Wenn (falls) die Hollywood-Autoren streiken …

… dann geht das Licht zuerst bei den Late-Night-Shows am Fernsehen aus, sagt die Branchengazette Variety. Letterman und Co. seien nämlich die einzigen, die auf „live-writing“ angewiesen seien, ihre Shows kann man nicht mit auf Vorrat geschriebenem Material durchziehen. Wenn nun also die Autoren-Gewerkschaft ab nächster Woche tatsächlich streikt in den USA, dann sind Leno und Letterman die Gruben-Kanarien-Vögel, die Indikatoren für die ersten Auswirkungen. Die grossen Filmstudios dagegen behaupten fast alle, sie hätten genügend fertige Drehbücher, um weiter zu produzieren. Und die TV-Networkskönnen theoretisch am Streik verdienen, bzw. sparen, indem sie gezwungenermassen Re-Runs oder aber ungescriptete Reality-Formate ausstrahlen. Unter die Räder kommen dabei allerdings die eben erst gestarteten neuen TV-Serien: Wenn niemand die zweite Staffel schreibt, bis die erste ausläuft, wird das Publikum sie vergessen haben, bis Nachschub kommt. Und damit wären Millionen verloren. Faszinierend zu sehen, dass die Autoren in den USA tatsächlich einen Wirtschaftsfaktor darstellen. Man stelle sich etwas ähnliches bei uns vor: Katja Früh tritt in den Streik? Naja. Die Autoren der deutschen Privatsender streiken? Würde niemand merken. Die Drehbuchautoren schreiben keine Schweizer Filme mehr? Dann machens eben die Autorenfilmer. Wo keine Industrie ist, gibt’s keine „industrial action“.

Filmpodcast 48: le fils de l’épicier, Zu Fuss nach Santiago de Compostela, Hediger neuer Chef der Cinémathèque suisse.

Herzlich Willkommen zum Filmpodcast der Woche 43. Am Mikrofon Michael Sennhauser, im Angebot die folgenden Themen: Le fils de l’épicier, ein Spielfilm über den verborgenen Charme der französischen Provinz und Zu Fuss nach Santiago de Compostela, eine Art «Slow-Up-Road Movie» von Bruno Moll. Und schliesslich: Wer ist Vinzenz Hediger, der zukünftige Chef der Cinémathèque suisse in Lausanne? Dazu Filmsoundspiel und Kurztipps, wie gewohnt.

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Vinzenz Hediger ist der neue Chef der Cinémathèque

Heute wurde es endlich offiziell, kurz vor 17 Uhr meldete die sda, dass der einstige Blick-Filmjournalist und Filmwissenschaftler Vinzenz Hediger den Zuschlag für die Cinémathèque suisse in Lausanne bekommen hat, vor seinem direkten Rivalen Jean Perret, dem aktuellen Direktor des Dokumentarfilmfestivals „Visions du réel “ in Nyon: Lausanne (sda) Der 38-jährige Aargauer Vinzenz Hediger leitet ab August 2008 die Cinémathèque

suisse in Lausanne. Der promovierte Philosoph arbeitete bisher als Filmkritiker und Dozent für Filmwissenschaft. Er tritt an die Stelle von Hervé Dumont, der in Rente geht.

Hediger ist der dritte Direktor dieser Institution und der erste Deutschschweizer nach den Waadtländern Freddy Buache und Hervé Dumont. Er wurde 1969 in Menziken (AG) geboren und studierte Philosophie, Filmwissenschaft und Amerikanistik in Zürich.

Nach der Arbeit als Medienjournalist und Filmkritiker für grössere Schweizer Tageszeitungen leitete er ein Forschungsprojekt und dozierte in Deutschland und Italien Filmwissenschaft. Seit April 2004 ist er Professor für Theorie und Geschichte bilddokumentarischer Formen an der Ruhr-Universität Bochum.

Hediger hat zwei filmwissenschaftliche Standardwerke und mehrere kleinere Arbeiten für ausländische Fachpublikationen verfasst. Er war Mitglied des Stiftungsrats der Pro Helvetia und der Eidgenössischen Filmkommission.

Die Cinémathèque suisse feiert in einem Jahr ihren 60. Geburtstag. Mit den 70 000 Filmen, 2 Millionen Fotos und 100 000 Plakaten, die sie archiviert, gehört sie zu den wichtigsten Institutionen ihrer Art weltweit.

