Synchronfilme auf dem Vormarsch: Das saugt aber verdammt, Mann!

Die Journalistin Florence Vuichard hat das Thema im "Sonntag / MLZ" am 10. Februar schon aufgebracht, eine Woche später hat sie zusammen mit AZ-Filmjournalist Christian Jungen nachgezogen ("Der Depp spricht Deutsch") Uns und die Kollegen bei outnow.ch packt das grosse Gruseln: Es ist statistisch nachgewiesen, die Zahlen hat das Sekretariat des Branchendachverbandes Procinema geliefert, persoenlich.com hat sie online publiziert:

Synchronisierte Filme verkaufen sich besser

Im vergangenen Jahr haben die Schweizer Kinos erstmals mehr Eintrittskarten für synchronisierte Filme verkauft als für Originalversionen. Das zeigen die neusten Zahlen des Branchenverbandes Procinema, wie "Sonntag" berichtet. Nur noch 47,73 Prozent der Besucher haben sich für die Originalversion entschieden, 52,27 Prozent haben synchronisierte Filme gesehen. Noch ein Jahr zuvor, im 2006, war das Verhältnis umgekehrt: Damals schauten nur 47,18 Prozent der Kinobesucher synchronisierte Filme, 52,82 Prozent Originalversionen.

 

Das Ende der HD DVD und der Triumph der Hochsicherheitsfilme

Bild geklaut von neuerdings.comSeit Tagen wurde im Web das Ende des Formatstreits zwischen HD DVD und Blue-Ray diskutiert. Jetzt hat Toshiba sich gegen sein eigenes Format entschieden, damit ist Blue-Ray der potentielle Sieger im Rennen um die DVD-Nachfolge, wie seinerzeit die VHS-Kassette (die auch nicht die konsumentenfreundlichste Lösung war). Verständlich zwar, dass sich Filmfreunde und Techies freuen, dass endlich klare Verhältnisse herrschen und sie wissen, was sie kaufen sollen. Zum Beispiel beim besten Schweizer Gadget-Blog neuerdings.com (wo ich auch das nette Bild geklaut habe). Was dabei allerdings die meisten vergessen: Blue-Ray ist von Sony. Sony ist ein Konglomerat, das nicht zuletzt "Content", sprichFilme, produziert. Und die grosse Unterstützung für Blue-Ray seitens der Filmindustrie geht vor allem auf das extreme DRM (Digital Rights Management) des Blue-Ray Systems zurück. Das heisst: Diese Filme sind auf Hochsicherheitscontainern gespeichert. Die laufen nicht nur bloss auf zertifizierten Playern, die brauchen auch entsprechend zertifizierte Monitore, Projektoren etc. Die Hardwareindustrie (u.a. Sony) und die Software-Industrie (u.a. Sony) hat sich die totale Kontrolle gesichert und verdient an allen Enden des Systems. Dass Blue-Ray Discs nicht so leicht zu kopieren sind, wie die herkömmlichen DVD, das darf man nicht öffentlich bedauern, auch wenn die meisten Cinemathèquen ihre Bestände nicht auf industriekonformen Wegen zusammentragen konnten. Aber dass mit dem DRM, das nun auf uns zukommt, zumindest theoretisch einmal gekaufte Filme auch nachträglich noch von den Rechteinhabern physisch gesperrt werden können (über ungültig erklären der Schlüssel, zwangsflashen der Player beim Abspielen neuer Filme etc.), das ist ungemütlich. Noch ungemütlicher aber ist der Umstand, dass kleine Filmemacher, Independents und Studentinnenfilme sich die Blue-Ray Plattform gar nicht werden leisten können. Die Industrie hat die totale Kontrolle über die Wertschöpfungskette bis zur Konsumentin. Wer Monitore bauen will, muss zahlen. Wer Player bauen will, muss zahlen. Wer mit seinen Filmen in meine gute Stube will … muss zahlen. Die Musikindustrie ist eben daran, sich aus dem DRM-Schlamassel hochzurappeln. Die Filmindustrie bastelt an ihrem eigenen Hochsicherheitsgefängnis.

Ist die Rote Zora eine Albanerin?

