwierig, zumal sie eben so entschlossen ist, ihren Kindern nichts als Normalität und Familienfrieden zu bieten.

Noch schwieriger aber gestaltet sich das im Rhonetal im unteren Wallis, in der Kleinstadt in dieser Talweite, wo dann doch alles an solide Grenzen stösst, auch die Geduld der sozialen Institutionen. „LES COURAGEUX von Jasmin Gordon“ weiterlesen

UN OURS DANS LE JURA von Franck Dubosc

Franck Dubosc, Benoît Poelvoorde, Joséphine de Meaux © JMH

«Drei Leichen sind da drin. Einer hat Schnittwunden im Gesicht, die anderen sind mit Honig überzogen. Einer wurde aufgespiesst. Sein Bauch durchbohrt. Abdomen geplatzt!» „UN OURS DANS LE JURA von Franck Dubosc“ weiterlesen

NAIMA von Anna Thommen

© First Hand Films

Naima ist der Titel des neuen Films von Anna Thommen. Naima ist auch der Name der Heldin dieses Films. Und Naima ist der Name der engsten Mitarbeiterin der Regisseurin. „NAIMA von Anna Thommen“ weiterlesen

HELDIN von Petra Volpe

Leonie Benesch © filmcoopi

Herr Leu ist seit Tagen im Spital, seit Tagen wartet er auf eine Diagnose von den Ärzten. Pflegefachfrau Floria muss ihn ein ums andere mal vertrösten. Der alte Mann macht sich vor allem Sorgen um seinen Hund. Floria schaut sich geduldig die Hundebilder auf Leus Telefon an.

Dabei hat sie gar keine Zeit. Bei Schichtantritt wurde ihr mitgeteilt, dass eine Kollegin ausfalle und kein Ersatz da sei. „HELDIN von Petra Volpe“ weiterlesen

ON BECOMING A GUINEA FOWL von Rungano Nyoni

Susan Chardy als Shula © trigon

Man muss seiner Sache schon sehr sicher sein, um mit den ersten 15 Minuten eines Filmes vor allem Fragen aufzuwerfen.

Warum trägt die Frau mit den perfekt geschminkten Lippen am Steuer ihres Mercedes eine glitzernde Maske auf dem Kopf? Warum wirft sie bloss einen kurzen Blick auf den toten Mann, der auf der nächtlichen Strasse liegt, und ruft dann nicht etwa die Polizei an, sondern ihren Vater? Warum trägt die Frau ein ballonartiges Kostüm, mitten in der Nacht, auf einer kleinen Vorortstrasse in Sambia?

Und warum nennt sie den Toten «Onkel Fred»? „ON BECOMING A GUINEA FOWL von Rungano Nyoni“ weiterlesen

MEMOIR OF A SNAIL von Adam Elliot

© Pathé Films AG

So fängt kein Disney-Film an, und auch keines der Wallace & Gromit-Animationsfeste: Das rasselnde Keuchen auf der Tonspur kommt von der sterbenden Pinky (Jacki Weaver); die Titelheldin des Films sitzt neben ihr am Bett und hält ihr die Hand.  „MEMOIR OF A SNAIL von Adam Elliot“ weiterlesen

HERETIC von Scott Beck & Bryan Woods

Mr. Reed (Hugh Grant) und die Missionarinnen Sister Barnes (Sophie Thatcher) und Sister Paxton (Chloe East) © Pathé Schweiz

Wir haben es ja lange geahnt, dass in der linkisch-charmanten Screen-Persönlichkeit des Präzisions-Comedian Hugh Grant der blanke Horror stecken muss. Und wie der Zauberer von Oz hatte er schon nach seinem ersten Erfolg mit Four Weddings and a Funeral das drängende Beichtbedürfnis eines katholischen Serientäters. „HERETIC von Scott Beck & Bryan Woods“ weiterlesen