Dumbledore ist schwul, sagt Rowling

Sie sei persönlich immer davon ausgegangen, dass Professor Dumbledore schwul sei, hat Joanne K. Rowling gemäss BBC am Freitagabend in der New Yorker Carnegie-Hall erklärt. Sie erklärte damit, warum der spätere Headmaster von Hogwarts in seiner Jugend so blind gewesen ist gegenüber den dunklen Seiten seines Jugendfreundes Gellert Grindelwald, wie es im letzten Band der Harry-Potter-Serie erzählt wird. Die Potter-Fans in der Carnegie-Hall seien zuerst in erstaunte Stille verfallen, hätten dann aber lautstark applaudiert. Vielleicht wäre das ein Grund, alle sechs sieben Bände noch einmal zu lesen? In den Filmen finden sich allerdings kaum Hinweise auf eine eventuelle Homosexualität Dumbledores und Warner Bros. wird sich nicht begeistert zeigen. Auch Richard Harris, der Ur-Dumbledore, hätte damit möglicherweise seine Mühe gehabt. Michael Gambon, der den Dumbledore seit 2004 verkörpert, wohl weniger.

Filmpodcast 47: Lust, Caution, Heimatklänge.

Se Jie (Ang Lee)Herzlich Willkommen zum 47. Filmpodcast. Schnörri vom Dienst ist Michael Sennhauser und hier ist das aktuelle Angebot: Ich erkläre meine Begeisterung für den neuen Film von Ang Lee: Lust, Caution, und ich entführe Sie mit Stefan Schwietert in die ungewohnte Welt seiner schweizerischen Heimatklänge. Das alles wie gewohnt abgeschmeckt (und abgeschmackt) mit Kurztipps und Soundspiel.

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Wegen Romeros Zombie-Klassiker ins Gefängnis?

Der umstrittene Artikel 135 des Strafgesetzbuches eröffnet die Möglichkeit, auch den privaten Import von pornografischen oder gewaltverherrlichenden Filmen unter Strafe zu stellen. Wer Horrorklassiker wie Wes Cravens The Last House on the Left (1972) über einen ausländischen DVD-Versand bestellt, riskiert eine Anklage, wenn das Paket am Post-Zoll von übereifrigen, filmgeschichtlich unbewanderten Zöllnern geöffnet wird. Weil das Strafgesetzbuch relativ klar umschreibt, was an Gewalt und Pornografie verboten ist, bleibt bei wörtlicher Auslegung oft kein Spielraum mehr für künstlerische oder kulturell tradierte Ansprüche (wie das idiotische Debakel um die Wiederaufführung von Pasolinis Salò im Februar in Zürich gezeigt hatte). Im Tages-Anzeiger (Seite 57, Zürcher Unterland) von heute berichtet Verena Schneider von einem aktuellen Gerichtsfall. Ein Familienvater hat unter anderem den Romero-Klassiker Dawn of the Dead von einem deutschen Versandhändler kommen lassen (ein Film, der im übrigen auch der Schweiz erhältlich sein dürfte, zumindest das Remake). Aufgrund einer Meldung der Zollbehörde hat der Zürcher Staatsanwalt eine Hausdurchsuchung veranlasst und den Horrorfilmfan unter Anklage gestellt. Der Schweizer Strafrechtler Bernhard Rüdy hat die Verteidigung übernommen und auf Freispruch und Entschädigung plädiert. Hier ein Auszug aus dem Artikel (online leider nicht zugänglich):

Rüdy bemängelte, dass der Staatsanwalt aus allen Filmen lediglich wenige Minuten lange Szenen für seine Anklage herausgegriffen habe. So entstehe eine selektive Wahrnehmung, die aus dem Gesamtkontext herausgerissen werde. «Völlig unhaltbar» sei die Behauptung, die Filme entbehrten einer Handlung und seien kulturell wertlos. «Dieser Beweis müsste erst noch erbracht werden – die Staatsanwaltschaft hätte ein Gutachten einfordern müssen», kritisierte er. Auch Filme wie «Frankensteins Monster», «Nosferatu» oder Vampirfilme seien Horrorfilme mit Kultstatus. Rüdy erläuterte den kulturgeschichtlichen Hintergrund von Zombies, die laut Duden keine Menschen, sondern emotionslose Untote sind, die rein instinktiv handelten. Sie bedienten eine Urangst der Menschen vor Toten, die wieder zum Leben erweckt werden. «Daraus entstand ja auch die religiöse Totenwache, die nicht zuletzt zum Ziel hatte, einen allenfalls auferstehenden Toten erschlagen zu können», so Rüdy. Er zitierte den Sprecher des katholischen Mediendienstes, der erklärt habe, solche Filme würden mit einer «ironischen Distanz» und, weil sie nicht realistisch seien, «wie Comics» wahrgenommen. Allein weil dieses Genre nicht dem Massengeschmack entspreche, sei es nicht strafbar, so der Verteidiger. Die erwähnte sexuelle Szene sei zudem nicht pornografisch, da keine Penetration gezeigt werde. Der Anwalt führte weiter aus, die beschlagnahmten Filme seien frei erhältlich. Sie wurden im Kino gezeigt und von verschiedenen Fernsehstationen, auch in der Schweiz, mehrfach ausgestrahlt. Das Reclam-Buch «Horrorfilme» würdigt «Dawn of the Dead» als «Kritik an der modernen amerikanischen Wohlstandsgesellschaft», die «Chicago Sun Times» jubelte: «Einer der besten Horrorfilme, die jemals gedreht wurden.» (Tages-Anzeiger vom 17. Okt. 2007, S. 57)