Der aktuelle Kinofilm nach Kurt Helds Jugendroman ist ja leider ein ziemliches Machwerk. Verhotzenplotzt und infantilisiert, ein Verrat am Buch. Aber der Film hat Interesse geweckt, wo lange keines mehr war: In Senj, in Kroatien, jenem Ort, in dem Kurt Held die Geschichte angesiedelt hat. Der dortige Bürgermeister, so berichtet die NZZ, sei sehr an der „Marke“ Rote Zora interessiert. Dabei ist das mutige Mädchen, weist der Artikel nach, gar keine Kroatin. Zora stammt aus Albanien…

2,2% weniger Kinozuschauer in Europa 2007

Das ist auf den ersten Blick keine beeindruckende Zahl, diese 2,2% Zuschauerschwund welche die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle festgestellt hat. Das sind immer noch 910 Millionen verkaufte Tickets 2007, bloss 21 Millionen weniger als 2006. Grundsätzlich ist der Zuschauerschwund aber spürbar, wie auch in der Schweiz. Deutschland hat 8.2% verloren, Frankreich 5.6% und Oststaaten wie Ungarn (minus 13.8%) oder die Slowakei (minus 19.9%) gar noch massiver. Wer nun aber die Konkurrenz von TV und DVD zitiert, liegt möglicherweise daneben. Denn gleichzeitig haben einige Territorien markant zugelegt. Italien hat 12,3% mehr Zuschauer verzeichnet, England 3,7% und Litauen hat gar einen Sprung von 34% erreicht. Eine der vorsichtigen Folgerungen des Berichtes besagt, dass die markanten Zunahmen jeweils von lokalen Produktionen herrühren. Und das können wir in der Schweiz mit den Zahlen von 2006 ebenfalls belegen – und allenfalls mit denen von 2007, wo die zugkräftigen Schweizer Filme eben fehlten. Ach ja und noch etwas darf nicht vergessen gehen: 2006 sind die Zahlen in der EU um 4% gestiegen, 2003 sind sie um 5% gesunken … alles in allem wirkt das noch immer wie normale Gezeiten. (via Variety)

Susann Wach Ròzsa

Susann Wach Ròzsa (Foto Website Fotoscene AG)Gemäss Kleinreport von heute Freitag verlässt die langjährige Produzentin Susann Wach Ròzsa das  Schweizer Fernsehen.  Zwar sind  Ab- und Neuzugänge  bei SF so normal wie bei anderen Medienunternehmen. Interessant  sind hier allerdings die Verweise auf die  Begründung. Susann Wach war an der Produktion einiger der interessanteren Filme beteiligt, bei denen SF als Partner zeichnete, zum Beispiel Strähl von Manuel Flurin Hendry, und einer ganzen Reihe von "Tatort"-Krimis. Gegenüber dem Kleinreport begründet sie ihren Abgang unter anderem so:

Ihre Arbeit und ihr Filmverständnis seien beim heutigen Schweizer Fernsehen nicht mehr gefragt, fürchtet Susann Wach Ròzsa. Der ebenfalls scheidende Kulturchef Adrian Marthaler habe

in einem Papier Grundsätze für die Stoffentwicklung und die Produktion von Fernsehfilmen verfasst und darin festgehalten, der Fernsehfilm müsse die Bedürfnisse des Sonntagabend-Publikums noch stärker erfüllen, mindestens 22 Prozent Marktanteil erreichen und starkes Identifikationspotenzial bieten. Damit würden Problemfilme, «hektische Actionfilme, düstere Psychodramen, didaktische Sozialdramen und beklemmende Psychothriller» ausgegrenzt. Gefragt seien hingegen Feel-Good-Movies à la «Millionenschwer verliebt» oder «Die Herbstzeitlosen». Dazu die Produzentin: «Es kann doch nicht alles nur auf den Quotenanspruch ausgerichtet sein.» (ganzer Artikel hier)

Auch wenn man berücksichtigt, dass  bei solchen Abgängen selten alles auf den Tisch gelegt  wird,  scheint mir damit  doch  mein eigener Eindruck gestützt, dass die Fernsehfilmproduktion beim SF massiv unter Quotendruck steht, und dass das eine der Erklärungen für die eklatante Harmlosigkeit der meisten dieser Filmchen sein dürfte.

