Diesmal musste er nicht ruhig am Tisch sitzen (auch wenn er das in seiner Bescheidenheit klaglos getan hätte), diesmal konnte Walo Lüönd ausführlich reden, befragt vom Kollegen Emil Lehmann für das Tagesgespräch (Rendezvous am Mittag auf DRS1 morgen). Der Hausmeister vom Landhaus hat uns die hintere Tür im obersten Stock geöffnet, damit der hier retrospektierte Veteran mit dem Lift bis direkt an den Interviewtisch fahren konnte. Und das Gespräch? Ein wenig harzig am Anfang, wie so oft, und dann herzlich und angenehm und weiter ausholend, als es die Filmkarriere des Walo Lüönd alleine hätte vermuten lassen. Anhören morgen on air, oder danach als Podcast.
Hediger verzichtet auf Cinémathèque suisse
Wie wir aus zunächst noch inoffizieller Quelle erfahren haben, verzichtet der designierte neue Direktor der Cinémathèque suisse in Lausanne, der Filmwissenschaftler Vinzenz Hediger, aus gesundheitlichen Gründen auf den Posten und bleibt Professor an der Ruhr Universität Bochum. Noch im Oktober hat der Stiftungsrat der Cinémathèque stolz die Wahl Hedigers verkündet, dessen Hinweise darauf, der Vertrag sei aber noch nicht unterzeichnet, hat damals nur Christoph Egger von der NZZ stutzig gemacht. Die meisten von uns haben sich einfach für die Cinémathèque gefreut. Zu früh, wie sich nun abzeichnet.
Metasuche für Schweizer Filme
Matthias Bürcher, der umtriebige Cutter und Betreiber der Schweizer "Filmbuchhandlung" artfilm.ch, hat über die Google-Tools eine Metasuche für Schweizer Filme eingerichtet. Sie indiziert die wichtigsten Ressourcen zum Thema und wertet die Links googletypisch nach Verlinkungshäufigkeit. Für eine schnelle, klar umrissene Suche ein gutes Werkzeug.
Sonntags-Sermon von Klaus Maria Brandauer
Der Mann ist in Sachen PR auf jeden Fall sein Geld wert: Wenn Klaus Maria Brandauer redet, hört die Menge zu. So war es auch vor etwas mehr als einer Stunde im Basler Luxushotel „Les trois rois“ bei der Pressekonferenz zum Drehstart von „Das Verhör des Harry Wind“ nach dem Roman von Walter Matthias Diggelmann. Geladen hat die Basler Produktionsfirma Sunvision, und auf dem Podium sassen neben Hauptstar Brandauer auch Nebenstar Sebastian Koch, Regisseur Pascal Verdosci, Produzent und Drehbuch-Co-Autor Alex Martin und die unverwüstliche Klara Obermüller, Witwe und Nachlassverwalterin von Walter Matthias Diggelmann. Obermüller hat denn auch die substantiellsten Informationen zum Roman von 1962 und seiner Aktualität geliefert. Und erklärt, sie müsse sich immer noch hin und wieder kneifen, um zu glauben, dass das Buch nun tatsächlich verfilmt werde. Nach ihr gab Produzent Martin Sebastian Koch das Wort, weil der Schauspieler bereits in der Maske erwartet wurde.