Das Urteil wurde noch nicht eröffnet, aber eines zeigt diese Anklage wieder einmal ganz klar: Jede Universitäts-Videothek, die Cinémathèque in Lausanne oder auch ich und andere filmhistorisch versierte und interessierte Filmjournalisten riskieren im Prinzip immer wieder eine solche oder ähnliche Klagen der Staatsanwaltschaft. Nicht nur der Umstand, dass unsere Videotheken zwangsläufig möglicherweise inkriminierte Filme (zumal aus den 70er Jahren) umfassen, wir müssen uns ja auch grundsätzlich die Möglichkeit offen halten, überhaupt erst zu einem Urteil über solche Filme gelangen zu können – gerade wenn sie, wie in den letzten Jahren üblich geworden, aus den USA in aufpolierten und sterilisierten Remakes wieder auf unsere Leinwände schwappen, fast immer brutaler, dümmer und irrelevanter als die Originale.

Fernsehrekord für die Herbstzeitlosen

Die Schweizer mögens gemütlich am Sonntagabend: Mit 1,34 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern hat die Filmkomödie Die Herbstzeitlosen am Sonntagabend auf SF 1 einen neuen Rekord aufgestellt. Einen Marktanteil von 58,2 Prozent erreichte bisher noch kein anderer Schweizer Film. Bislang war der im Oktober 2004 ausgestrahlte Sternenberg mit 816’000 Zuschauern der publikumstärkste Schweizer Film im Schweizer Fernsehen (SF). Nun hat die Lingerieboutique der verwitweten Martha (Stefanie Glaser), die so viel Unruhe ins Emmentaler Dorf Trub bringt, aber noch eine halbe Million mehr Schaulustige angelockt. Mehr als jeder zweite, der am Sonntagabend vor dem Fernseher sass, schaute der aufblühenden Seniorin zu. Der Film von Bettina Oberli ist auch in den Kinos ein Grosserfolg. Mehr als 860’000 Besucher wurden bisher im deutschen Sprachraum gezählt, über 61’000 DVD gingen schon über den Ladentisch. Zudem hat das Bundesamt für Kultur die Komödie für einen Oscar in der Kategorie «bester fremdsprachiger Film» angemeldet. Wahrscheinlich staunt niemand mehr über den Riesenerfolg als Bettina Oberli selber – was ehrliche Freude darüber nicht ausschliesst.

Filmpodcast 46: Persepolis, Sicko, Tati 100, Fatih Akin.

Der 46. Filmpodcast mit Michael Sennhauser umfasst: Persepolis, die gelungene Zeichentrickfassung der gleichnamigen Comics der Iranerin Marjane Satrapi. Sicko Michael Moores Attacke auf das amerikanische Gesundheitswesen. Dazu eine kurze Hommage an das komische Genie von Jacques Tati, der diese Woche 100 Jahre alt geworden wäre, sowie ein ausführliches Gespräch mit Fatih Akin zu seinem Film Auf der anderen Seite. Dazu Kurztipps und Soundspiel.

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Schweden ehrt Bergman mit Briefmarken

Die schwedische Post ehrt den im Juli verstorbenen Regisseur Ingmar Bergman mit zwei Briefmarken, die am 24. Januar 2008 erscheinen sollen. Auf der Website des Sveriges Filatelist-Förbund sind die beiden Entwürfe auch schon abgebildet. Die eine Marke zeigt Bergman als Regisseur von „Fanny & Alexander“ am Set 1983, die andere ein Portrait von 1998. Woody Allen hat sich bestimmt schon den Ersttagsbrief reserviert …

Filmpodcast 45: Ratatouille, Auf der anderen Seite, Dschoint Ventschr, Condor, Vigilante-Filme.

Der DRS-Filmpodcast mit Michael Sennhauser bringt diese Woche Beiträge zum neuen Pixar-Animationsfilm Ratatouille (siehe auch weiter unten), zu Auf der anderen Seite von Fatih Akin, einen Blick auf die Zürcher Talentschmiede Dschoint Ventschr, welche diese Woche vorsorglich alle festen Mitarbeiter entlassen musste, sowie einen Rückblick auf die Geschichte von Condor Films, welche diese Woche 60 Jahre alt wurden. Dazu einen längeren Ausblick auf Faszination und Geschichte der Vigilante-Filme von «Death Wish» bis «The Brave One», und natürlich Kurztipps und Filmsound-Spiel.

[audio http://pod.drs.ch/mp3/film/film_200710050800.mp3]