Erste Besprechung von J.J. Abrams‘ Cloverfield

Todd McCarthy, Chefkritiker der amerikanischen Branchenzeitschrift Variety, hat eine erste Besprechung des seit Juli 2007 gehypten neuen Monsterfilms „Cloverfield“ von „Lost“-Erfinder J.J. Abrams veröffentlicht. Der Film sei, wie erwartet, eine Mischung von „The Blair Witch Project“ und „Godzilla“. Wie schon der Trailer klar machte, wird die ganze Geschichte über Camcorder-Aufnahmen der mehrheitlich jungen Protagonisten quasi-dokumentarisch erzählt, was offensichtlich viel zur Intensität beiträgt. Allerdings entpuppe sich der Angreifer dann eben doch als klassisches Monster, und das reduziere den Terror naturgemäss. Denn klassische Monster sind grundsätzlich zerstörbar. Faszinierendes Details für die Schweiz: So wie es aussieht, wird der Film vom Verleiher den Medien nicht wie sonst üblich vorgängig gezeigt. Normalerweise ist das Indiz dafür, dass sich der Verleih vor schlechten Kritiken fürchtet. In diesem Fall gehe ich davon aus, dass der Hype und die Spekulationen um den Film, wie sie von der Internetkampagne initiiert wurden, möglichst lange aufrecht erhalten werden soll.

Keine Golden Globes 2008?

Nachtrag zu den Golden Globes: Sie sind offiziell abgesagt. Statt der feierlichen Übergabe gibt es am 13. Januar nur eine einstündige Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Gewinner, wie der offiziellen Website (siehe links) zu entnehmen ist. (8. Jan 08) 

Die Hollywood Foreign Press Association steckt in einem Dilemma: Jedes Jahr ist die Verleihung ihrer Golden Globes die Eröffnung der Awards Season, die in den Academy Awards gipfelt. Aber dieses Jahr könnte die für nächsten Sonntagabend geplante Veranstaltung ausfallen. Der Grund dafür ist der andauernde Streik der Hollywoodautoren. Die WGA, der Verband der Autoren, hat nämlich klar gemacht, dass die Verleihung nur als Privatanlass geduldet würde, das heisst, ohne die sonst übliche kommerzielle Verwertung via Fernsehen. Für NBC wäre das mit einem herben Verlust an Werbegeldern verbunden und damit natürlich auch für die Veranstalter. Die WGA droht damit, dass die Veranstaltung mit einer Picket Line, also Streikposten, abgeriegelt würde, im Falle einer TV-Übertragung. Worauf die meisten Agenten der Top-Stars erklärten, ihre Klienten würden keinesfalls eine Picket-Line durchbrechen. Im Hintergrund laufen fieberhafte Verhandlungen, schliesslich hat die WGA ja auch mit David Letterman für seine Late Night Show einen Separatvertrag augehandelt. Nun gibt es, wie Variety meldet, nur noch zwei Szenarien: Eine kleine, "private" Golden Globes Verleihung ohne Networks. Oder gar keine Preisverleihung in diesem Jahr. Die Entscheidung soll in den nächsten Stunden fallen.

Sonntags-Sermon von Klaus Maria Brandauer

Klaus Maria Brandauer, Klara Obermüller ©sennhauser
Klaus Maria Brandauer, Klara Obermüller ©sennhauser

Der Mann ist in Sachen PR auf jeden Fall sein Geld wert: Wenn Klaus Maria Brandauer redet, hört die Menge zu. So war es auch vor etwas mehr als einer Stunde im Basler Luxushotel „Les trois rois“ bei der Pressekonferenz zum Drehstart von „Das Verhör des Harry Wind“ nach dem Roman von Walter Matthias Diggelmann. Geladen hat die Basler Produktionsfirma Sunvision, und auf dem Podium sassen neben Hauptstar Brandauer auch Nebenstar Sebastian Koch, Regisseur Pascal Verdosci, Produzent und Drehbuch-Co-Autor Alex Martin und die unverwüstliche Klara Obermüller, Witwe und Nachlassverwalterin von Walter Matthias Diggelmann. Obermüller hat denn auch die substantiellsten Informationen zum Roman von 1962 und seiner Aktualität geliefert. Und erklärt, sie müsse sich immer noch hin und wieder kneifen, um zu glauben, dass das Buch nun tatsächlich verfilmt werde. Nach ihr gab Produzent Martin Sebastian Koch das Wort, weil der Schauspieler bereits in der Maske erwartet wurde.

