SFT12: NICHT DAS LEBEN von Christine Repond

‚Shooting Dolores‘ in ‚Nicht das Leben‘ ©allaryfilm

Da ist dieser Moment, in dem Florian den Bandkollegen eröffnet, dass er Vater wird. Es entsteht eine unbehagliche Stille, ein Gemisch aus Freude und Schock. Dabei hat der älteste der Jungs schon zwei Kinder, sein Sohn ist 17 und hat auch schon mit der Band als Gitarrist geprobt. Denn das ist der Ankerpunkt von Nicht das Leben: Die „Jungs“ sind keine mehr, sie sind zwischen dreissig und vierzig. Und wenn einer von ihnen zu Beginn des Film trotzig erklärt, die Musik sei sein Leben, seine Lehre und sein Job als Drucker seien bloss ein notwendiges Nebengeleis, dann wird er das selber gegen Ende relativieren.

Christine Repond hat den lange Zeit im Limbo der Verleihlosigkeit schwebenden Neonazi-Spielfilm Silberwald (2010) gemacht, ein Film mit grossen Qualitäten und ein paar Schwächen, die bisher verhindert haben, dass sich jemand traute, ihn ins Kino zu bringen. Nun sieht es allerdings so aus, als ob die Produktion ihn doch noch auf ein paar Schweizer Leinwände bringen wird in diesem Jahr. „SFT12: NICHT DAS LEBEN von Christine Repond“ weiterlesen

Ken Russell gestorben

Mit 84 Jahren ist gestern der britische Regisseur Ken Russell gestorben. Russell war der grosse Provokateur des britischen Kinos, mit der sexuell freizügigen D.H. Lawrence-Verfilmung Women in Love hat er 1970 Sittenwächter und den Vatikan provoziert, den internationalen Durchbruch geschafft und seiner Hauptdarstellerin Glenda Jackson zum Oscar verholfen. Mit der opulenten filmischen Umsetzung der Rock-Oper Tommy von «The Who» wurde Bad-Boy-Russell selber zu einer Art Rockstar des Kinos, das exaltierte, provozierende Element, das die Bürgerschreck-Pose der 70er Rock-Musik prägte, fand in seinen Filmen ein kinematografisches Aequivalent. Russell hat sich in vielen filmischen Genres getummelt, vom phantastischen Drogen-Thriller bis zur Musikerbiographie, etwa zu Gustav Mahler, dabei blieb die Provokation stets sein Markenzeichen.

David Cronenberg zu A DANGEROUS METHOD

David Cronenberg ©universal
David Cronenberg ©universal

Eigentlich habe er mit filmischen Mitteln eine Wiederauferweckung (resurrection) seiner Figuren erreichen wollen. Also nichts weniger, als Freud, Jung und Spielrein wieder zum Leben zu erwecken. Meint David Cronenberg im Interview. Und auch wenn er es nicht wörtlich sagen mag: Freud steht ihm näher als Jung.

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Wer wenn nicht wir: Andres Veiel im Gespräch

Mit Blackbox BRD hat der Deutsche Andres Veiel vor zehn Jahren einen der wichtigsten Dokumentarfilme zum RAF-Terrorismus der 70er Jahre gemacht. Jetzt läuft bei uns sein erster Spielfilm im Kino: Wer wenn nicht wir. Und wieder geht es um die RAF-Terroristen der ersten Generation, um Bernward Vesper, Gudrun Ensslin und Andreas Baader. Aber dieses Mal sucht Andres Veiel nach dem „Warum“, nach den biografischen Treibsätzen der Radikalisierung. Ich habe mit Andres Veiel gesprochen, über seine Motivation, über die fliessenden Grenzen Zwischen Nazi-Vätern und Terroristen-Söhnen, zwischen Alt-68ern und Hyper-Neokonservativen und über die fatale romantische Sehnsucht nach dem Absoluten. Das ganze Gespräch ist etwa 27 Minuten lang:

 

Kein Mensch ist illegal?

Am 13. August kam es zum Schluss des Filmfestivals von Locarno zu einem zunächst fast unbemerkten Eklat. Paulo Branco, Produzent und Jurypräsident, liess sich an der Palmarès-Pressekonferenz über den von seiner Jury übergangenen, aber zum Beispiel von der oekumenischen Jury ausgezeichneten Dokumentarfilm Vol spécial von Fernand Mélgar aus. Er bezeichnete Mélgars Dokumentarfilm über ein Westschweizer Ausschaffungslager für abgewiesesene Asylbewerber als „faschistisch“, weil der Filmemacher Wert darauf legte, das Lagerpersonal nicht zu denunzieren. Im ideologisch fixierten Weltbild des Portugiesen Branco bedeutet eine neutrale filmische Haltung automatisch Kollaboration mit dem Feind (mehr dazu hier in der Zeit). Dabei signalisiert Mélgars Film, wie schon sein Vorgänger La forteresse, die Rückkehr des politischen Dokumentarfilms in der Schweiz. Dass Mélgar, selber Einwanderersohn, bei seinen Filmen auf Parolenausgabe verzichtet, hat nicht wenig zu ihrer Verbreitung und angeregten Diskussion beigetragen. Damit hat Melgar gleichzeitig den Boden bereitet für andere Dokumentarfilmer, auch für solche, die weiter gehen, wie zum Beispiel Simon Labhart und Tina Bopp. „Kein Mensch ist illegal?“ weiterlesen

