Cannes 11: HABEMUS PAPAM von Nanni Moretti

'Habemus papam' Nanni Moretti, Michel Piccoli ©frenetic
'Habemus papam' Nanni Moretti, Michel Piccoli ©frenetic

Kardinal Ratzinger wurde Papst, weil er es wollte, und weil er jahrelang darauf hin gearbeitet hat. So stellen wir uns gemeinhin das Konklave vor, und so schildern uns zahlreiche Romane und Filme den Vatikan: Als Hauptquartier eines weltweit operierenden Konzerns, mit all den üblichen Machtkämpfen und Intrigen. Nanni Moretti nimmt die Papstwahl ernst, und damit erzielt er etliche sehr schöne komische Effekte. In seinem Konklave sehen wir die Kardinäle bei der Wahl des Papstnachfolgers nervös und innerlich betend: Nicht mich, mein Gott, bitte nicht mich. Aber Gott ist mit allen, ausser mit Kardinal Melville, alias Michel Piccoli. Und damit ist der Film, seinem dünnen Grundeinfall zum Trotz, gerettet. Denn Melville will nicht, er erleidet einen nervösen Zusammenbruch, bevor er vom Balkon aus die Menge auf dem Petersplatz begrüssen soll. Und wieder einmal wird klar: Michel Piccoli ist grossartig. Nicht ganz so grossartig ist Nanni Moretti selber. Er spielt den Psychiater, der bei gezogen wird, um den neuen Papst von seiner Versagensangst zu heilen.

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Cannes 11: POLISSE von Maïwenn

Poliss (2)

Maïwenn Le Besco arbeitet, anders als ihre Schwester Isild, nur unter ihrem Vornamen – als Schauspielerin, aber auch als Filmemacherin. Für Poliss hat sie das ursprüngliche Script geschrieben, fasziniert vom Alltag einer Kinderschutzeinheit der Polizei, ging dann aber zum Produzenten Alain Attal damit und der holte Emmanuelle Bercot als Autorin dazu. Was wir nun heute (als dritten Film im Wettbewerb und als dritten Film von einer Frau) gesehen habe, ist ein hochpoliertes, rasantes Stück Realitätskino im Stil von Entre les murs von 2008, Dokufiktion der neueren Schule, mit geschliffen realistischen Dialogen, geschickter dramaturgischer Abfolge hochdramatischer und leise alltäglicher Szenen – und mit einem Stoff, der den ersten beiden Filmen in Sachen inhärentem Horror in nichts nachsteht. Pädophile, sexuelle Übergriffe, Junkie-Mütter, selbstherrliche Muslim-Väter, sie alle gehören zum Alltag dieser aus Frauen und Männern zusammengesetzten Einheit, die in ihre Aufgabe in erster Linie im Schutz der Kinder sieht.

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Cannes 2011: Julia Leigh und ihre Mentorin

Autorin und Erstlings-Regisseurin Julia Leigh

Ja, ich weiss, eröffnet wird mit Woody Allen und Carla Bruni und Midnight in Paris. Das ändert aber nichts daran, dass der erste Film, den wir im Wettbewerb zu sehen kriegen, Sleeping Beauty von Julia Leigh sein wird. Das ist das Regiedebut der australischen Autorin, und damit gleich im Wettbewerb von Cannes zu landen, das ist schon eine Sensation für sich. Als Autorin hat sie einen Namen, als Regisseurin eine formidable Patin: Die Neuseeländerin Jane Campion, die bisher einzige Frau, welche die Goldene Palme von Cannes gewonnen hat (für The Piano, 1993), hat die Verfilmung von Leighs eigenem Script begleitet. Und das geht bis ins Detail. Wenn man das obenstehende Portrait von Julia Leigh genau anschaut, fällt der eingravierte Name auf dem Viewfinder auf, den sie um den Hals trägt (Vergrösserung nach dem Sprung). Die 64. Ausgabe des Festivals von Cannes könnte das Fest der Frauen werden. Gleich vier sind im Wettbewerb vertreten. Da darf man auf vieles gespannt sein, auch auf die Sprüche an der Pressekonferenz von Lars von Trier, der mit seinem Meisterwerk Antichrist vor zwei Jahren massive Misogynie-Vorwürfe provoziert hatte. Jetzt ist er mit Melancholia auch wieder dabei.

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Trailer zu Lars von Triers MELANCHOLIA

Lars von Trier mit Kirsten Dunst am Set von 'Melancholia'
Lars von Trier mit Kirsten Dunst am Set von 'Melancholia'
Lars von Trier mit Kirsten Dunst am Set von 'Melancholia'

Der Trailer zu Melancholia verspricht alles, von Festen über Fanny & Alexander, Antichrist, Weltuntergang bis zur titelgebenden Melancholie. Und er sagt noch gar nichts über den Film. Wie meistens bei Lars von Trier läuft die PR-Maschine wie geölt und bis wir am Festival in Cannes sein werden, ist die halbe Welt auf den Film eingestimmt: Ein schöner Film über das Ende der Welt – A beatutiful movie about the end of the world.  Für einmal lasse ich mich gerne einspannen, von Trier verdanke ich die stärksten Kinomomente der letzten dreissig Jahre.

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Sidney Lumet ist tot

Lumetcollage

Sidney Lumet, einer der ganz grossen amerikanischen Regisseure, ist heute morgen in New York mit 86 Jahren gestorben. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören die Gerichtsdramen Twelve Angry Men mit Henry Fonda oder The Verdict mit Paul Newman, aber auch urbane Dramen wie Serpico oder Dog Day Afternoon.

