Die Magie des leeren Kinosaals

„Ob das Auge phallisch und der Blick männlich, das Ohr dagegen vaginal und der Gehörsinn weiblich besetzt seien, ist seit Georges Bataille und Laura Mulvey Gegenstand heftiger Gender Debatten.“ Das ist einer der Sätze von Hansmartin Siegrist im ziemlich speziellen Kinobuch „Les visiteurs du soir – Pariser Projektionen“, das die Basler Künstlerin Bettina Grossenbacher vor kurzem herausgebracht hat. Ihre Fotografien von Pariser Kinosälen, alle jeweils entstanden, kurz bevor sich auf der Leinwand die Welt ausbreitete, sind wunderbar und eine Gelegenheit zum Eintauchen in diese Magie des Versprechens vor dem Film. Das kleine Buch ist ein Glücksfall für all jene unter uns, die von und für dieses immer wieder neu gesuchte Versprechen leben. Dabei sind die Fotografien für sich ziemlich evokativ. Aber die eigentliche Tiefe und das kinomässig Schmökernde bekommt der Band durch den untertitelartig fliessenden, überaus anregenden und assoziativen Text von Hansmartin Siegrist, der dafür sorgt, dass die (noch) leeren Leinwände auf den Bildern nicht nur Projektionsflächen sind, sondern dünne Trennwände vor einer Welt der Ideen und Einfälle.


Offenlegung: Hansmartin Siegrist war mein Lehrer an der Uni, er ist ein Freund von mir und er ist mein Vermieter. Diese Erwähnung des Buches zieht keinen Mietnachlass nach sich.


Bettina Grossenbacher, Hansmartin Siegrist Les visiteurs du soir – Pariser Projektionen

Mai 2007, 160 Seiten, 22×16,5 cm, ca. 70 Farbabbildungen, gebunden
CHF 42.00 / € 28.00

ISBN: 978-3-85616-322-8 Christoph Merian Verlag, Basel

Filmpodcast 35 Woche 30 online

Herzlich Willkommen zum DRS-Filmpodcast für die Woche 30. Ich stelle heute Quentin Tarantinos «Grindhouse»-Hälfte «Death Proof» vor, sowie den Simpsons-Kinofilm. Peter Burri blickt zurück auf die Karriere des am Sonntag verstorbenen deutschen Schauspielers Ulrich Mühe (der Stasi-Beamte in "Das Leben der Anderen") und schliesslich folgt ein längeres Gespräch mit dem Badener Kinopatron Peter Sterk über das Kino als Familienbetrieb und 105 Jahre Kinofamilie Sterk. Dazu wie immer die Kurztipps und Retro-Raten via Soundclips.

Multiplex-Kinos sind schlecht für die Vielfalt

Das Bundesamt für Statistik hat heute eine neue online-Publikation bekannt gemacht: Die schon längere Zeit angekündigte Studie zur Multiplex-Landschaft in der Schweizer Kinoszene bringt beim ersten Überfliegen wenig überraschende Resultate. Und das deutlichste von allen ist diesen Sommer ohnehin nicht mehr von der Hand zu weisen: Multiplexe tragen zur Verarmung des Angebots bei. Was derzeit in Städten wie Basel und Zürich offensichtlich ist, dass nämlich die gleichen drei Filme in allen möglichen Kinos gleichzeitig gezeigt werden, ist nicht nur eine Folge des Sommers, sondern eine Folge der nicht ausgelasteten Kinokapazitäten.

Die Studie sagt zum Thema Angebotsvielfalt ganz klar:

Der letzte Analysepunkt zur Vielfalt des Filmangebots ist die Verteilung der Vorstellungen nach Herkunftsland des Films. Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen den verschiedenen Kinoinfrastrukturen: 68% der Vorführungen in den Multiplexkinos betreffen amerikanische Filme, während es in den Kinokomplexen 57,7% und in den Einsaalkinos 53,4% sind. Der Anteil Schweizer Filme ist in den Multiplexkinos mit 3,2% aller Vorführungen besonders gering. In den anderen Kinotypen ist dieser Anteil mehr als doppelt so gross.

Das ist keine Überraschung, auch wenn die Betreiber und Planer der Multiplexe immer das Gegenteil behauptet haben, dass nämlich die zusätzlichen Säle auch zu einem breiteren Filmangebot führen würden.