Cannes 09: Air Doll – Kuki Ningyo

Air Doll Hirokazu Kore-Eda

Der Japaner Hirokazu Kore-eda ist einer meiner Lieblingsregisseure, seit seinem Meisterwerk Maboroshi no hikari. Mit Dokumentarfilmen hat er angefangen und dann mit seinen Spielfilmen immer mehr jene Ecken der japanischen Gesellschaft erforscht, die auf den ersten Blick am unzugänglichsten erscheinen – und gerade darum die universellsten Filmerlebnisse bieten. Der Tod, der Abschied und das mögliche Leben nach dem Abschied gehören zu seinen Themen, am originellsten umgesetzt in After Life. Und jetzt soll der stille Regisseur einen Film über eine aufblasbare Sexpuppe gemacht haben?

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Cannes 09: Thirst

Thirst von Park Chan-Wook

Park Chan-Wook aus Südkorea hat hier in Cannes mit seiner Rachegroteske Old Boy 2003 verblüfft und zum Teil aufgeregt. Seine Rachetrilogie ist abgeschlossen, und mit Thirst hat er nun ein altes Lieblingsprojekt durchgezogen. Es handelt sich um eine weitere, raffinierte Dekonstruktion des Vampir-Mythos. Von der Anlage (und natürlich dem Titel) her erinnert der Film sehr an Tony Scotts The Hunger mit Catherine Deneuve und David Bowie von 1983, allerdings ist es hier ein Priester, der zum Vampir wird und urplötzlich gegen die Animalität in sich selber ankämpfen muss. Natürlich kann das gar nicht anders als grotesk und damit bisweilen auch urkomisch daherkommen. Aber Park Chan-Wook hält perfekt die Balance zwischen der Ernsthaftigkeit des Genrefilms und der Groteske.

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Cannes 09: Fish Tank

Im Wettebwerb: Fish Tank von Andrea Arnold
Im Wettbewerb: 'Fish Tank' von Andrea Arnold

Mit Red Road hat die Britin Andrea Arnold 2006 den Jury-Award in Cannes gewonnen. Das CCTV-Drama zeugte von grossem Talent und grosser Ambition. Das gleiche kann man nun auch von Fish Tank sagen, dem ersten der drei Beiträge von Frauen im diesjährigen Wettbewerb (die anderen sind Jane Campion und Isabelle Coixet). Talent wird in jeder Einstellung sichtbar, die Ambition zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Arnold den Problemen ihrs Films nicht ausweicht. Die Geschichte der 15jährigen Mia hätte auch einen Ken-Loach-Film abgegeben. Die aggressive junge Frau lebt mit ihrer eben so aggressiven Mutter und der kleinen Schwester in einer dieser ‚projects‘-Wohnungen, hat sich mit ihrer Freundin überworfen und ist verwirrt darüber, dass der neue Freund ihrer Mutter sie nicht nur ernst nimmt, sondern offensichtlich bemüht ist, auf sie einzugehen. „Cannes 09: Fish Tank“ weiterlesen

Cannes 09: Spring Fever

Spring Fever Lou Ye

Der chinesische Regisseur Lou Ye hat seine Festivalkarriere nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass er fast immer dissidente Filme gemacht hat, Filme, welche dem offiziellen China ein Dorn im Auge waren, und darum im Westen begehrte Festival-Events. Sein Weekend Lover (gefilmt 1994) fiel der chinesischen Zensur zum Opfer, Suzhou River bekam den grossen Preis von Rotterdam, und Summer Palace, ein Film rund um das Massaker an Platz des Himmlischen Friedens von 1989, brachte 2006 mit seiner Vorführung in Cannes nicht nur das Festival unter chinesischen Druck, sondern auch seinen Regisseur, der mit 5 Jahren Arbeitsverbot belegt wurde. Aber man täte Spring Fever (Chun feng chen zui de ye wan) Unrecht, wenn man in dem Film bloss ein weiteres oppositionelles Kunstprodukt sähe.

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Cannes 09: Up!

Up Pixar 01

Ein Pixar-3D-Film als Eröffnung für das prestigeträchtigste Festival der Welt? Die Geschichte eines alten Mannes, der mit seinem Haus davonfliegt? So richtig kribbelig wurde niemandem beim Gedanken daran. Aber der Film hält deutlich mehr, als sich viele Besucher hier in Cannes versprochen haben. Natürlich steht er auch für eine technologische Entwicklung, für das neue digitale (3D-) Kino. Aber er steht auch für die Erneuerung, welche John Lasseters Pixar-Team bei Disney erwirkt hat. Der Zauber, die Magie, die Rührung und der Witz der einstigen Disney-Klassiker von Snow White bis zum Jungle Book sind bei den immer formelhafteren Produktionen längst auf der Strecke geblieben. Pixar hat wieder von vorne angefangen, seinerzeit, mit Toy Story. Das war eine technologische Revolution, aber auch eine – stillere – inhaltlich-ideologische.