Koch war gewohnt zurückhaltend, schliesslich gebe es vor dem Dreh für einen Schauspieler noch wenig zu sagen. Aber das hinderte natürlich den Hauptstar des Anlasses keinesfalls am ausgiebigen Reden. Klaus Maria Brandauer liess seine bühnentrainierte Stimme über die Köpfe hinweg dröhnen und lieferte eine fast 15minütige Sonntagspredigt. Er fing mit dem Geständnis an, dass sein Einfluss auf das Weltgeschehen leider begrenzt sei. Als Schauspieler sei er nur ein Interpret, aber, und das sei schliesslich auch der Kern des Romans von Diggelmann: Es gebe ja ohnehin keine Wahrheit, sondern nur Interpretationen davon. Und es gebe nichts Neues unter der Sonne. Alles, vom ersten Schrei eines Kleinkindes bis zu den Malereien von Picasso, so Brandauer, sei eine Reprise. Sogar er selbst sehe sich ausserstande, zu wiederholen, was er fünf Minuten früher gesagt habe. Er könne das nur interpretieren. Das alles hatte irgendwie mit dem Projekt und dem Drehbuch zu tun, war aber inhaltlich viel grösser, schwerer, weitreichender. Irgendwie. Aber ausschlaggebend war natürlich die Präsenz des Mannes. Der Star ist ein Star, weil er sich wie ein Star benimmt, der sich nicht wie ein Star benimmt. Das ist meine Interpretation der Wahrheit, natürlich. Oder etwas ähnliches. Unbestritten ist die magnetische Präsenz des Schauspielers Brandauer. Selbst wenn es sich leicht peinlich anfühlt, ihm zuzuhören, die Faszination ist da:
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Kombination Koch-Brandauer mit dem Stoff von Diggelmanns Roman bestens korrespondiert. Brandauer als akribischer Verhörer, als Wahrheitssucher im Dienste der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Und Koch als nebelkerzenverfeuernder PR-Spezialist, als Spin-Doctor, der auch seine eigene Geschichte vorzu neu erfindet und dreht und wendet. Denn das ist offenbar auch der Angelpunkt des Drehbuches von Alex Martin und Marion Reichert: Die Schauplätze des Buches werden auf einen Hauptschauplatz reduziert, das Verhör und damit das Kammerdrama mit zwei Schauspielern wird in einem improvisierten Studio in einem Einkaufszentrum in Lörrach gedreht, mit einem Minimum an Aussenschauplätzen. Damit wird der Film effektiv ein Zweipersonenstück. Und das ist auf jeden Fall reizvoll, gerade mit diesem Duo aus Brandauer und Koch. Mehr dazu mit Oton morgen Montag in DRS2aktuell und natürlich am Freitag im Filmpodcast.
CH-Filmpreis 2008: Ab in die Tennishalle
Kaum drehe ich unserer Filmszene für ein paar Tage den Rücken zu, geht das wieder los mit dem Schrei nach Glamour… Da sitze ich in San Francisco und darf online lesen, dass die Sektion Film im BAK für den Filmpreis 2008 nicht nur die Nominationen bekanntgegeben hat, sondern auch gleich noch ein paar Änderungen im Prozedere. So findet die Verleihung am 23. Januar in einer Tennishalle in Solothurn statt (Erfolg und Glamour mit dem Federer-Effekt?) und die Genfer Künstlerin Sylvie Fleury hat mit dem "Quartz" eine neue Trophäe geschaffen. Immerhin sind die Nominationen nachvollziehbar. Und die Tennishalle letztlich auch, wird doch diese Ausgabe zwangsläufig zur Hauptprobe für die schon lange angestrebte Live-Übertragung des Filmpreises bei Frau Deltenre. Zudem hat sich Filmchef Nicolas Bideau auch gleich wieder das Wohlwollen des Tages-Anzeigers organisiert, wie kulturblog.ch mit spitzen Fingern anmerkt.
Fernsehrekord für die Herbstzeitlosen
Die Schweizer mögens gemütlich am Sonntagabend: Mit 1,34 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern hat die Filmkomödie Die Herbstzeitlosen am Sonntagabend auf SF 1 einen neuen Rekord aufgestellt. Einen Marktanteil von 58,2 Prozent erreichte bisher noch kein anderer Schweizer Film. Bislang war der im Oktober 2004 ausgestrahlte Sternenberg mit 816’000 Zuschauern der publikumstärkste Schweizer Film im Schweizer Fernsehen (SF). Nun hat die Lingerieboutique der verwitweten Martha (Stefanie Glaser), die so viel Unruhe ins Emmentaler Dorf Trub bringt, aber noch eine halbe Million mehr Schaulustige angelockt. Mehr als jeder zweite, der am Sonntagabend vor dem Fernseher sass, schaute der aufblühenden Seniorin zu. Der Film von Bettina Oberli ist auch in den Kinos ein Grosserfolg. Mehr als 860’000 Besucher wurden bisher im deutschen Sprachraum gezählt, über 61’000 DVD gingen schon über den Ladentisch. Zudem hat das Bundesamt für Kultur die Komödie für einen Oscar in der Kategorie «bester fremdsprachiger Film» angemeldet. Wahrscheinlich staunt niemand mehr über den Riesenerfolg als Bettina Oberli selber – was ehrliche Freude darüber nicht ausschliesst.