SFT09: Stina Werenfels und Matthias Bürcher im Solothurn-Reflexe (Podcast)

Stina Werenfels ist Filmemacherin, mit ihrem Nachbeben wurden 2006 die Filmtage eröffnet, dieses Jahr ist sie unter anderem in der Jury für den neuen Prix de Soleure. Matthias Bürcher ist Filmtechniker und Filmverkäufer, und er hat das Online-Videosystem für die neue Schweizer Filmakademie entwickelt. Mit den beiden versuche ich, den Zustand und die Bewegungsrichtunge des Schweizer Films ein wenig einzukreisen in diesem halbstündigen Gespräch.

Alle Reflexe als podcast.

Bye, bye, VHS!

Das ist das endgültige Ende: JVC wird keine VHS-Videorecorder mehr bauen, jedenfalls keine mehr, welche ausschliesslich dieses Format nutzen. Dual-Geräte zum transferieren auf DVD wird es wohl noch eine Weile geben. Zwar hat Kollege Beni Eppenberger schon vor Jahren wehmütig von der VHS-Kassette und ihrem Grabbeltisch-Charme Abschied genommen ("Niemand scratcht mit DVD…"), aber nun ist die Ära vorbei, mit der unsere Generation die persönliche Verfügbarkeit von Filmen kennengelernt hat. Sniff.

Kameramann Matthias Kälin ist gestorben

Szenenbild aus "Josephson Bildhauer" von Kälin und MerzGestern, am 1. September 2008, ist mit nur 55 Jahren der Schweizer Kameramann Matthias Kälin gestorben. Er hat in jüngerer Zeit die Kamera geführt bei «Max Frisch Citoyen» von Matthias von Gunten, «Dutti der Riese» von Martin Witz, «Salonica» von Paolo Poloni oder bei der «Tunisreise» von Bruno Moll. Zusammen mit Laurin Merz hat er überdies den Film «Josephson Bildhauer» gemacht.

Auf der Website der Solothurner Filmtage gibt es eine Kurzbio als pdf und bei Le Temps online einen Nachruf von Norbert Creutz. Matthias Kälin war vielen Filmemacherinnen und Filmemachern ein Freund und geschätzter Mitarbeiter, seine jüngste Arbeit hätte ein neuer Film von Patricia Plattner sein sollen. In der Nacht vom Sonntag auf Montag ist er an seiner Krebserkrankung gestorben.

Das Ende der HD DVD und der Triumph der Hochsicherheitsfilme

Bild geklaut von neuerdings.comSeit Tagen wurde im Web das Ende des Formatstreits zwischen HD DVD und Blue-Ray diskutiert. Jetzt hat Toshiba sich gegen sein eigenes Format entschieden, damit ist Blue-Ray der potentielle Sieger im Rennen um die DVD-Nachfolge, wie seinerzeit die VHS-Kassette (die auch nicht die konsumentenfreundlichste Lösung war). Verständlich zwar, dass sich Filmfreunde und Techies freuen, dass endlich klare Verhältnisse herrschen und sie wissen, was sie kaufen sollen. Zum Beispiel beim besten Schweizer Gadget-Blog neuerdings.com (wo ich auch das nette Bild geklaut habe). Was dabei allerdings die meisten vergessen: Blue-Ray ist von Sony. Sony ist ein Konglomerat, das nicht zuletzt "Content", sprichFilme, produziert. Und die grosse Unterstützung für Blue-Ray seitens der Filmindustrie geht vor allem auf das extreme DRM (Digital Rights Management) des Blue-Ray Systems zurück. Das heisst: Diese Filme sind auf Hochsicherheitscontainern gespeichert. Die laufen nicht nur bloss auf zertifizierten Playern, die brauchen auch entsprechend zertifizierte Monitore, Projektoren etc. Die Hardwareindustrie (u.a. Sony) und die Software-Industrie (u.a. Sony) hat sich die totale Kontrolle gesichert und verdient an allen Enden des Systems. Dass Blue-Ray Discs nicht so leicht zu kopieren sind, wie die herkömmlichen DVD, das darf man nicht öffentlich bedauern, auch wenn die meisten Cinemathèquen ihre Bestände nicht auf industriekonformen Wegen zusammentragen konnten. Aber dass mit dem DRM, das nun auf uns zukommt, zumindest theoretisch einmal gekaufte Filme auch nachträglich noch von den Rechteinhabern physisch gesperrt werden können (über ungültig erklären der Schlüssel, zwangsflashen der Player beim Abspielen neuer Filme etc.), das ist ungemütlich. Noch ungemütlicher aber ist der Umstand, dass kleine Filmemacher, Independents und Studentinnenfilme sich die Blue-Ray Plattform gar nicht werden leisten können. Die Industrie hat die totale Kontrolle über die Wertschöpfungskette bis zur Konsumentin. Wer Monitore bauen will, muss zahlen. Wer Player bauen will, muss zahlen. Wer mit seinen Filmen in meine gute Stube will … muss zahlen. Die Musikindustrie ist eben daran, sich aus dem DRM-Schlamassel hochzurappeln. Die Filmindustrie bastelt an ihrem eigenen Hochsicherheitsgefängnis.