Sebastian Koch an der PK ©sennhauser

Koch war gewohnt zurückhaltend, schliesslich gebe es vor dem Dreh für einen Schauspieler noch wenig zu sagen. Aber das hinderte natürlich den Hauptstar des Anlasses keinesfalls am ausgiebigen Reden. Klaus Maria Brandauer liess seine bühnentrainierte Stimme über die Köpfe hinweg dröhnen und lieferte eine fast 15minütige Sonntagspredigt. Er fing mit dem Geständnis an, dass sein Einfluss auf das Weltgeschehen leider begrenzt sei. Als Schauspieler sei er nur ein Interpret, aber, und das sei schliesslich auch der Kern des Romans von Diggelmann: Es gebe ja ohnehin keine Wahrheit, sondern nur Interpretationen davon. Und es gebe nichts Neues unter der Sonne. Alles, vom ersten Schrei eines Kleinkindes bis zu den Malereien von Picasso, so Brandauer, sei eine Reprise. Sogar er selbst sehe sich ausserstande, zu wiederholen, was er fünf Minuten früher gesagt habe. Er könne das nur interpretieren. Das alles hatte irgendwie mit dem Projekt und dem Drehbuch zu tun, war aber inhaltlich viel grösser, schwerer, weitreichender. Irgendwie. Aber ausschlaggebend war natürlich die Präsenz des Mannes. Der Star ist ein Star, weil er sich wie ein Star benimmt, der sich nicht wie ein Star benimmt. Das ist meine Interpretation der Wahrheit, natürlich. Oder etwas ähnliches. Unbestritten ist die magnetische Präsenz des Schauspielers Brandauer. Selbst wenn es sich leicht peinlich anfühlt, ihm zuzuhören, die Faszination ist da:

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Kombination Koch-Brandauer mit dem Stoff von Diggelmanns Roman bestens korrespondiert. Brandauer als akribischer Verhörer, als Wahrheitssucher im Dienste der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Und Koch als nebelkerzenverfeuernder PR-Spezialist, als Spin-Doctor, der auch seine eigene Geschichte vorzu neu erfindet und dreht und wendet. Denn das ist offenbar auch der Angelpunkt des Drehbuches von Alex Martin und Marion Reichert: Die Schauplätze des Buches werden auf einen Hauptschauplatz reduziert, das Verhör und damit das Kammerdrama mit zwei Schauspielern wird in einem improvisierten Studio in einem Einkaufszentrum in Lörrach gedreht, mit einem Minimum an Aussenschauplätzen. Damit wird der Film effektiv ein Zweipersonenstück. Und das ist auf jeden Fall reizvoll, gerade mit diesem Duo aus Brandauer und Koch. Mehr dazu mit Oton morgen Montag in DRS2aktuell und natürlich am Freitag im Filmpodcast.

Celebrity-Placement II: John Malkovich verkauft sich und Computer

Da habe ich doch gestern noch behauptet, product placement im Kino sei überholt. Keine wirklich fundierte Aussage, muss ich zugeben. Und wie zur Strafe erreicht mich heute die Pressemeldung eines grossen Konzerns, der Filme, Unterhaltungselektronik, Computer und Musik produziert. Ab sofort werben die für ihre Notebook-Reihe mit einer eigenen Website mit Schauspieler John Malkovich. Irgendwie muss sich der Star ja sein Leben in Südfrankreich und die vielen Indie-Filmprojekte finanzieren. Das im Betty-Bossi-Stil gehaltene Webalbum ist nicht sehr gehaltvoll, aber die Stimme und der unverwechselbare Silberblick des Stars erzeugen doch eine gewisse Aura. Im übrigen bin ich überzeugt, dass auch Malkovich, wie fast alle seiner Gattung, in Wirklichkeit mit einem schicken Computer der kalifornischen Firma mit dem Obstlogo arbeitet.

Celebrity Placement: Product Placement im Kino war gestern …

Die jährlichen Award-Shows von Oscar bis MTV-Awards haben es vorgemacht: Wenn E!-online die Stars nach ihren Kleiderausstattern fragt, rollt bei Versace und Co. der Rubel. Aber die Werbung durch Produkt-Platzierung auf oder an Prominenten ist längstens ein gut durch organisiertes Geschäft. Während unser Schweizer Fernsehen noch Probleme kriegt mit sogenannter "Schleichwerbung" in Serien, also gezielt eingesetzten und ins Bild gerückten Markenprodukten oder Dienstleistungen, ist das lukrative System bei so genannten Prominenten längst Teil der Mediensymbiose geworden. Die Süddeutsche von gestern hat eine aufschlussreiche Zusammenstellung und gibt Einblicke in das Geschäft mit "Celebrity Placement".