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Der 1. Basler Filmpreis ist vergeben

Jury Basler Filmpreis 2009 Levy Nufer Werenfels
Die Jury 2009: Dani Levy, Lorenz Nufer, Stina Werenfels

Am Samstagabend hat der Verein Balimage den ersten Basler Filmpreis vergeben. Die Jury, bestehend aus Dani Levy (Regisseur), Stina Werenfels (Regisseurin) und Lorenz Nufer (Schauspieler) hat beim 1. Basler Filmpreis folgende Gewinner gekürt:

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Filmpodcast Nr. 128: Star Trek, Dom DeLuise, Audrey Hepburn.

star trek upi

Herzlich Willkommen zu Kino im Kopf mit Michael Sennhauser. Heute steht unsere Filmrolle fast ganz im Zeichen von Star Trek. Brigitte Häring stellt uns den neuen Film von J.J. Abrams vor und rekapituliert das Phänomen «Star Trek» zwischen Mattscheibe und Kinoleinwand. Und Audrey Hepburn, My Fair Lady aus Holland, wäre am 4. Mai achtzig Jahre alt geworden. Dazu wie immer Filmkurztipps und die Tonspur.

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Nyon 09: Wie dokumentiere ich das Unabbildbare?

The Sound of Insects by Peter Liechti
'The Sound of Insects - Record of a Mummy' von Peter Liechti

Heute Mittwochabend geht die diesjährige Ausgabe von «Visions du réel» in Nyon mit der Preisverleihung zu Ende. Es war die 40. Ausgabe des international renommierten Dokumentarfilmfestivals am Genfersee, und gleichzeitig die 15. unter der Leitung von Jean Perret. In Reflexe morgen blicken wir zurück auf die Jubiläumsausgabe und fragen drei Filmemacher nach der Art, wie sie das Unabbildbare in ihren Filmen dokumentiert haben: Peter Liechti das Sterben eines Selbstmörders in The Sound of Insects, Jos de Putter die virtuelle World of Warcraft in Beyond the Game und Richard Brouillette den Neoliberalismus in L’encerclement.

Donnerstag, 30. April 2009, 11.00-11.30, DRS2
Donnerstag, 30. April 2009, 22.00-22.30, DRS2

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Nyon 09: Cooking History

cookinghistory

Wie man mit Frechheit, Einfallsreichtum und minimalsten Mitteln einen ebenso unterhaltsamen wie nachdenklichen Dokumentarfilm machen kann, hat hier an den Visions du réel in Nyon Peter Kerekes mit Cooking History gezeigt. Er folgt den grossen Konflikten des 20. Jahrhunderts über die Erinnerungen jener, die für die Armeen gekocht haben, den Feldköchen, ihren Gulaschkanonen und Erinnerungen an U-Boot-Kombüsen. Im Zentrum stehen auch bei Kerekes die Veteranen und ihre Erinnerungen, die klassischen Talking Heads eben. Aber er lässt sich nicht einfach in die Kamera reden, sondern er inszeniert sie. Entweder in einer Küche beim Kochen, oder – zum Beispiel – auf der Flucht durch ein Maisfeld, komplett mit verfolgendem Panzer. Er geht aber noch weiter. Wie auf dem Foto oben ersichtlich, hat er den einstigen U-Boot-Smutje mit einem Klapptisch und einem Gasbrenner an den Strand gestellt, kurz vor Eintreffen der Flut. Während der Mann seine panierten Koteletts brät, steigt der Meeresspiegel.

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Nyon 09: Die Frau mit den 5 Elefanten

Swetlana Geier und Enkelin

Die fünf Elefanten sind die fünf grossen Romane von Dostojewski, die Frau ist Swetlana Geier, die gefeierte Übersetzerin, welche dieses Riesenwerk für die deutsche Sprache komplett neu erschlossen hat. Der Basler Filmer Vadim Jendreyko (Bashkim) hat die 85jährige in ihrem Haus in Freiburg besucht und ist schliesslich mit ihr zurück an die Orte ihrer Kindheit gereist, in die Ukraine, nach Kiew. Mit 15 pflegte sie in der Familiendatscha ihren sterbenden Vater, der aus Stalins Gefängnissen als Folteropfer entlassen worden war. Sie lernte Deutsch auf Veranlassung ihrer Mutter, was den beiden Frauen zu Gute kam nach dem Einmarsch der Nazi in Kiew, und ihnen schliesslich half, in Deutschland eine neue Existenz aufzubauen, nachdem Kiew von den Sowjets zurück erobert worden war. Denn „im Land der Mörder meines Mannes“ wollte Swetlanas Mutter nicht bleiben. Vadim Jendreykos Film, der gestern an den Visions du réel in Nyon seine Uraufführung hatte, ist vollständig um die charismatische alte Frau herum aufgebaut.

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