Botox digital – Schönere Stars Dank VFX

Klassische Maske: Michelle Pfeiffer in "Stardust" (c) Paramount
NZZ online hat heute eine faszinierende Story von Jörg Isert über die kalifornische Firma Lola VFX, welche Stars nach den Dreharbeiten unters digitale Schönheitsmesser nimmt:

Die «besten Schönheitschirurgen» Hollywoods arbeiten im Verborgenen. Ihre Operationsräume sind im dritten Stock eines Gebäudes in Santa Monicas Second Street untergebracht, innerhalb eines Bürotrakts, der nur über einen separaten Eingang erreichbar ist. Kein Wunder, denn die Kunden von Lola VFX wünschen vor allem eines: Diskretion. Den prominenten Klienten verpassen die Lola-Ärzte grössere Muskeln, markantere Sixpacks und schönere Zähne. Sie sorgen für weniger Lachfalten und Pigmentflecken. Das alles machen sie schmerzfrei – und mit Ergebnissen für die Ewigkeit.

Den ganzen Text gibts bei NZZonline.

Metasuche für Schweizer Filme

Matthias Bürcher, der umtriebige Cutter und Betreiber der Schweizer "Filmbuchhandlung" artfilm.ch, hat über die Google-Tools eine Metasuche für Schweizer Filme eingerichtet. Sie indiziert die wichtigsten Ressourcen zum Thema und wertet die Links googletypisch nach Verlinkungshäufigkeit. Für eine schnelle, klar umrissene Suche ein gutes Werkzeug.

Neues Arbeitszeug: Taschenrecorder (privat:)

Wir sind zwar in den Ferien hier in Kalifornien, aber das soll mich ja nicht daran hindern, mein Werkzeug zu verfeinern. Und weil es sich gerade so ergeben hat, habe ich mein neustes Aufnahmegerät ausprobiert. Mein Bruder, bei dem wir in San Francisco wohnen, ist Chefredakteur bei Blogwerk und da gibts unter anderem einen Gadgetblog. Für dieses neuerdings.com habe ich das neue Aufnahmegerät ausprobiert und vorgestellt. Und für alle, die sich für unsere Radioarbeit interessieren, sind da ein paar Einblicke hinter die technischen Kulissen drin. Die Kurzfassung: Der neue Kleine bringts! Hier gibts die Langfassung.

Beowulfs Schniedelwutz in Imax 3D – Ach, so ist das gemeint!

Lilian Z. und Michael S. mit Imax 3D-Brille in Loews Cinema, San Francisco

Ein Passiv-Computergame auf Grossleinwand – das ist der Eindruck, den Robert Zemeckis Motion-Capture-Saga bei mir hinterlassen hat, bei der ersten Visionierung auf einer ganz normalen Leinwand in Basel. Gestern Abend haben wir den Film hier in San Franciscos Metreon-Center als Imax-3D-Projektion gesehen. Und plötzlich leuchtete mir einiges ein, das vorher völlig unverständlich wirkte. Die tiefen Einstellungen mit viel Boden im Vordergrund. Der Rückwärtsflug der Kamera durch Baumwipfel in die Berghöhle des Monsters Grendel, ja sogar all die lächerlichen Zufälligkeiten im Bildvordergrund bei Beowulfs Kampf mit Grendel, die einzig und allein dazu dienen, das Gemächte des nackt kämpfenden Helden nie einem unschuldigen Kinderblick auszusetzen.

