Lachat zu Polanski: Die Nachtmahr wird Wirklichkeit

Polanski mit Mia Farrow bei den Dreharbeiten zu 'Rosemary's Baby' © Paramount
Polanski mit Mia Farrow bei den Dreharbeiten zu 'Rosemary's Baby' © Paramount

Die Nachtmahr wird Wirklichkeit

Über alles gesehen hat die Chronik etwas konstant Unbeschreibliches an sich. Es ist wohl nur Wenigen, seien sie hiesige o­der andere Eu­ro­päer, auch Amerikaner, in seinem Aberwitz restlos auf­­gegangen. Ein angesehener Filmemacher seit bald 50 Jahren wird in ein Land eingeladen, das er schon oft besucht hat. Eine Auszeichnung für das Erbrachte winkt ihm dort, ähnliche sind im Dutzend beiläufiger. Der Ge­­danke, die Kultur liesse sich auch ohne­ den ganzen Firlefanz um Lorbeerkranz unterstüt­zen, ist keineswegs neu oder weit her­geholt. Goldene Palme, Oscars beeindrucken alle, die Ro­man Polanskis Filme weder kennen noch kennen lernen wol­len, geschweige denn zu schätzen versuchen.

Der Kandidat hätte absagen können, kein Schaden wäre ihm oder an­dern daraus erwachsen. Schliesslich gibt es­ immer noch weniger­ Preise als mög­­­­­liche Empfänger. Wenn er wahrhaftig anreist, dann als ein Freund der Schweiz, oder weil er sich vielleicht nur als sol­cher ge­bär­det, aus nachvollziehbaren Grün­den wie Niederlassung, Bank­­ge­heim­nis oder Steuersatz. Wen kümmert’s ? So manche andere halten sich schadlos. Indessen will kein Mensch die ü­berflüssigerweise vor­be­reite Urkunde und Lobesrede und das unkassiert gebliebene bisschen Grapsch dem Ehrungswürdigen madig machen. Alles hätte er bekommen dürfen, ohne einen Hahnenschrei.

‹On n’arrête pas Voltaire›

Seine Verhaftung schockiert so sehr, dass sich an­fänglich viele weigern, wohl auch der Arrestant selber, an eine arglistig gestellte Falle zu glauben. Aus der Gruft wird ein zerfallen geglaubter Skandal geschaufelt, was bedeutet, wie eh und je : Ursachen und Hergän­ge sind­ weniger gefragt als Urheber. Für alles angeprangert wird in diesem Fall der Herein­gefallene und -genommene, des­sen Vergangenheit in der Tat eine dü­stere Episode einschliesst. Doch welcher Mann kann schon mit 76 in Anspruch nehmen, nie je­man­dem ein Leids getan zu haben­? „Lachat zu Polanski: Die Nachtmahr wird Wirklichkeit“ weiterlesen

Abbitte bei Alain Tanner

Messidor von Alain Tanner

Alain Tanner hat Geburtstag, und ich habe mich zur vielleicht perversesten, sicher aber ungewöhnlichsten Hommage meiner journalistischen Laufbahn entschlossen. Am Sonntag wird er 80 Jahre alt, die Verkörperung des international erfolgreichen Schweizer Autorenfilms, das Aushängeschild der siebziger Jahre, der Mann, der sich mit Charles mort ou vif (1969) und La salamandre (1971) eigentlich schon unsterblich gemacht hatte. Sein Jonas qui aura 25 ans en l’an 2000 von 1976 ist einer der Lieblingsfilme einer ganzen Generation, und ich habe ihn geliebt für Messidor von 1979, seine urschweizerische Vorwegnahme von Thelma & Louise.