Radiobeitrag hören:

Lumets Arbeitsbuch Making Movies ist eine aufschlussreiche Lektüre.

Internet-Premiere: GIRL WALKS INTO A BAR

Roasario Dawson und Josh Hartnett in 'Girl Walks into a Bar'
Roasario Dawson und Josh Hartnett in 'Girl Walks into a Bar'

Eine Million Dollar soll er gekostet haben, und allein die Liste der Schauspielerinnen und Schauspieler in diesem Film lässt darauf schliessen, dass das wahrscheinlich stimmt: Carla Gugino, Zachary Quinto, Josh Hartnett, Danny DeVito, Rosario Dawson, Emmanuelle Chriqui, Robert Forster und Alexis Bledel spielen mit. Produziert hat Multimillionär Steve Bing (der bei uns vor allem bekannt wurde als entfernter Vater eines Kindes von Elizabeth Hurley). Aber was Girl Walks into a Bar vor allem speziell macht: Der Film wurde exklusiv für ein Internet-Release gedreht. Und er wird ab sofort gratis über YouTube unters Volk gebracht. Nach Aussagen des Regisseurs Sebastián Gutiérrez (Snakes on a Plane, Gothika) ging es vor allem darum, zu beweisen, dass auf diese Weise dialoggetragene, einfache Schauspielerfilme ohne Spezialeffekte oder teure Schauwerte ein Publikum finden können. Ein teurer Versuch, aber auf jeden Fall schon mal ein gelungener Film – dazu gleich mehr. „Internet-Premiere: GIRL WALKS INTO A BAR“ weiterlesen

SFT 11: Migros-Preis für Simon Baumann

Gerd Folkers, Peter Liechti, Urs Fitze und Hedy Graber ©sennhauser

Vor einem Jahr stellte Hedy Graber vom Migros-Kulturprozent hier in Solothurn den neuen Dokumentarfilm-Wettbewerb vor, der Filme von der Projektentwicklung bis auf die Leinwand begleiten soll. Heute wurde mit Simon Baumann der erste Sieger gekürt, dessen Projekt nun in die Produktion gehen soll. Wenn alles klappt, könnte der fertige Film 2012 am Dokumentarfilmfestival in Nyon uraufgeführt werden. Gleichzeitig gab Hedy Graber das Thema für den nächsten wiederum zweistufigen Wettbewerb bekannt: Freiheit – eine Herausforderung. Projekte können ab sofort und bis 16. Mai 2011 eingegeben werden.

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Peter Yates ist gestorben

Poster 'Bullit' mit Steve McQueen, Jacqueline Bisset in 'The Deep'
Poster 'Bullit' mit Steve McQueen, Jacqueline Bisset in 'The Deep'

Er hat Actionfilmgeschichte geschrieben, unter anderem mit Bullit und Steve McQueen (ein Clip aus dem Film mit der klassischen Autoverfolgungsjagd folgt nach dem Sprung) oder mit Jacqueline Bisset (und ihrem nassen T-Shirt) in The Deep. Aber eigentlich war Peter Yates ein Regie-Profi alter Schule, er hat fast jedes Genre ausprobiert und es – zumindest formal – maximiert. Auch den Fantasy-Film mit dem spektakulären Krull. Er hat TV-Episoden gedreht, namentlich sieben Folgen von The Saint mit Roger Moore, und Thriller wie The House on Caroll Street. Dabei war er durch und durch Brite, wie sein Landsmann Alfred Hitchcock, ähnlich pragmatisch und zielstrebig, aber vielseitiger, vielleicht weniger genial, ganz sicher weniger geschickt als Selbstdarsteller.  Überlassen wir die Würdigung des gestern 82jährig Gestorbenen seinen Landsleuten, eine erste kurze Zusammenfassung seiner Karierre gibt es hier im Guardian. Und gleich nach dem Sprung wie versprochen seine berühmteste Filmsequenz: „Peter Yates ist gestorben“ weiterlesen

Douglas Trumbull, Kinomagier und Filmtüftler

Starburst 2001

Mit seinen Entwürfen und Animationen für Stanley Kubricks 2001 – A Space Odyssey wurde der einstige Sciencefiction-Buchumschlaggrafiker Douglas Trumbull zum gefragten Spezialisten. Von Close Encounters of the Third Kind über Star Trek bis Blade Runner verzichtete kaum ein bahnbrechender Sciencefiction-Film auf seine Visionen, und auch als Regisseur und Verfahrens-Entwickler betrat Trumbull immer wieder Neuland. Ich habe den 68jährigen am letzten NIFFF getroffen und mir erzählen lassen, wie sich seine Vergangenheit in seiner Zukunft niederschlagen soll. Morgen Dienstag nun die Sendung zur Begegnung:

Dienstag, 4. Januar 2011, 11.03-11.30, 22.03- 22.30, DRS2
Download (MP3, 13.8 MB) Hören:

Douglas Trumbull am NIFFF 2010 ©sennhauser

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Filmpodcast Nr. 213: DVD Easy Virtue, Gespräch mit Tom Tykwer.

Regisseur Tom Tykwer ©Jim Rakete
Regisseur Tom Tykwer ©Jim Rakete

Kino im Kopf mit Michael Sennhauser. Die heutige Filmrolle ist aus saisonalen Gründen eine Vorproduktion. Wir verzichten auf die Kurztipps, dafür ist die Tonspur eine Zumutung für sich. Ich stelle die DVD Easy Virtue nach Noel Coward vor, und Brigitte Häring hat sich ausführlich mit dem deutschen Filmemacher Tom Tykwer unterhalten.

Saugen: Filmpodcast Nr. 213 (Rechtsklick für Download). Hören:


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