Das 3D-Bild auf der Imax Leinwand ist nicht immer gleich eindrücklich. Häufig entsteht mit der polarisierenden Brille auf der Nase nur ein Eindruck von geschichteter Zweidimensionalität, viele Einstellungen sehen aus, wie aus diesen aufklappbaren Bilderbüchern mit Pop-Up-Elementen. Andere dagegen sind unglaublich packend. Insbesondere die grosse Endschlacht zwischen Beowulf und dem Flugdrachen gerät zu einer hyperrealistischen Achterbahnfahrt, bei der es kaum mehr einer Komplizenschaft mit der Technik bedarf, der Effekt wirkt sich oft direkt körperlich aus, der Magen sinkt mit dem stürzenden Helden und dreht sich wie von selbst, wenn er dem Drachen das dunkle Herz aus der Tiefe der Brust reisst, mit blossen Händen notabene.

Die Filmerzählung wirkt nicht wirklich subtiler in 3D, aber all die kruden Effekte, die auf der normalen Leinwand nur Kopfschütteln auslösen, bekommen plötzlich eine Motivation. Dass Angelina Jolie als dämonische Mutter des Monsters Grendel zwar in goldiger Nacktheit auftreten darf, aber ohne Brustwarzen, das ist dem Bedürfnis der Produzenten nach einem PG-13-Rating geschuldet, also der Alterskategorisierung, welche die US-Kids nicht aus dem Kreis der zahlenden Klienten ausschliesst. Aus dem gleichen Grund darf Beowulfs Schniedelwutz nie ins Bild hängen.

Was aber auf der 2D-Leinwand bemüht peinlich wirkt, löst bei Imax-3D plötzlich Dankbarkeit aus. Denn so wie einem die Schwerter und Streitäxte aus der Tiefe des Raumes ins Gesicht gestreckt werden, muss man sich zwangsläufig auch die Männlichkeit des CGI-Helden vorstellen. Und das möchte man nicht (Frau auch nicht wirklich, hat mir Lilian versichert).

Aber eines macht dieses 3D-Abenteuer klar: Das lange gehegte Vorurteil, dass 3D im Kino nur einen Schauwert liefere, aber keine dramaturgische Komponente sein könne, wird hier widerlegt. Die Kampfszenen in der grossen Trinkhalle des Königs Hrothgar nutzen den ganzen Raum bis unter die Dachbalken und die „Kamera“ bewegt sich entsprechend.

Noch hat die Technik Kinderkrankheiten. So werden die Augen der Figuren in „Nahaufnahmen“ mittlerweile perfekt gerendert, mit Spitzlichtern und einem lebendigen Glanz, der die Zombie-Blicke des kleinen Mädchens in Zemeckis „Polar Express“ vergessen macht. Aber auf Distanz scheinen alle Figuren zu schielen. Da haben die Computergrafiker noch ein Problem. Aber in 3D ist dieser Beowulf ein Erlebnis. Noch immer um wenigstens dreissig Minuten zu lang, aber eindrücklich und nicht ohne Humor (den bemerkt man in der 2D Version kaum).

Angelina Jolie ist Grendels nippellose Mutter in Beowulf

SZM Interview mit Kameramann Michael Ballhaus

Einst hat er mit Fassbinder den deutschen Film aufgemischt, später hat er eine internationale Karriere gemacht, unter anderem als Kameramann beim schönsten Film von Martin Scorsese und etlichen anderen vom Meister, oder auch bei Coppola. Jetzt ist er 72, offensichtlich müde und von Hollywood gar nicht mehr angetan. Das aktuelle Magazin der Süddeutschen Zeitung hat ein spannendes Interview (hier) mit Michael Ballhaus, von Max Fellmann und Jan Heidtmann.