Alain Tanner

Seit 1991 aber bin ich Alain Tanner nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen, selbst zu den Zeiten, in denen ich ihm als Redaktor der Branchenzeitschrift Cinébulletin gelegentlich hätte begegnen müssen. Der Grund dafür war ein permanent schlechtes Gewissen, denn Tanners Film L’homme qui a perdu son ombre von 1991 hatte mich zu einem der giftigsten Verrisse meiner Laufbahn provoziert. Ich stehe noch heute dazu, dass der Film verunglückt ist, aber die Häme des Textes kann ich heute nur noch mit enttäuschter Liebe erklären: Ich hatte Tanner verehrt, und ich mochte nicht miterleben, wie er sich im Alter verlor. Damit nun auch andere das Ausmass meiner Enttäuschung nachvollziehen können, und als Vertreibung alter Geister, habe ich den Text aus der Zeitung von 1991 abgetippt (das Original liegt irgendwo auf einer ATARI 3.5 Zoll Diskette in einem antiken Format) und stelle ihn hier in den Blog.

Ich gratuliere Alain Tanner ganz herzlich zum Geburtstag und hoffe, er lese heute weder Deutsch noch Internet. Falls aber doch: Bitte nehmen Sie die fast zwanzig Jahre alte jugendliche Tirade als Ausdruck enttäuschter Liebe und damit als verkappte Liebeserklärung an!

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Filmpodcast Nr. 158: Whatever Works, Fish Tank.

Woody Allen mit seinem Alter Ego Larry David © frenetic
Woody Allen mit seinem Alter Ego Larry David ©frenetic

Kino im Kopf, serviert von Brigitte Häring. Heute kriegt Woody Allen Haue von mir für Whatever Works – denn der Film tut’s nicht. Dafür findet Brigitte etliche gute Haare an Andrea Arnolds Teenager-Sozialdrama Fish Tank. Dazu wie immer die fünf Unverpassbaren und das Tonspurrätsel.

Saugen: Filmpodcast Nr. 158 (Rechtsklick für Download). Hören:


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Minarettverbot: Fatih Akin kommt nicht in die Schweiz

Fatih Akin bei den Dreharbeiten zu 'Soul Kitchen' © Pathéfilms
Fatih Akin bei den Dreharbeiten zu 'Soul Kitchen' © Pathéfilms

Am 16. Dezember 2009 hätte in Zürich die Schweizer Premiere von Fatih Akins neuem Film Soul Kitchen stattfinden sollen. Aus Protest gegen den Volksentscheid der Schweiz gegen den Bau von Minaretten an Moscheen hat sich Fatih Akin gegen eine Einreise in die Schweiz entschieden. Seine Pressesprecherin hat den Schweizer Medien den folgenden offenen Brief des Regisseurs zukommen lassen: „Minarettverbot: Fatih Akin kommt nicht in die Schweiz“ weiterlesen

Die Unverpassbaren, Woche 50

Katie Jarvis und Michael Fassbender in 'Fish Tank' von Andrea Arnold © Pathefilms
Katie Jarvis und Michael Fassbender in 'Fish Tank' von Andrea Arnold © Pathéfilms

Der letzte Monat des Jahres ist bereits ein wenig angebraucht, die Weihnachtsfilme zucken in leiser Erwartung auf ihren Rollen. Bevor es aber los geht, übernächste Woche, mit Avatar und Where the Wild Things Are, hier die fünf Filme im aktuellen Angebot, die niemand verpassen sollte:

  1. Fish Tank von Andrea Arnold. Die harte Pubertät einer 15jährigen ohne Luxusprobleme, zwischen warmer Wut und kalter Hoffnung.
  2. Tannöd von Bettina Oberli. Die stimmungsvolle und rasant geschnittene Verfilmung des Bestsellers..
  3. Die Frau mit den fünf Elefanten von Vadim Jendreyko. Ein schönes Portrait einer wunderbaren alten Frau.
  4. Mary & Max berührend schönes, tabufreies und rotzfreches Plastillinkino aus Australien.
  5. Looking for Eric von Ken Loach. Eine wunderbare Tragikomödie mit Steilpass von Fussballstar Cantona.

Nicht ganz geglückt ist leider, seinem Titel zum Trotz, Woody Allens Whatever Works. Mehr dazu morgen im Filmpodcast.