Loriot ist tot

Mit 87 Jahren an Altersschwäche zu sterben – kein schlechter Tod. Und doch ist es schwer, sich ein Leben ohne den weisshaarigen Querspieler vorzustellen. Vicco von Bülow, alias Loriot, war und bleibt ein deutsches Phänomen. Der Gentleman der leisen Komik, der Zeichner, Autor und Filmemacher, der wie kein anderer die Absurditäten des Alltags auf den Punkt, beziehungsweise auf den Strich gebracht hat. Seine Männer, Frauen und auch Hunde mit den Knollennasen wurden nicht nur als gezeichnete knappe Witze zu Haushaltprodukten, sondern schliesslich auch als animierte Cartoons. Und Loriots gezeichnete Sketche am Fernsehen wurden zu Evergreens, wie zum Beispiel dieser vom Ehepaar am Frühstückstisch. „Loriot ist tot“ weiterlesen

Raouuuuuuuul! Raúl Ruiz ist gestorben

Raúl Ruiz (Foto via toutlecine.com)
Raúl Ruiz (Foto via toutlecine.com)

Langjährige Cannes-Aficionados kennen den Ruf: Bei den Abendvorstellungen für die Presse, wenn das Saallicht ausgeht, erklingt der Ruf „Raouuuuuuul!“ aus dem Publikum. Der gestern verstorbene chilenisch-französische Regisseur Raúl Ruiz war stolz darauf, angeblich der ursprüngliche Grund für die eigenartige Tradition gewesen zu sein. In den letzten Jahren ist diese allerdings etwas verludert. Es gab Newcomer, welche den Ruf auch in anderen Vorstellungen erklingen liessen. Und Häretiker, die es mit anderen Namen versuchten. Jetzt, da der einzig echte Original-Raouuuuuul gestorben ist, dürfen wir gespannt sein, was aus dem Kinodämmerungsruf im nächsten Mai wird: Überlebt er seine Wurzeln?

Locarno 11: Zehn Minuten mit Abel Ferrara

Abel Ferrara ©sennhauser
Abel Ferrara ©sennhauser

Der Mann aus New York, der seine Karriere mit urbanen Schockern wie The Driller Killer und Ms. 45 angefangen hat, wurde zum Kultregisseur mit Harvey Keitel in Bad Lieutenant. Zusammen mit Woody Allen und Martin Scorsese hat er das Bild der Stadt New York geprägt – bei Scorsese und Ferrara war das eine Stadt der Gewalt und der Spinner, zumindest bei ihren Anfängen. Nicht nur New York hat sich gewandelt, auch Ferrara, mit Jahrgang 1951, ist heute ein anderer. Ich konnte mich gestern kurz mit ihm unterhalten, die Zusammenfassung und ein paar Zitate in seinem unvergleichlichen Bronx-Dialekt sind hier zu finden, das ganze Gespräch ungeschnitten hier.

Filmpodcast Nr. 245: 64. Festival del film Locarno

Tim Fehlbaum und Hannah Herzsprung ©Tom Hägler SRF
Tim Fehlbaum und Hannah Herzsprung ©Tom Hägler SRF

Kino im Kopf, diese Woche aus Locarno mit Eric Facon, Brigitte Häring, Tom Gutersohn und mir aus Locarno. Sie hören den Mittschnitt unseres Locarno-Magazins vom Donnerstag. Zu Gast in der Sendung war der Festivaldirektor Olivier Père, der dieses Jahr seine zweite Ausgabe präsentiert, dann der junge Basler Filmregisseur Tim Fehlbaum, und seine Darstellerin Hanna Herzsprung, deren Film Hell am Donnerstagabend auf der Piazza Grande gezeigt wurde. Dazu die Journalistin und Autorin Andrea Sailer. Von ihr erscheint in diesen Tagen ein Buch mit Interviews und Porträts mit den wichtigsten aktuellen Schweizer Filmemachern. Und natürlich berichtet unser Locarno-Team über den Eröffungsfilm Super 8 von JJ Abrams.

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George Lucas entführt. Erklärung für alles.

George Lucas ist nicht schuld an den Star Wars Prequels. Und er ist immer noch der Meinung, Han Solo habe zuerst geschossen. Hier ist die Erklärung für all das Leid, welches über die Original-Star-Wars-Fans gekommen ist, nachdem der echte George Lucas von einer geldgierigen Organisation durch einen Doppelgänger ersetzt wurde. Star Wars: A New Hope.